Frieden? Hauptsache nicht Wagenknecht!

LINKE und Ukraine-Krieg Die aktive De-mobilisierung der LINKEN-Spitze und die 'Rechtsoffenheit' vieler Regierungslinker in der Friedensfrage haben die Spaltung der Partei vorgeführt und zementiert

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Seit der Veröffentlichung des Friedensmanifests wird in den Leitmedien ad nauseam über Sahra Wagenknecht als Person, ihre Motivation für den Aufruf, ihr persönliches Agieren, ihre wohl sinistren Motive spekuliert. Fest steht, Wagenknecht hat die Initiative ergriffen, und den grundsätzlichen friedenspolitischen Punkt gemacht, der vielen Menschen, und darunter vielen Parteimitgliedern der LINKEN, unverzichtbar ist: Waffen zu liefern verlängert das Töten. Das Töten muss aber so schnell wie möglich aufhören, bedingungslos. War denn niemand vor ihr dazu in der Lage, müsste man stattdessen fragen: Wie agierten und agieren eigentlich die Personen in der (weiteren) Führungsspitze der LINKEN im Angesicht des Manifests - also der Partei, die sich ja immer noch als Die Friedenspartei sieht?

Spätestens seit dem Bundesparteitag, auf dem der derzeitige Ukraine-Kurs der Parteiführung gerade so mit 57 zu 43 Prozent durchgepeitscht wurde, war klar: Die Frage, wie die LINKE auf den Ukraine-Krieg reagiert, wird mehr und mehr zur Frage um das Überleben der LNKEN als politisches Projekt. Natürlich verurteilte die LINKE-Führung die Scholz'sche Volte, nun doch Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Aber ließ man den Worten auch Taten folgen? Wo blieb der Schulterschluss mit Wagenknecht - wenigstens im Sinne der gemeinsam wahrzunehmenden friedenspolitischen Verantwortung der Partei? Denn eines hatte der (durchaus ehrenwerte) Versuch des 'heißen Herbstes' ja gezeigt: Ohne Wagenknecht keine breitenwirksame Mobilisierung. Warum unternahm man nicht mal den Versuch, z.B. im Vorfeld der Abstimmung über die Panzerlieferungen im Bundestag eine große bundesweite Kundgebung gemeinsam mit ihr vorzubereiten? Ein Kompromiss hätte ja sein könen: über Sanktionen wird nicht geredet. Statt dessen: Schweigen und verschränkte Arme. Richtig garstig wurde es dann im Vorfeld der angekündigten Demo: Entgegen vieler Stimmen aus der Partei versenkten Bundes-vorstand und Landesvorstände einfach die Anträge der Basis auf Unterstützung der Kundgebung am 25.2. Das mediale Märchen von der Rechtsoffenheit der Kundgebung wurde von den Protagonisten bereitwillig aufgenommen: Martin Schirdewan begründete den Vorwurf u.a damit, dass im Netz in rechtsradikalen Kreisen massiv dafür mobilisiert werde, wie er der Presse sagte - wie das die Veranstalter einer Kundgebung verhindern sollen, bleibt sein Geheimnis. Noch einen Zacken schärfer klang es aus Sachsen, wo ein aufgebrachter Landesgeschäftsführer Lars Kleba sich auf dem Verteiler einer LINKEn-Arbeitsgemeinschat zitieren ließ, Oskar Lafontaine habe nun "die Kundgebung für die Nazis geöffnet", weil der - zweifelsohne missverständlich - darauf bestand, nur Funktionäre der AfD seien nicht willkommen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Einem ehemaligen Vorsitzenden der Partei Die LINKE, dessen Vater durch den Krieg des faschistischen Deutschland noch im April 1945 getötet wurde, wird also ernsthaft unterstellt, er habe die Absicht, und evl. auch die Verbindungen, Neonazis in eine linke Demo einschleusen zu wollen. Eine gröbere Beleidigung lässt sich schwer denken.

Dafür nahm die Führungsriege der Berliner LINKEN, Klaus Lederer, Katina Schubert und Katja Kipping am 24.2. an einer Pro-Ukraine-Demo teil, auf der rechts-nationalistische Schlachtruf 'Slava Ukraini!' gebrüllt wurde, und u.a. die Symbole des faschistischen Asov -Regiments gezeigt wurden. Und das 'Solidaritäts'-Foto der brandenburgische Bundestagabgeordneten Domscheidt-Berg zeigt neben ihr Menschen, die stolz das Schild 'Gute Russen = Tote Russen' in die Kamera halten. Eine Positionierung zu diesen Vorfällen von Seiten der Parteiführung gab es nicht.

Das hinderte dieselben Leute im Nachgang des 25.2. nicht, die großen Keulen auszupacken: Die Wagenknecht-Kundgebung sei eine "unterträgliche Relativierung des Faschismus" gewesen, ließ sich Schubert zitieren, Kipping sprach im ZDF denunziatorisch von der 'Russia Today-Fraktion' in der LINKEN, die diese Kundgebung organisiert hätte, und stellte im Vorbeigehen gleich noch den wichtigsten friedenspolitischen Grundsatz des Parteiprogramms ihrer eigenen Partei in Frage: Die Zielsetzung eines 'Systems gemeinsamer Sicherheit in Europa' unter Einschluss Russlands nannte sie 'aus der Zeit gefallen'.

All dies lässt einen sprachlos zurück: Wer sind hier eigentlich die rechtsoffenen LINKEN, könnte man polemisch fragen, wenn man die selben verschrobenen Maßstäbe der Kontaktschuld, wie sie auch an die Wagenknecht-Kundgebung angelegt wurden, an die Berliner LINKEN-Spitze anlegt. Dass der Vorwurf gegen die Manifest-Demo nicht zutrifft, ist hinreichend dokumentiert: In jedem Medienauftritt Wagenknechts und Schwarzers war eine Distanzierung von Faschismus und Reichsbürgertum beinhaltet. Die Vorwürfe wurden trotzdm medial wiederholt - zusammen mit der zungenschnalzenden wie selbstgewissen Erwartung, man werde schon sehen wie die Querfront in Berlin zusammenfinde. Und immer weiter so, im Kreis.

Festzuhalten bleibt, die Parteispitze rührte für die Vorbereitung einer der wichtigsten und größten Friedens-Demos der letzten Jahrzehnte keinen Finger, und führte dadurch die Problematik einer möglichen rechten Unterwanderung der Demo, vor der sie doch unentwegt warnte, selbst mit herbei: Denn mit einer Mobilisierung durch die Partei, und eine Mithilfe bei der Organisation z.b. durch die Gestellung von Ordnern hätte natürlich eine rechte Infiltration schon im Vorhinein viel wirksamer ausgeschlossen werden können. Auch Bundesgeschäftsführer Tobias Bank, der bis dahin wegen seiner Sachlichkeit durchaus als 'ehrlicher Makler' zwischen den Strömungen betrachtet wurde, hat mit seiner unnötig krassen Positionierung, durch die er den Mythos der mangelnden Rechtabgrenzung selbst mit befeuerte, viel Vertrauen verspielt. Übrigens passt dazu perfekt, dass 'ausgerechnet' jetzt die Programmdiskussion in der LINKEN forciert werden soll: Ende Januar gab ein Schreiben der Bundesgeschäftsstelle allen bundesweiten Zusammenhängen der Partei eine Deadline bis 1.3., um nach oben zu melden, "bei welche Stellen" für das Erfurter Parteiprogramm "eine Überarbeitung nötig zu sein scheint", wie der Begleittext soufflierte.

Wer so redet, wer so (nicht) agiert, hat kein Interesse am innerparteilichen Rapprochement. Wo eine grundsätzliche politische Willensanstrengung nötig gewesen wäre, wurden die Schotten dichtgemacht, wurde radikal der Maxime Adenauers gefolgt: Lieber die halbe Partei ganz, als die ganze Partei halb. Reine Macht(erhaltungs)politik. Ganz anders die Basis der Partei: Tausende GenossInnen dürften am 25.2. nach Berlin gekommen sein - die vielen Fahnen der LINKEN bezeugen den Selbstorganisierungswillen der Basis angesichts der Stagnation im Apparat.

Sahra Wagenknechts Initiative zum Manifest und zur Demo kamen, nachdem klar war, dass die Führng der LINKEN nicht willens war, die friedenspolitische Herausforderung anzunehmen, die die Kampfpanzer-Entscheidung darstellte. Die aktive De-mobilisierung, die die LINKEN-Spitze und viele Regierungslinke in den Tagen vor der Demo und danach in der Friedensfrage praktizierten, hat die Spaltung der Partei erst richtig öffentlich werden lassen und sie zementiert. Ein gutes hat diese Debatte jedoch: Viele Stadt- und Kreisverbände haben sich - zweifellos gegen großen Druck 'von oben' - für die Unterstützung der Demo ausgesprochen. (Hat eigentlich mal jemand gezählt, wieviele?) Das war ein mutiger Akt der Emanzipation, der zeigt, wo eine Mehrheit der LINKEN in der Friedensfrage (genauer: in der Ukrainedebatte) wirklich steht - bei Wagenknecht und dem eigenen Erfurter Parteiprogramm, und nicht beim Parteivorstand und der Parteispitze. Nichts führt die Hohlheit der Funktionärsherrschaft in der Partei so vor, wie diese Entwicklung. Niemand kann heute noch das Märchen aufrechterhalten, auf der einen Seite stehe Sahra Wagenknecht, und auf der anderen "die" Partei. Die Frage ist, wie sich die große Gruppe der Genossinnen und Genossen, die die Friedenspolitik (und damit das Erfurter Programm) verteidigen, in der Zukunft orientieren werden.

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