Deutschen-Bildungs-Aktiengesellschaft

Privatisiert Schulen Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen-Bildungs-AktiengesellschaftRede auf der Hauptversammlung

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Ihre Freitag-Redaktion

Dr. Klau´s Greifzu,

Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen-Bildungs-Aktiengesellschaft

Rede auf der ersten Hauptversammlung 2018

Meine Sehr geehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie zur ersten Hauptversammlung der Deutschen-Bildungs-Aktiengesellschaft! Lassen Sie mich zuerst mit einem kleinen Ausblick auf unser Geschäftsfeld in der deutschen Bildungslandschaft beginnen. Im Anschluss wird Ihnen dann unser Hauptgeschäftsführerin Frau Marie Zaster-Moos die aktuellen Zahlen der Bilanz und den Wirtschaftsplan für das kommende Jahr erörtern.

Jedermann kann Bildung

Wir aus der Wirtschaft wissen, Pädagogik muss man eigentlich nicht studieren. Pädagogik ist wie Bundestrainer oder Bundeskanzler. Das kann jeder und vor allem natürlich kann es jeder besser. Insofern wird der Aussage, dass im Bildungssystem fast alles falsch gemacht wird, auch jeder sofort zustimmen. Zwar sind sich alle uneins, wenn es darum geht, wie es besser gemacht werden soll. Aber darauf kommt es uns erst einmal gar nicht an. Es geht um das Bestehende und das muss weg, damit wir etwas Neues an seinen Platz setzen können.

Da ist es vor allem wichtig, dass Widerstand in der Bevölkerung erst gar nicht entsteht. Denn wenn sich alle einig sind, dass die Sache endgültig kaputt ist, kann sie auch geräuschlos abgeräumt werden.

Solche Ideen entstehen natürlich nicht im Oberseminar irgendeiner erziehungswissenschaftlichen Fakultät, sondern sie kommen aus von uns, aus der Wirtschaft. Erziehungswissenschaftler interessieren sich bekanntlich selten für Ökonomie, es sei denn, es geht darum einen jener gut dotierten Forschungsaufträge von der OECD, Bertelsmann oder einem sonstigen uns angeschlossenen Thinktanks an Land zu ziehen. Außerdem sind Pädagogen, die sich selbst Erziehungswissenschaftler nennen, weil sie glauben, dass wir sie dann ernst nehmen, derart mit dem Auszählen der PISA-Ergebnisse beschäftigt oder befinden sich in einem verschraubten akademischen Diskurs über Adorno, dass sie gar nicht merken, wie der eigentliche Zug der Bildungsreformen längst an ihrem Elfenbeinturm vorbei gezogen ist.

Wir machen die Bildungsrevolution

Wir, die Leute aus der Wirtschaft, wissen, wie man Reformen und Revolutionen erfolgreich zu Ende führt, denn wir haben seit 1789 Erfahrungen. Schon in der Französischen Revolution gelang es uns, den Pöbel erfolgreich für unsere Interessen einzuspannen. Seitdem haben wir dieses Experiment mehrfach erfolgreich wiederholt. Selbst in der DDR funktionierte es prima. Als die bürgerbewegten Demonstranten sich kurz nach der Wende wunderten, dass ihre Betriebe und Wohnungen privatisiert wurden und sie also gar nicht der Reiter und Lenker dieser Bewegung waren, sondern höchstens das Pferd, da haben wir ihnen schnell die Flüchtlinge vor die Nase gesetzt. Da kamen sie gar nicht mehr zum Nachdenken über ihren wirklichen Widersacher, sondern stürzten sich wie der Stier aufs rote Tuch, anstatt den Torero auf die Hörner zu nehmen. Das Ganze funktionierte so gut, dass wir dieses Stück jetzt seit 30 Jahren im Programm des politischen Theaters der Bundesrepublik haben, ohne dass sich jemand wesentlich über die Endlosschleife beschwert hätte.

Der kategorische Imperativ des ökonomischen Handelns

Wir, die Herren und Herrinnen der Wirtschaft, haben ja ganz wundersame Dinge erfunden! Eine der besten Ideen ist dabei die geplante Obsoleszenz. Sie zeigt, dass wir wesentlich weiter denken können, als bis zum nächsten Börsentag oder zur nächsten Bilanz, wie uns oft vorgeworfen wird. Wir wissen, der Profit von morgen und übermorgen muss gesichert werden. Deshalb konstruieren wir vorsätzlich kaputte Produkte. Natürlich so, dass der Käufer dieses nicht gleich merkt. Aber darauf verwenden unsere Ingenieure tatsächlich ihre Intelligenz! Wir haben es auch geschafft, dass den Ingenieuren moralische Skrupel selten kommen, denn im Ethikunterricht wird diese Form asozialen Handelns ja nicht thematisiert. Hier wie überall geht es eher darum, dass die zukünftigen Verkäufer von Arbeitskraft im Konkurrenzkampf um die sonnigen Plätze im Kapitalismus sich nicht gleich mit dem Besteck an die Gurgel gehen. Und die Weisheit, dass wenn wir die Schweinerei nicht machen, es genügend andere gibt, die nur darauf warten, einzuspringen, ist unser eigentlicher kategorischer Imperativ. Damit verkaufen unsere Kollegen aus der Rüstungsbrache auch prima Waffen an Diktatoren in aller Welt.

Ohne Destruktion keine Produktion

Die Zerstörung ist sozusagen immer der Geburtshelfer für unsere neuen Absatzmärkte. Das können Sie sich beispielsweise im Kriegsgebiet des ehemaligen Jugoslawiens ansehen, wo europäische Baumarktketten ihre Hallen ganz wunderbar vor der Kulisse der Soldatenfriedhöfe aufgebaut haben. Der Absatz war durch die Zerstörungen im Krieg garantiert. Da störte es wenig, dass ein Teil der potentiellen Käufer auf dem Friedhof lag, denn die schnell nachwachsende Population glich das wieder aus.

Aber auch in friedlichen Zeiten war es immer eine probate Strategie etwas erst völlig verrotten zu lassen, um es dann mit großem Aufwand neu zu bauen und daran dann doppelt und dreifach zu verdienen. Unsere Freunde aus dem Immobiliensektor wissen genau, wovon ich spreche. Diese Strategie funktioniert aber immer und überall!

Das Bildungswesen komplett privatisieren

Wir sind stolz darauf die Ersten zu sein, denen die Idee kam, dass man diese Methode auch auf das gesamte Bildungssystem anwenden kann. Hier waren wir zwar schon seit einigen Jahren recht aktiv, denn kluge Betriebs- und Volkswirte haben natürlich festgestellt, dass es einen lukrativen Bildungsmarkt gibt. Mit Lernmaterialien, Nachhilfe, Weiterbildung etc. haben wir daher in den vergangenen Jahren viel Geld verdient und es ist den Handlungsreisenden unseres Wirtschaftszweigs schon recht erfolgreich gelungen, in die staatlichen Schulen einzudringen.

Aber kluge Köpfe denken weiter. Sie werden sich fragen, warum man immer nur auf Bildungsmessen und per Büchertisch im Lehrerzimmer für seine Produkte werben darf. Wäre es nicht viel gewinnbringender, wenn man das gesamte Schulwesen gleich komplett übernehmen würde? Das ist doch ein lukratives Geschäft, welches wir selbst betreiben können. Um ihnen das schmackhaft zu machen, schauen Sie sich doch einmal folgende einfache Rechnung an:

Die Ausbildung eines Schülers in Deutschland kostete 2017 durchschnittlich pro Jahr 6700 Euro.[1] An allgemeinbildenden Schulen gab es in Deutschland im gleichen Jahr 8,35 Millionen Schüler. Das bedeutet, dass hier von staatlicher Seite rund 56 Milliarden Euro umgesetzt wurden. Es ist immerhin gelungen, uns schon große Stücke von diesem Kuchen zu sichern. Nicht nur im Bereich von Unterrichtsmaterialien, Nachhilfe und Fortbildungen für Lehrer verdienen wir jetzt tüchtig mit. Auch die Reinigung der Schulgebäude, die Schulsozialarbeit, Erzieher im Hortbereich etc. wurden „ausgegliedert“. Sie arbeiten jetzt alle nicht mehr direkt beim Staat bzw. bei der Kommune, sondern in Firmen unserer Freunde aus der Reinigungsbranche, bei so genannten sozialen Trägern mit oft bunten Namen und nicht selten nur mit Zeitverträgen. Auch bauen wir endlich wieder Schulgebäude, die wir teuer an die Kommunen vermieten und natürlich haben unsere Privatschulen Konjunktur.

Arbeitskraft Profite schafft

Um aber eine betriebswirtschaftliche Prognose über zu erwartende Profite und Rendite zu geben, ist folgender Punkt wichtig. Etwa vier Fünftel der Ausgaben im Bildungssystem entfallen auf das Personal.[2] Und hier wird es jetzt für uns Investoren interessant, denn schon Karl Marx wusste, dass sich Profit nur mit der Ausbeutung - äh Beschäftigung - von Arbeitskräften erwirtschaften lässt.

Wenn es uns also gelänge, die Schulen einschließlich des Lehrpersonals komplett zu privatisieren, so ließe sich hier nicht nur eine Menge Geld verdienen, sondern zudem die Kosten drücken. Dieses Argument ist sehr wichtig! Denn damit kann man immer Funktionsträger des Staates und die Bürger ködern. Und sollte es nachher doch teurer werden, ist das auch kein Problem. Das kennen Sie doch vom Berliner Flughafen.

Und wer sagt denn schon, dass eine gute Lehrkraft als Studienrat bezahlt werden muss? Dass diese Arbeitskräfte oft schlechtgelaunt ihren Dienst tun und gerne die Flucht in Krankheit oder Frühpensionierung antreten, ist ja schon fast ein Allgemeinplatz. Hier hat unser systematisches Lehrerbashing der vergangenen Jahre ganze Arbeit geleistet.

Was spräche also dagegen, die Schulen an freie Träger abzutreten, und das pädagogische Personal unter Marktbedingungen einzustellen? Aus unserer Sicht nichts! Bei den kommunalen Kitas hat dieses ja schließlich auch funktioniert, ohne dass es zu einem breiten Aufschrei gekommen wäre. Zwar meinten damals einige ganz Schlaue, dass gerade die frühkindliche Förderung die Bestmögliche sein solle, wie es in den skandinavischen Ländern ist. Aber wir haben es geschafft, dass niemand mehr überprüft, wie es damit in der Wirklichkeit aussieht. Wir haben dabei eine ganz einfache Strategie betrieben:

Zuerst haben wir politisch einen Anspruch auf einen Kitaplatz von unseren Politikern festschreiben lassen. Das war für unser Geschäftsmodell das Beste, was uns passieren konnte. Schließlich aber brauchen wir ja auch beide Elternteile als Arbeitnehmer. Denn – lassen Sie mich dieses als Gruß an unsere Kollegen aus der Immobilienwirtschaft formulieren – irgendwie muss ja auch die Miete für die modernisierte Wohnung erwirtschaftet werden.

Wir haben dabei gleichzeitig die Kitaplätze so knapp gehalten, dass die Eltern jetzt froh sind, wenn sie überhaupt einen erhaschen. Da ist doch klar, dass die nicht mehr groß nachfragen, wie es mit der Bildung ihres Nachwuchses bestellt ist. Die sind froh, dass sie jetzt fürs Bruttosozialprodukt schaffen dürfen. Und wenn sie es danach auch noch schaffen, die Gören kurz vor der Schließzeit abzuholen, stellen sie bestimmt keine Fragen mehr.

Für die Erzieher schließlich, die wir ja in private Trägerschaft übernommen haben, haben wir uns etwas ganz besonderes einfallen lassen. Die sind jetzt mit Dokumentationen und bürokratischer Arbeit so ausgelastet, dass sie über ihre eigentliche Tätigkeit und über deren Bedingungen bestimmt nicht mehr nachdenken können.

Vorwärts immer, rückwärts nimmer

In diesem Sinne arbeiten wir uns jetzt auch in der Schule vor. Der Widerstand, der uns hier entgegen treten wird, wird gering sein. Denn Kritik müsste doch politisch oder pädagogisch formuliert werden. Hier zweifele ich, dass Lehrer dazu überhaupt in der Lage sein werden, selbst wenn sie das Fach Gesellschaftskunde unterrichten. Wir haben schon in der Ausbildung dieser Lehrkräfte dafür gesorgt, dass die sich mit allen möglichen Nebenkriegsschauplätzen beschäftigt haben, bloß nicht mit den wichtigen Themen. Und außerdem - sie wissen schon - die Lehrer motzen höchstens im Lehrerzimmer über ihre unangepassten Schüler, als dass sie mal weiter denken, als an die nächsten Ferien oder an ihre Pension.

Insofern sind wir jetzt schon auf dem besten Weg. Wir haben dafür gesorgt, dass reguläre Lehrer Mangelwahre sind, indem wir die Studienplätze an der Universitäten in diesem Bereich reduziert haben. Da haben wir nichts dem Zufall überlassen!

Denn natürlich kannten wir die Zahlen! Jeder Mensch kann sie sich beim Statistischen Bundesamt besorgen. Etwa wie viele Kinder in einem Jahr geboren werden oder wie viele Lehrkräfte in den nächsten Jahren in Rente gehen. Auszurechnen, wie viele Lehrer man da in sechs Jahren braucht, das schaffen Sie sogar mit einem Volksschulabschluss!

Aber das wollten wir ja so. Und als der Notstand offensichtlich wurde, haben wir wieder die Nummer mit den Flüchtlingen gebracht. Das hat prima funktioniert. Alle reden darüber und niemand über unseren Coup!

Stallgeruch aus gutem Hause

Wir ersetzen daher jetzt die fehlenden Lehrer mit Quereinsteigern und Studierenden. Es gibt zwar gelegentlich Beschwerden aus der Elternschaft. Aber die verkraften wir, zumal ja nicht wir, sondern die Lehrkraft dann die Kritik aushalten muss. Und wichtige Leute schicken ihre Kinder ja gleich auf eine Privatschule und freuen sich, dass der Pöbel unter sich bleibt. Da haben wir also auch nichts zu befürchten.

Und wie sie wissen, sind die Privatschulen zwar nicht unbedingt besser, aber wer einen gewissen sozialen Status hat, sorgt schon dafür, dass die Kinder nicht sozial absteigen. Da kann der Nachwuchs ruhig schon mal in den ersten vier Jahren nur seinen Namen tanzen lernen. Dafür, dass später die Kanzlei übernommen wird, sorgen dann schon der Stallgeruch und das Repetitorium.

Von daher ist es prima, dass die Bevölkerung glaubt, dass Bildung und Wohlstand irgendetwas miteinander zu tun hätten. Diese Studie, wonach höhere Bildung zu einem besseren Arbeitsplatz, mehr Wohlstand und einem längeren und glücklicherem Leben führt, geben wir alle zwei Jahre in Auftrag. Das sichert unseren Nachhilfeinstituten dauerhaft die Nachfrage.

Aber wir alle wissen ja, reich wird man nicht durch Bildung oder Arbeit, sondern nur mit Geld, Aktien und Immobilien. Dann können Sie sich notfalls die entsprechende Bildung für sich selbst und Ihren Nachwuchs leisten. In diesem Sinne ist unsere Aktiengesellschaft bemüht, bei der Bildung (ihres Vermögens) aktiv mitzuhelfen.

Den Kuchen zerlegen

Bevor wir in Zukunft daran gehen, den großen Kuchen endgültig zu zerlegen und uns die besten Stücke zu sichern, müssen wir das System Schule erst noch vollständig kaputt machen.

Hier sind wir auf dem besten Weg! Spätestens nach zwei weiteren erfolglosen Reformen, die auf der Grundlage empirischer Daten und der Gehirnforschung die Methoden des Erlernens der Schrift und des Rechnens neu erfinden, wird der Laden so fertig sein, dass er von uns mühelos übernommen werden kann.

Das hat übrigens bei der Post und der Bahn auch funktioniert. Und wen stört es heute schon, dass die Päckchen von Amazon, Zalando & Co. oder die Mahnschreiben von Behörden, nicht mehr von einem uniformierten Postboten mit Beamtenstatus, sondern von einem Lohnsklaven aus dem Niedriglohnsektor zugestellt werden? Das Volk wird sich daran genau so gewöhnen, wie an Rentner, die Flaschen sammeln.

In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Glück auf!

[1] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/so-viel-kostet-ein-schueler-im-jahr-a-1133681.html

[2] Statistisches Bundesamt, Schulen auf einen Blick, 2018

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Geschrieben von

Saltadoros

Olaf Schäfer: Pädagoge, Musiker...

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