Mit Bambi nach Jerusalem

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Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, so nahm David die Harfe und spielte mit seiner Hand; so erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm. (1, Samuel, 16,23)

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/76/Calatrava_Jerusalem.jpg/698px-Calatrava_Jerusalem.jpgEin Hingucker ist die Harfe schon. Diese neue Brücke im Westeingang Jerusalems symbolisiert nach den Worten des damaligen Bürgermeisters Lupolianski die Harfe Davids. Offiziell heißt sie "Saiten-Brücke" (גשר המיתרים‎, Gesher HaMeitarim).

Wer von Tel Aviv aus kommt, fährt unweigerlich auf dieses architektonische Monument zu.

Da Jerusalem auf einem Hügel liegt, nähert man sich dieser 118 Meter hohen und 140 Meter langen Brücke von unten, was sie noch imposanter erscheinen lässt, als sie ohnehin ist.

Nachdem die Harfe steht, sind die bösen Geister vielleicht gewichen. Aber in der Planungs- und Durchführungsphase war das anders. Aus den geplanten Kosten wurden doppelt so hohe Kosten. 73 Millionen Dollar.

Und wie wurde gelästert: Das sei nicht Davids Harfe, sondern bloß ein Schiffssegel. Oder - böser - ein krummer Nagel. Ein einziges Kopfweh.

Mir gefällt sie. Nicht zu reden von Ofren, meinem Taxifahrer aus Tel Aviv, der mich herüber bringt. Er sieht ein wenig aus wie Danny de Vito.

Eigentlich wollte ich einen der Egged-Linienbusse hierher nehmen. Aber Ofren versprach ein interessanterer Gesprächspartner für die dreiviertelstündige Fahrt zu werden als irgend welche Pendler.

Sein Englisch war nicht besonders gut, was hier eher ungewöhnlich ist. "This is beautiful, beautiful!" meinte er mit echter Begeisterung über die Brücke.

Seine Anmerkungen waren überhaupt eine einzige überschwängliche Lobeshymne auf Israel.

Er ist griechischer Abstammung, aber schon seit vierzig Jahren hier. In Griechenland sei es auch schön, aber Israel ist sein zuhause.

"Aaaah, Israel" ruft euphorisch aus, schon kurz nachdem wir Tel Avic verlassen haben und übers Land fahren. Er weist mit dem Arm in die sanfte Hügellandschaft um uns, zeigt auf jedes zweite Dorf, nennt dazu die Namen, und dass es dort ganz besonders schön sei.

Was ist das "wirkliche" Israel, will ich von Ofren wissen. Tel Aviv oder eher Jerusalem?

Überhaupt keine Frage, natürlich Jerusalem. Er lebe gern in Tel Aviv, it's young, it's modern, you know? aber man kann es nicht mit Jerusalem vergleichen.

Wir reden ein bisschen über Allgemeines und ich möchte wissen, ob der Verkehr hier immer so flüssig laufen würde wie heute. Ja, hier gibt es fast nie Stau. Aber morgen könnte es Probleme geben. Morgen gibt es landesweiten Alarm. Viel Militär ist dann unterwegs, auch Krankenwagen und Polizei. Morgen würden wir wahrscheinlich nicht so gut vorankommen. You know, klärt er mich auf, there is the Hezbollah in Lebanon, they are doing manoeuvers, they always fire rockets on us.

Nur diesen einen kurzen Moment wird Ofren böse. Kurz winkt er mit der Hand ab: These Hezbollah, ah!

http://farm5.static.flickr.com/4007/4641508362_12de0116d4_o.jpgOb es für seinen Namen eine Entsprechung im Englischen gäbe, frage ich ihn. Er scheint nicht zu wissen, was ich meine, und ich gebe Beispiele.

Like Ruth, Sarah, Michael. They all exist both in German and in english. Er dreht sich zu mir um und schaut mich ungläubig an. Wirklich? Diese Namen gibt es im Deutschen?

Das kann ich ihm versichern. Sie kämen schliesslich alle aus der Bibel. Ja, die meisten israelischen Namen kommen aus der Torah, gibt er zurück, und rattert eine Reihe von Namen herunter, endet dann mit Avraham.

Ich: Ja, im Deutschen heißt das Abraham. Hektisch dreht er sich um und scheint es nicht fassen zu können. Avraham? In German? Really?! Ich bejahe, er schüttelt den Kopf und lacht. Die Namen aus der Torah gibt es also ausgerechnet auf Deutsch.

Das gefällt ihm. Er lächelt vor sich hin, scheint diese Namen nochmals durchzugehen. Und Ofren, ja, das heißt so viel wie...., er überlegt, you know, it's "Bambi". Kleines Reh. Das mit Bambi passt zu diesem fröhlichen Menschen. Das sage ich ihm und er quittiert es mit Lachen und verschämter Zustimmung.

Wir nähern uns über eine Ringstraße der Altstadt und kommen durchs Orthodoxenviertel Mea Schearim.

In this quarter the religious people live, merkt Ofren mit ernstem Ton an und nimmt dabei in einer bedeutungsvollen Geste den Zeigefinger hoch. Wichtige Leute, scheint er damit sagen zu wollen.

Nach abschliessendem heiterem Palaver kommen wir am Damaskustor an, wo er mich absetzt. Genau an dieser Stelle vor zehn Jahren stand immer ein trauriger Esel. Ich frage Ofren, ob er wüßte wo der Esel geblieben sei. Das weiß er natürlich nicht.

Nach dieser kurzweiligen und interessanten Fahrt verabschieden wir uns unter herzlichem Schulterklopfen. Ich nehme meinen Koffer auf und mache mich auf Richtung Damaskustor. Als Ofren ins Taxi einsteigt ruft er mir mit einem Lächeln zu: "Your donkey is well, trust me!"

Gute Zeit, Bambi!

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Photos:

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Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

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