Murdochs Krise und die pro-israelische Presse

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Rupert Murdoch hat nie einen Hehl daraus gemacht vehementer Unterstützer Israels zu sein. Ganz im Stil seiner unzähligen Boulevardblätter schreckt er dabei auch nicht vor Übertreibungen zurück:

Meine eigene Perspektive ist recht einfach: Wir leben in einer Welt in der es einen fortwährenden Krieg gegen die Juden gibt.

Murdoch glaubt die heutigen Antisemiten genau zu kennen:

Heute scheinen die stärksten antisemitischen Strömungen von der Linken zu kommen.
Oft tarnt sich dieser neue Antisemitismus als legitime Kritik an Israel.

Zwischen dem Terrorismus einer Al-Quaida und dem Widerstand der Palästinenser gegen die israelische Unterdrückung macht Murdoch keinen Unterschied.

http://www.transatlantikblog.de/wp-content/uploads/2011/07/rupert_murdoch_pro_israel.jpg

Wie George W. Bush scheint Murdoch nur schwarz - weiß zu kennen, nur ein mit uns oder gegen uns. Dazu stilisiert er Israel als Speerspitze von "unserem Kampf gegen den Terror":

Im Westen sind wir daran gewöhnt zu denken Israel könne ohne die Hilfe Europas und der Vereinigten Staaten nicht überleben.
Heute abend sage ich Ihnen: Vielleicht sollten wir uns fragen ob wir in Europa und den USA überleben können wenn wir den Terroristen erlauben in Israel Erfolg zu haben.

Kämen solche Äußerungen aus dem Mund eines nobody, der offenkundig in Holzschnittmustern denkt, könnte man mit einem Achselzucken darüber hinweggehen. Rupert Murdoch ist aber kein nobody. Mit einem Vermögen von über 6 Milliarden US Dollar steht er zwar "nur" auf Platz 117 der Rangliste der Reichsten, aber Forbes hat ihn im letzten Jahr auf einem beeindruckenden - oder beängstigenden - Platz 13 der einflussreichsten Menschen der Erde gelistet.

Das hat einen guten Grund. Murdochs Medien-Imperium News Corporation - nach Disney der zweitgrößte Medienkonzern weltweit - umfasst Fernseh- und Radiosender, Verlage und hunderte Zeitungen.

Darunter sind Größen wie FOX News, New York Post, Wall Street Journal, 20th Century Fox Studio (alle USA), Sun, Sunday Times, The Times (alle GB) und bis vor kurzem das an Niveaulosigkeit kaum zu unterbietende britische Massenblatt News of the World, das nach dem bekannt gewordenen Abhörskandal von Murdoch trotz einer Auflage von über 2 Millionen kurzerhand geschlossen wurde.

Bekanntlich hat die Geschichte gewaltig an Fahrt aufgenommen. Zur Abhöraffäre kamen Korruptions-, Nötigungs- und Bestechungsvorwürfe. Aus der Affäre wurde eine politische Krise.

Inzwischen gab es in England zahlreiche Festnahmen. In den USA hat das FBI Ermittlungen gegen News Corp. eingeleitet.

Das alles führt zur Frage:

Wankt das Murdoch-Imperium?

Woran sich die Frage anschließt: Wankt das von der News Corporation weltweit produzierte israel-freundliche Nachrichtenbild?

Diese Frage jedenfall treibt einige um, die bislang auf die bedingungslose Unterstützung Israels durch Murdochs Presse und dessen gute Beziehungen rechnen konnten.

Malcolm Hoenlein, Vize-Präsident der amerikanischen Lobbyvereinigung Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations meinte daher besorgt:

Seine Publikationen und Medien haben gezeigt, dass sie zum Thema Israel fairer als der Rest der Medien sind.
Ich hoffe das wird [durch den Skandal] nicht beeinflusst.

Anscheinend ist das Hauptthema auf pro-israelischer Seite tatsächlich die Sorge, Murdoch könnte an Einfluss verlieren. Der Skandal selbst bleibt weitgehend unreflektiert. Die konservative Jerusalem Post zum Beispiel bringt zum Skandalthema fast ausschließlich Reuters-Agenturmeldungen und verzichtet auf eigene Beiträge.

Jane Eisner vom respektablen Jewish Daily Forward verfasste deshalb einen Weckruf, um auf die bedeutsameren Punkte hinzuweisen. Sie meint die Fixierung auf den Machterhalt Murdochs

kann kaum sein was uns als Juden und als Bürger beschäftigen sollte, während wir zusehen wie der Medienmogul vor dem Parlament aussagt und dabei vor jeder persönlichen Verantwortung für den abscheulichen Journalismus eines seiner Flaggschiffe ausweicht. [...]
England ist auch ein Verbündeter Israels, und seine gegenwärtige Regierung ist durch diesen Skandal ins Mark erschüttert. Ist das vielleicht gut für die Juden?

Der britische Jewish Chronicle scheint ähnlich irritiert zu sein und stellt seinen jüdischen Mitbürgern die provozierende Frage "Fällt der Vorhang für den israel-freundlichen Murdoch?", um als Antwort nüchtern festzustellen, dass fast alle Zeitungen im Niedergang seien. Insofern würden auch die Blätter des Rupert Murdoch immer weniger bedeutsam. Der Kampf der Ideen werde längst an anderen Orten ausgetragen - den sozialen Netzwerken und alternativen Medien. Insofern sei dieser Skandal ein geeigneter Anlass, sich rechtzeitig neu zu orientieren.

Murdochs Imperium zittert, keine Frage. Ob es wankt oder gar fällt, darf bezweifelt werden. Dafür verfügt dieser Apparat über zu viel Geld, zu viele Beziehungen, zu viele unauflösbare geschäftliche Verbindungen. In einem gewissen Sinn kann man sagen: Too big to fail.

Doch mit dem schieren Fortbestand des Murdoch-Imperiums ist noch nicht beantwortet, wie sich die Israel-Haltung weiter entwickeln wird.

James Murdoch: Der israelkritische Sohn?

Rupert Murdoch ist mit seinen 80 Jahren nicht mehr der jüngste. In absehbarer Zeit wird er seine Amtsgeschäfte abgeben müssen. Als Nachfolger wird bislang sein Sohn James gehandelt. Der 38jährige ist bereits als Vorstand mehrerer News Corp. Unternehmen tätig. Er genießt den vollen Respekt seines Vaters, was die Geschäfte anbelangt.

Die uneingeschränkte Israelfreundschaft seines Vaters scheint er nicht zu teilen. Der GUARDIAN berichtete kürzlich ein Episode, in der die beiden Murdochs beim früheren Premierminister Tony Blair zum Essen eingeladen waren. Als es zum Thema Nahostkonflikt kam, schien Murdoch sen. gesagt zu haben, er sehe einfach nicht das Problem der Palästinenser. Daraufhin muss James Murdoch barsch erwidert haben, deren Problem sei einfach, dass sie

verflucht nochmal aus ihren Häusern vertrieben wurden und nirgends mehr leben konnten.

Viel mehr ist nicht bekannt über die nahostpolitischen Ansichten von James Murdoch. Man darf diese Äußerung im kleinen Kreis nicht als offizielles Statement werten, aber man kann es als Indiz dafür nehmen, dass er im Falle einer Übernahme des Unternehmens nicht dieselbe uneingeschränkte Israel-Loyalität wie sein Vater an den Tag legen wird.

Aus der Personalie James Murdoch ergibt sich keine allzu rosige Zukunft, was die Israel-Lobby anbelangt.

Insofern kann man nur wünschen, dass die Empfehlung des Jewish Chronicle bald Früchte trägt: Dass Israel in Zeiten weltumspannender Netzwerke und des zunehmend freieren Austauschs von Information und Ideen so handelt, dass es für seine Politik keinen obskuren medialen Beschützer wie Murdoch mehr braucht.

Und nein, Rupert Murdoch, wir leben nicht in einer Welt in der es einen fortwährenden Krieg gegen die Juden gibt. Dieser Spruch ist nur eine Doktrin.

Wie meinte der israelische ehemalige Abgeordnete der Knesset und langjährige Friedensaktivist Uri Avnery unlängst: "Selbst wenn wir uns wie eine normale Nation verhalten, wird Israel weiter existieren. Dies verspreche ich!"

Ein derartig humaner, vernünftiger Satz freilich wird sich nie in die medial aufgeregte Welt eines Murdoch fügen. Er könnte dem Geschäft schaden.

--------------------------------------------------------------------

[ Dies ist eine gekürzte Fassung des Originalbeitrags.]

Photo: World Economic Forum (Wiki CC), Screenshot Haaretz, Photomontage Transatlantikblog

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

schlesinger