10.000 sind nicht genug

Flüchtlinge Wenn es um die Aufnahme von Menschen in Not geht, stiehlt sich Deutschland aus der Verantwortung - vor allem auf Kosten der ärmsten Staaten.

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„Ich werde langsam ärgerlich, wenn gesagt wird, es reicht nicht aus“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach der Frühjahrstagung der Innenminister im Juni dieses Jahres. Er und seine Amtskollegen aus den Bundesländern hatten vereinbart 10.000 zusätzliche Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Hilfsorganisationen kritisierten, dieses Kontingent sei viel zu klein. De Maizière sah das anders. Wie wenig seine Einschätzung mit der Realität zu tun hat, zeigen die aktuellen Zahlen des UNO-Flüchtlingshilfswerks.

Zahl der Flüchtlinge drastisch gestiegen

Wenn es um einen Beitrag zur Bewältigung der weltweit eskalierenden Flüchtlingsproblematik geht, stiehlt sich Deutschland aus der Verantwortung. Gemessen an seiner Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl tut Deutschland fast nichts, um den Millionen von Menschen zu helfen, die durch gewalttätige Konflikte vertrieben werden und teils zur Flucht aus dem eigenen Land gezwungen sind. Das zeigen die Zahlen, die das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) anlässlich des Weltflüchtlingstags 2014 veröffentlicht hat.

Mehr als 51,2 Millionen Menschen waren im Jahr 2013 auf der Flucht, was allein im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um sechs Millionen bedeutet. Vor dem Bürgerkrieg in Syrien sind rund 2,5 Millionen Menschen ins Ausland geflüchtet und auch die Krisenregionen Zentralafrika und Südsudan sind laut dem UNHCR für den erheblichen Anstieg bei der Zahl der Vertriebenen verantwortlich.

33,3 Millionen Menschen waren im eigenen Land auf der Flucht, 16,7 Millionen Menschen flüchteten ins Ausland und 1,1 Millionen stellten einen Antrag auf Asyl. Die Lasten dieser Herausforderung, der die Weltgemeinschaft gegenübersteht, tragen nicht die reichen Industrieländer – ganz im Gegenteil sind es einige der ärmsten Staaten, die den Ansturm der Flüchtlinge bewältigen müssen. Dass Deutschland nun zumindest 10.000 weitere syrische Flüchtlinge aufnehmen will, erweist sich bei einem genauen Blick auf die Daten als verschwindend geringe Zahl.

Die Schwachen tragen die Last

Das UNHCR stellt fest, dass allein in den wirtschaftlich schwächsten Staaten der Erde 2,8 Millionen Menschen Asyl gefunden haben, also rund ein Viertel der Asylfälle, die weltweit registriert wurden. Dass die europäischen Staaten bei den Zahlen nicht gut wegkommen, wird auch an anderer Stelle schnell deutlich.

Gemessen an der Einwohnerzahl halten sich in keinem Staat mehr Flüchtlinge auf als im Libanon (178 Flüchtlinge auf 1000 Einwohner). Es folgen Jordanien, der Tschad und Mauretanien, bevor mit Malta ein EU-Staat auftaucht. Hier werden pro 1000 Einwohner 23 Flüchtlinge gezählt, die zumeist eine lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer auf sich genommen haben. Das sind so viele wie in Dschibuti und nur wenige mehr als im Südsudan.

Setzt man die Zahl der beherbergten Flüchtlinge in direkte Verbindung zum BIP, wird das Armutszeugnis für die EU noch größer. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist Pakistan der Spitzenreiter, gefolgt von Äthiopien und Kenia. In dieser Kategorie hat sich kein europäischer Staat in die Top-Ten verirrt, dafür jedoch beispielsweise Bangladesch.

Beschämende Zahlen für Deutschland

187.567 Flüchtlinge haben sich laut den Zahlen des UNHCR im Jahr 2013 in Deutschland aufgehalten. Rechnet man auch die noch noch laufenden Asylverfahren und in Deutschland registrierte Staatenlose hinzu, ergibt sich eine Gesamtzahl von 334.857 Personen. Das UNHCR greift auf dieselben Zahlen zurück, die auch die Bundesregierung nennt. Eines der reichsten Länder der Welt nimmt demnach nur rund vier Schutzsuchende pro 1000 Einwohnern auf.

Man könnte langsam ärgerlich werden, wenn der Bundesinnenminister meint, das reiche aus.

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