Hass ist, was du daraus machst

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Unser Kolumnist geht joggen und versucht dabei, negative Schwingungen loszuwerden. Außerdem tut er etwas zutiefst Undeutsches.

Ich bin von zwei Gefühlen erfüllt, die nicht so beliebt sind: Wut und Hass. Es gibt sicherlich sehr ausführliche Definitionen zu beiden Begriffen, aber ich begnüge mich damit zu sagen: Wut ist kurzfristiger Hass. Das Attraktive an Wut und Hass ist, dass sich der Inhaber immer im Recht fühlt. Alles, was er nun tut, hat einen triftigen Grund.

Das Problem mit diesen Gefühlen ist nicht, dass sie irrational sind, das ist Liebe auch. Das Problem ist, dass wütende oder hassende Menschen sehr bedrohlich wirken und dass Taten, die durch Hass oder Wut ausgelöst werden, immer auf Zerstörung aus sind. Niemand pflanzt hasserfüllt Blumen oder baut aus Wut ein Kinderheim. Eher schon wollen Leute mit diesen Gefühlen ein Kinderheim abreißen oder Blumen zertreten Es wäre deshalb am besten, wenn Menschen mit solchen Gefühlen wie stark alkoholisierte Menschen nicht mit anderen Menschen in Kontakt kommen und in ihrem Zimmer bleiben, bis sie ihre Gefühle wieder im Griff haben.

Vor einigen Tagen war ich sehr wütend. Es hatte was mit dem Beruf zu tun, aber auch mit dem Ausgang von Bundesligaspielen. Weil mir klar war, dass diese Gefühle nicht gut waren, schnürte ich die Turnschuhe und joggte Richtung Park. Das half immer. Doch vor einem Haus stand jemand mit seinem Fahrrad quer über dem Bürgersteig. Er sah mich von weitem kommen und doch bemühte er sich nicht, mir Platz zu machen. Das machte mich so wütend, dass ich beim Vorbeilaufen aus Versehen, nein ich meine „aus Versehen“, mit meinem Fuß sein Hinterrad berührte. Ich trat es nicht, aber es war auch nicht so, dass ich es bloß streifte. Als ich später wieder zurückkehrte, hatte er sein Fahrrad an die Seite geschoben.

Weil ich jedoch weiterhin von negativen Gefühlen erfüllt war, tat ich nur zehn Minuten später etwas, was gute Deutsche im Gegensatz zu guten Engländern niemals machen: Ich ging bei Rot über die Ampel. Denn ich wusste, diese Ampel blieb lange rot und so lange wollte ich nicht warten.

Als ich mich später an meine Taten erinnerte, an die Sache mit dem Fahrrad und an die Sache mit der Ampel, war mir das plötzlich sehr peinlich. Oh wie toll, Dalkowski, du hast ein Hinterrad fast getreten, du bist über eine rote Ampel gegangen. Du bist der tollste, mutigste, echt jetzt. Applaus. Ja, ist ja schon gut, ich hab’s verstanden.

Und hier ist mein Plan: Menschen sollten gleich in ihren ersten Phasen von Wut und Hass furchtbar peinliche Dinge tun. Noch peinlichere als ich. Erdbeermarmelade an die Wand werfen. Schimpfwörter in allen Weltsprachen mit Kreide auf die Straße malen. Nackt durch die Nachbarschaft rennen. Sie sollen dies mehrfach tun. Und dann, wenn sie wieder einmal wütend werden oder der Hass mit ihnen durchgeht, werden sie sich an diese Taten erinnern. Und das wird ihnen so peinlich sein, dass sie lieber einsam in ihrem Kämmerchen hocken bleiben, bis die Phase vorüber ist, als in ihrer Wut irgendwas richtig Kriminelles zu tun, zum Beispiel einen unschuldigen 17-Jährigen lynchen.

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