Kids just wanna have fun

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Ein Gemisch aus Milch, Farbstoffen, Zucker und mit Zucker gefüllten Kugeln überflutet Deutschland. Die so genannten Kids lieben den so genannten Bubble Tea. Was fällt ihnen ein?

Trinken ist ein biologisches Bedürfnis, das ausschließlich mit Leitungswasser gestillt werden könnte. Doch der Mensch hat über Jahrtausende die Überzeugung entwickelt, dass Trinken so wie Essen auch Genuss bedeutet. Deshalb gibt es Kaffee, Zitronenlimonade und Orangensaft.

Menschen, die die Volljährigkeit noch nicht erreicht haben, die Kids, besitzen nur eine sehr vage Vorstellung davon, was Genuss bedeutet. Sie lassen sich viel besser mit der Aussicht auf Spaß oder noch besser Fun locken. Das meint eine sehr oberflächliche Art des Genießens, die sich sehr leicht täuschen lässt.

Nur das erklärt den Erfolg von Bubble Tea, einem merkwürdigen Getränk zwischen Eistee und Milchshake mit merkwürdigen Kugeln, das in Läden verkauft wird, die so schnell hochgezogen werden wie vor zehn Jahren Subway-Filialen. Wenn Erwachsene dort vorbeikommen, sagen sie: „Da sitzen die Kinder immer nach der Schule.“ Es gibt sie nicht nur in Berlin, sondern auch in Saarbrücken, Cottbus, Darmstadt und Krefeld. Die bekannteste Kette BoboQ wirbt mit dem Spruch: „Der Fun-Drink aus Fernost“.

Aus Fernost ohne Tradition

Fernost, das klingt nach Jahrhunderte alter Tradition. Bubble Tea aber wurde in den 80ern in Taiwan erfunden, wo verschiedene Teehäuser mit Tee, Milch und Zuckersirup experimentierten und das Ergebnis an Schulkinder verkauften. Kurze Zeit später kamen die Tapioka-Perlen hinzu, geschmacksneutrale Kügelchen aus der Stärke der Maniokwurzel, die eine Konsistenz zwischen Kaugummi und Götterspeise besitzen. 2010 eröffneten die ersten Läden in Berlin.

Nicht nur das schnelle Wachstum erinnert an Subway, auch die verwirrend hohe Zahl an Wahlmöglichkeiten. Das führt dazu, dass der erste Besuch in einem Bubble-Tea-Laden einen so sehr überfordert wie der erste Tag in der neuen Schulklasse.

Möchten Sie Tee, Milchtee, Milch oder Joghurt?

Tee.

Möchten Sie mit Mangogeschmack, Maracuja, Apfel, Kiwi, Litschi, Ananas, Erdbeer, Honigmelone oder Heidelbeer?

Mango.

Möchten Sie Ihren Tee mit Mangogeschmack mit Tapioka, Fruchtgelee oder Popping Boba?

Popping was?

Kügelchen aus Algenstärke, die mit Zuckersirup gefüllt sind und beim Beißen zerplatzen.

Dann Popping Boba.

Mit welchem Sirup sollen die Bobas gefüllt sein? Erdbeere, Mango, Maracuja, Litschi...

Hört das denn nie auf?

Nein.

Das Ergebnis füllt der Verkäufer in einen durchsichtigen und bunt bedruckten Plastikbecher, den er mit einer Folie verschließt. Die durchsticht man später mit einem Strohhalm, der breit genug ist, um auch die Perlen aufzusaugen.

Spucken verboten!

Das ist kein Genuss, das ist Fun. Und Fun ist das Gegenteil von Langeweile. Fun ist der hohe Zuckergehalt. Fun ist, nicht bloß zu trinken, sondern auf diesen Kugeln zu beißen. Fun ist der Strohhalm. Fun ist der Plastikbecher. Fun ist die eher nach Chemiewerk aussehende Farbe des Getränks. Fun ist der Geschmack, der nicht eine Sekunde an echte Mangos oder Erdbeeren denken lässt. Bubble Tea, das ist ein Massenauflauf der Farbstoffe und Aromen. Obst ist nur auf den Prospekten zu sehen. Fun ist es, die Kugeln anzusaugen und dann dem Kollegen ins Gesicht zu blasen. Es gibt Filialen, die deshalb per Aushang verkünden: Spucken verboten.

Wir Erwachsenen verstehen den Fun nicht, den der Bubble Tea macht. Wir sind zutiefst besorgt. Wir sind davon überzeugt, dass sich die Kids die Zähne kaputtmachen mit all dem Zucker. Dass sie nie lernen werden, wie eine echte Erdbeere schmeckt. Dass sie so dick und träge werden, wie wir es bereits sind. Oder dass sie gar ersticken an Tapioka und Popping Boba. BoboQ warnt in seinen Prospekten: „Nicht geeignet für Kinder unter 5 Jahren, da diese noch nicht in der Lage sind, die Toppings sicher durch den Strohhalm aufzusagen.“ Zu blöd zum Bubble-Tea-Trinken. Und wie werden erst die Kinder der Kids? Babys, die von Geburt an täglich vier Bubble Teas brauchen, um ihren Zuckerbedarf zu stillen. Die Bubble-Tea-Babys wären das Ende unserer Gesellschaft.

Doch die Kids sind unstete Wesen und ihr Bedürfnis nach fun erfordert ständig neue Reize. Dem Bubble Tea droht deshalb das selbe Schicksal wie dem Monster Slush, jenem grell gefärbten Eispüree, das Jugendliche in Fußgängerzonen einige Jahre lang in Plastikbechern vor sich hertrugen. Und das Wachstum von Subway hat irgendwann das Bedürfnis nach Subway deutlich überstiegen, so dass die Filialen jetzt mit derselben Geschwindigkeit wieder verschwinden, mit der sie aufgetaucht sind. Bei jeder Bestellung für ein simples Sandwich oder ein simples Erfrischungsgetränk 94 Entscheidungen treffen zu müssen, strengt auf Dauer an. Dann tut es eben doch das belegte Brötchen vom Bäcker und der Schokoshake aus der Eisdiele.

Die Kids, sie könnten noch zu Genießern werden.

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