Sozendämmerung

SPD Immer deutlicher, immer unverminderter scheint die SPD im Osten in das Schicksal einer Diasporapartei abzugleiten. Besserung ist zumindest mittelfristig nicht in Sicht.

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Im Osten nichts Neues

Ja, so hart kann der Wähler sein. Da ist man Juniorpartner in einer Großen Koalition und macht überwiegend ordentliche Arbeit. Und dann erhält man dank der eigenen Beliebigkeit am Wahlabend eine beispiellose Abfuhr. Da steht sie nun die arme Heike Taubert, Spitzenkandidatin der thüringischen SPD, eingerahmt (oder besser eingequetscht) zwischen einer erstarkten Ministerpräsidentin und einem noch selbstbewussteren Linken. Und dann, also ob es an diesem Horrortag noch einer weiteren Demütigung bedurft hätte, spricht der SPD-Chef höchstselbst vor der versammelten Hauptstadtpresse merklich angefressen seinen Tadel aus.

Es mag nur ein kleiner Trost sein, aber Taubert befindet sich in guter Gesellschaft. Nicht viel anders erging es ihrem sächsischen Pendant zwei Wochen zuvor. Trotz eines sympathischen Wahlkampfs bewegte man sich am Tag der Entscheidung kaum einen Millimeter vorwärts. Immer deutlicher, immer unverminderter scheint die SPD im Osten in das Schicksal einer Diasporapartei abzugleiten. Und noch schlimmer: Besserung ist zumindest mittelfristig nicht in Sicht.

Schwindendes Angebot, rare Nachfrage

Die SPD steht vor einem großen Problem: In wirtschaftlich saturierten Bundesländern scheint ihr politisches wie personelles Angebot an die Wähler nicht mehr zu verfangen. Was sich im Osten gerade vollzieht, könnte im Süden noch bevorstehen. Im Musterländle Baden-Württemberg, wo Arbeitslosigkeit nahezu unbekannt ist und man sich seiner vorbildlichen Wirtschaft wegen rühmt, droht erneut Sozendämmerung. Hier regiert man weitestgehend konfliktfrei mit den Grünen. Die SPD-Minister sind fleißig, wenn auch sehr blass. Und alles wird überstrahlt von einem grünen Regierungschef, dessen demonstrative Bodenständigkeit beim Wahlvolk überaus gut ankommt. Obgleich die Landtagswahl noch eine ganze Weile hin ist, sehen die Umfragewerte schon seit geraumer Zeit keine grünrote Mehrheit mehr in Stuttgart. Kretschmann mimt dagegen den Gelassenen - und hat dafür einen guten Grund. Es ist nämlich längst ein offenes Geheimnis, dass der sich "wertkonservativ" gebende Landesvater nur zu gern eine weitere Etappe des schwarz-grünen Projekts einleiten würde. Und die SPD? Tja, die wäre außen vor. 2001 hatte man mit über 30 Prozent noch ein Spitzenergebnis. Davon wagt heute keiner mehr zu träumen. Momentan wäre das Erreichen der 20%-Marke ein Erfolg. Wie sich doch die Zeiten ändern können...

Österreich als Negativbeispiel

Im Rahmen der ausführlichen Wahlnachlese sprach die linke "taz" bereits von einer drohenden Österreichisierung des deutschen Parteienspektrums. Dieser Ansatz hinkt zwar ein wenig - schließlich ist die bieder-verstockt daherkommende AfD mit den gehaiderten Rechtsnationalen von der FPÖ nur bedingt vergleichbar - und doch bietet die Alpenrepublik reichlich Anschauungsmaterial in der Kategorie "Wie man es nicht machen sollte". Die aktuell regierende Koalition aus SPÖ und ÖVP gibt ein so miserables Bild ab, dass sie einem Großteil der Österreicher mittlerweile wie eine chronische Zahnfleischentzündung daherkommt. Während Kanzler Faymann, offiziell Sozialdemokrat, in Wirklichkeit überzeugter Merkelianer, den Status Quo um jeden Preis erhalten will, ist der Koalitionspartner ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Geschickt versteht es die umtriebige FPÖ den quellenden Unmut in eigene Wählerstimmen umzumünzen. Mit plumpen aber wirkungsvollen Slogans wie "Unser Geld für unsre Leut´" oder "Österreich zuerst!" ist die einst bräunliche Honoratiorenpartei zur stärksten politischen Kraft zwischen Bregenz und Burgenland avanciert. Und besonders pikant: Gerade bei Arbeitern ist sie überdurchschnittlich erfolgreich. Während die SPÖVP-Dauerkrisenehe weiterwurstelt wie ehedem, verfärbt sich der politische Horizont bedrohlich bläulich. Wären demnächst Wahlen in der Republik, der Kanzler hieße Strache...

Die SPÖ und ihr beispielloser Niedergang

Unter dem sozialdemokratischen Übervater Bruno Kreisky waren Rekordergebnisse von über 50 Prozent durchaus keine Seltenheit - eher der Normalfall. 2013 kam die Faymann-SPÖ so ach und krach auf 25%. Im schönen Vorarlberg, die österreichische Ausgabe Baden-Württembergs, stehen am nächsten Wochenende Landtagswahlen an. Auf den ersten Blick bietet das Ländle den Sozialdemokraten ein reiches Wählerpotenzial. Kein Bundesland beheimatet mehr Industriearbeiter. Der Großteil der Bevölkerung ist urbanisiert. Bis auf kleine Pannen verfolgt der weithin unbekannte Spitzenkandidat einen unauffälligen Wahlkampf. Die Umfragen indes sind wenig berauschend. Kommt es hart auf hart werden die stolzen Kreiskyenkel am Sonntag erstmals einstellig werden. Vielleicht hat ja dann irgendein Genosse in Bregenz die Nummer von Heike Taubert zur Hand...

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