Die Meldung vom Sonntag hat mit der Meldung vom Dienstag mehr zu tun, als viele hierzulande wahrhaben wollen. Am Sonntag haben die Wählerinnen und Wähler in Frankreich Marine Le Pen als Präsidentin verhindert. Am Dienstag hat das Statistische Bundesamt in Deutschland den bisher höchsten gemeldeten Monatswert für Exporte veröffentlicht.
Waren im Wert von 118,2 Milliarden Euro hat die Bundesrepublik im März 2017 in andere Länder ausgeführt, knapp elf Prozent mehr als noch im Vorjahresmonat und damit in einem Rekord-Ausmaß. Noch stärker sind die Importe angewachsen – um knapp 15 Prozent, auf einen Wert von 92,9 Milliarden Euro. Damit sinkt sogar Deutschlands Außenhandelsbilanzüberschuss ein klitzekleines Bisschen: von 25,8
28;rker sind die Importe angewachsen – um knapp 15 Prozent, auf einen Wert von 92,9 Milliarden Euro. Damit sinkt sogar Deutschlands Außenhandelsbilanzüberschuss ein klitzekleines Bisschen: von 25,8 Milliarden im März 2016 auf 25,4 Milliarden Euro zwölf Monate später.Wind in den SegelnDoch 400 Millionen weniger Überschuss innerhalb von einem Jahr – das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, das hilft nicht weiter. Nicht, um die Ungleichgewichte der Eurozone zumindest annähernd ins Lot zu bringen. Nicht, um den Profiteuren dieser Ungleichgewichte vom Schlage Le Pens ein für alle Mal den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Überschüsse der einen sind die Defizite der anderen. Frankreichs Handelsbilanzdefizit 2016: 48 Milliarden Euro. Drei Milliarden mehr als 2015.Das zu ändern, schickt sich nun der am Sonntag zum Präsidenten gewählte Emmanuel Macron an, will allem voran "starre" Arbeitsgesetze lockern und die Staatsausgaben drosseln, um Europas Katechismus, der Maastrichter Drei-Prozent-Defizitgrenze, zu entsprechen. Als läge in den 3,4 Prozent französischen Haushaltsdefizits 2016 allein die Ursache für die Misere des Kontinents.Doch darum geht es Macron nicht – er will Vertrauen erwecken beim Nachbarn Deutschland mit seiner schwarz-roten Regierung, will Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble eine Brücke bauen, auf dass sie ihrer Beggar-my-Neighbour-Politik abschwören. 'Wir sparen 50 Milliarden ein, ihr investiert 50 Milliarden' – mit dieser Formel ging Macron seit 2014 in Deutschland haussieren – erfolglos.Jenseits des RheinsWarum sollte es diesmal klappen? Warum sollte die deutsche zu einer europäisch orientierten Wirtschaftspolitik werden? Warum sollte Berlin die weitergehenden Ideen des neuen Präsidenten Frankreichs – ein EU-Fonds für Großinvestitionen und zur Schockabsicherung, soziale Mindeststandards für die Union, Finanzminister, Haushalt und gemeinsame Anleihen für die Eurozone – goutieren? Noch vor seiner Amtsübernahme peitscht ihm von jenseits des Rheins ein eisiger Wind ins Gesicht. Schäubles Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) dozierte, private Investitionen seien viel drängender als staatliche, und hierfür gelte es das Umfeld mittels Arbeitsmarkt- und Steuerreformen zu schaffen. Dies wollte Spahn freilich nicht als "Zeigefinger nach Paris" verstanden wissen, sondern als "Lernen aus unseren Erfahrungen in Deutschland". Knapp elf Millionen Stimmen für Le Pen dort sind nicht genug, um hier der Zerstörungskraft des eigenen Wirkens ins Gesicht zu blicken.Arbeiten wie die jüngst veröffentlichte empirische Analyse des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung bleiben da nur ehrenwerte Mühe. Das Bundesministerium der Finanzen verweigert sich solcher Erkenntnisse, die besagen: Deutschlands erdrückender Überschuss kann nur weichen, wenn sowohl die hiesigen Löhne deutlich steigen als auch zugleich der Staat massiv investiert, um Binnennachfrage und Importe zu steigern. Hierfür müsste er im Übrigen die Voraussetzungen schaffen, derer er sich mit seiner jahrelangen Sparpolitik, etwa im öffentlichen Dienst, beraubt hat und die Kapazitäten schaffen, die nötig sind, um Ausgaben zu planen und zu tätigen, welche, en passant bemerkt, den Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen würden und nicht einfach nur "teuer" sind.Doch eine Politik, die Investitionen ausweitet, Lohnsteigerungen unterstützt und somit die Kapitaleinkommensbezieher begünstigende Ungleichheit abbaut, ist hierzulande nur in einer Regierungskonstellation vorstellbar – und die ist seit Montag, als SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz vor Wirtschaftsvertretern bei der Industrie- und Handelskammer Berlin auf Distanz zur Linken ging, noch unwahrscheinlicher als ohnehin schon. Bekundungen wie die des Außenministers und Macron-Freundes Sigmar Gabriel – "die Zeit der finanzpolitischen Orthodoxien und des erhobenen Zeigefingers" müsse in Deutschland nun endlich vorbei sein – sind da nicht viel mehr als Gratismut.