Niebel bekommt endlich Hilfe

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Veronica Ferres ist überraschender Weise nicht berufen worden. Scheinbar hielt ihr Charity-Portfolio letzten Endes dem von Marion Kracht (Berliner Tafel, Plan International, Stiftung Fair Play) nicht Stand.

Die Schauspielerin Kracht ist eines von 27 Mitgliedern des neuen Innovationsbeirates des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und damit Trägerin der Hoffnung Dirk Niebels, den Auswüchsen des selbst verschuldeten Braindrains in seinem Haus Herr zu werden.

Denn nach seinem Amtsantritt 2009 hatte Niebel den Personalapparat des BMZ kräftig durcheinandergewirbelt und dort mit etlichen FDP-Parteifreunden für frischen Wind gesorgt. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler kommentierte das Anfang 2010 so: "Das BMZ degeneriert unter der Leitung von Dirk Niebel mehr und mehr zur Versorgungsanstalt für altgediente FDP-Funktionäre."

Doch versorgt hat Niebel nicht nur Altgediente aus der Partei, die einmal das BMZ abschaffen wollte und das jetzt stattdessen mit sich selbst tut; mit Oberst Friedel Eggelmeyer holte Niebel einen alten Bundeswehr-Kameraden als Abteilungsleiter, von dem er wissen konnte, dass er Niebel helfen kann: Schließlich schien Eggelmeyer sich schon als nützlich und kompetent erwiesen zu haben, als es darum ging, Niebel eine Dienstschlaufe als Hauptmann der Reserve anzubinden.

Nun, mit der Kompetenz scheint es nicht so weit her zu sein: Niebel holt sich jetzt Verstärkung, um die Lücken zu stopfen, die die Mitarbeiter hinterlassen haben, die Ahnung von Entwicklungszusammenarbeit hatten und für Eggelmeyer&Co. gehen mussten. Die Mitglieder des Innovationsrates helfen an unterschiedlichen Stellen nach, die prekär gewordene Wissensbasis des Ministeriums zu stabilsieren:

  • Wie man vor Ort konkret z.B. Bildungs-Projekte umsetzt, weiß Regisseur Tom Tykwer, seit er in Nairobi einen Film gedreht und einen Verein gedreht hat.
  • Wie man das alles gut verkauft und so das Image des BMZ aufmöbelt, wissen die als Wohltätigkeits-Botschafterinnen erprobte Schauspielerinnen Kracht und Katja Riemann. Ferres hätte es mindestens genauso gut gewusst, die war ja auch schon in Afrika.
  • Damit all das trotzdsem seriös und akademisch geweiht daherkommt, sitzt eine ganze Batterie von Wissenschaftler_innen im Rat, unter anderem die Innhaberin der Professur für Mittelstandsfinanzierung an der Frankfurt School of Finance & Manage­ment.
  • Und damit sein Haus über all das nicht Niebels oberstes entwicklungspolitisches Ziel, die Entwicklung des Profits der deutschen Wirtschaft, aus den Augen verliert, sind Vertreter von ThyssenKrupp, SAP, Deutschem Industrie- und Handelskammertage sowie Bertelsmann dabei.

Ein Lob an dieser Stelle für Dirk Niebel, dafür dass das BMZ sich als lernendes Unternehmen versteht, nun "den Frühjahrsputz nachholt und seine Methoden und Strategien auf Vordermann bringt". Damit das so weitergeht mit der Rückeroberung der entwicklungspolitischen Kompetenz, drei Vorschläge zur Erweiterung des Innovationsrates:

  • Gloria von Thurn und Taxis hat sich in der Vergangenheit als ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der HIV/Aids-Bekämpfung erwiesen.
  • Schließlich könnte Josef Ackermann das BMZ beraten, wenn es um Hilfe für die eine Milliarde Menschen geht, die weltweit an Hunger leiden.
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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

Sebastian Puschner