S21: Ab 20:00 Uhr offizielle Heiligsprechung der Lokalmedien

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Für heute Abend, 20:00 Uhr hat der SWR ein mediales Selbstbeurteilungskomitee einberufen. Joachim Dorfs, der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, Wolfgang Molitor, der stellvertretende Chefredakteur der "Stuttgarter Nachrichten", Rüdiger Soldt von der "FAZ" und Clemens Bratzler (SWR) werden vermutlich überzeugend darlegen, dass sieselbst und die Medien insgesamt bei ihrer S21-Propaganda im Großen und Ganzen alles richtig gemacht haben und sich die Werbeauftrage des Kapitals redlich verdient haben. Vermutlich werden sie als Beleg anführen, dass sie doch von beiden Seiten kritisiert wurden. Sie müssenbei der ganzen Sache nicht einmal lügen, denn sie haben die Argumente der "Straße" nie wirklich zur Kenntnis genommen, und man kann schließlich nicht über etwas berichten, wovon man gar nichts weiß.

Falls die Dramaturgie es erfordern sollte, werden die Alibi-Gäste Arno Luik vom "Stern", Rainer Nübel von "Kontext" und Robert Schrem von fluegel.tv auch nach den Eingangsstatements nochmals zu Wort kommen. Recht bekommen werden sie aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht.

Ich sage es mal so: das Hase-und-Igel-Spiel ist noch nicht zu Ende. Wer nichts anderes zu tun hat, kann ab 20:00 Uhr hier nach Unterhaltsamem suchen:

swrmediathek.de/player.htm?show=8fc23bc0-1771-11e1-8564-0026b975f2e6

www.swr.de/eventbox/

Update 22:00 Uhr:

Ich muss mich korrigieren. Arno Luik kam heftig zu Wort und wurde heftig angegriffen. Die Polemik hier in der FREITAG Community hat sich ausgezahlt: ein Proler konnte nicht umhin, sich darüber öffentlich zu ärgern. Mal sehen, ob es hilft. Sehr erhellend Herr Soldt von der FAZ, der sich schlechter machte als er ist, denn er hat im Laufe der Zeit durchaus dazu gelernt. Allerdings meinte er, betonen zu müssen, dem investigativen Journalismus lägen durchaus auch mal interessengeleitete Informationen zugrunde. (Frage: dem normalen Journalismus, der sich auf allerlei offene und verdeckte PR stützt nicht?). Auch mag Soldt keine "Gutachteritis", Schließlich sei er z.B. kein Geologe und könne deshalb solche Fragen nicht beurteilen.(Frage: Aber Erwin Teufel, OB Schuster, Grube, Oettinger, Schmiedel, Drexler & Co, die können es und deshalb können die Journalisten ihnen unkritisch nach dem Mund reden? Und, Herr Soldt, mit Verlaub, als Politoologe machen Sie auch nicht immer eine gute Figur!)

Clemens Bratzler vom SWR kann sich da herausreden, denn er ist Mathematiker. Ansonstn meinte er, man könne sich nicht nach der Meinung von 2000 Demonstranten richten. Muss er auch nicht, er und die Seinen sollten nur den fachkundigen Rednern auf den Demos zuhören, anstatt sich auf einen Zahlenfetischismus mit den Teilnehmerzahlen zu beschränken.

Angenehm Robert Schrem von fluegel.tv, der als Außerseiter und Laie etwas ganz Simples einforderte: die Rückkehr zu journalistischer Professionalität. Eben.

Wer sich daneben oder stattdessen informieren möchte, kann dies lesen (ohne Bild geklaut bei BAA):

„Stuttgart 21“ scheitert in sechs Problemfeldern

Publiziert am 29. November 2011 von Walli

Von Prof. Dipl.-Ing. Karl-Dieter Bodack

Ein aktueller Weiterbau ist unverantwortlich!

1. Für die Bahnanlagen am Flughafen (PFA 1.3) hat die DB seit 2002 mehrfach Pläne beim EBA eingereicht und ist damit gescheitert. Sie umfassen die Verbindung zur Neubaustrecke Wendlingen – Ulm, den Flughafenfernbahnhof und die Nutzung der S-Bahn-Anlagen auch für andere Züge der Gäubahn; u .a. bezweifelt das EBA die Leistungsfähigkeit des vorhandenen Flughafen-S-Bahnhofs nach dem Umbau auf eingleisigen Betrieb.

Dieses Planfeststellungsverfahren sollte gemäß der DB-Planung Ende 2009 abgeschlossen sein -- tatsächlich steht es seit neun Jahren am Anfang: Die Planunterlagen sind noch gar nicht beim Regierungspräsidenten, das Anhörungsverfahren ist noch nicht eröffnet. Es muss erwartet werden, dass genehmigungsfähige Pläne erhebliche Verbesserungen erfordern, wesentliche Mehrkosten im Gesamtprojekt verursachen und erst Ende 2013 rechtswirksam werden. Die Inbetriebnahme im Jahre 2019 erscheint ausgeschlossen, Bau-arbeiten 2011 unnötig und unwirtschaftlich!

Der Vorstand der DB erklärte angesichts von Projektrisiken und Kostensteigerungen im Jahre 2002: „Insgesamt gilt für neue Projekte wie beispielsweise das Projekt Stuttgart 21 grundsätzlich, dass eine Umsetzung erst nach abgeschlossenen Planfeststellungsverfahren erfolgt!“ Mit aktuellen Bauarbeiten bricht die DB diese vom Vorstand abgegebene Versicherung!

2. Die von der DB geplanten Einsparungen von ca. 900 Mio. Euro, mit denen die Projektkosten auf 4088 Mio. Euro reduziert werden sollen, erscheinen teilweise nicht realisierbar, da die Reduzierung der Tunnelwandstärken neue Genehmigungen erfordern. Die DB hat 2011 erneut Mehrkosten von 370 Mio. Euro ermittelt, aus dem Stresstest ergeben sich weitere Kostensteigerungen von 60 Mio. Euro. Die vereinbarte Risikoreserve beträgt 0: Der Wert von 4,5 Mrd. Euro, der als Obergrenze für das Projekt von den Partnern festgelegt ist, erscheint unmöglich!

3. Die DB hat 120 Risikofelder ermittelt, die zu Kostensteigerungen führen könne; bei 47 stehen im Saldo Kostensteigerungen von 1.264 Millionen Euro in den Listen der DB, für die weiteren 73 Risiken gibt es keine Kostenangaben. Bund, Land und Stadt haben erklärt, keine Mehrkosten zu tragen, die DB AG weigert sich, die Kostenübernahme zuzusichern. Die Anlagen können erst in Betrieb gehen, wenn sie vollständig fertiggestellt sind. Wird jetzt mit dem Bau begonnen, entstehen gigantische Bauruinen inmitten der Stadt, die zu nichts zu nutzen sind. Es ist nicht absehbar, wie die Anlagen je fertig gestellt werden und in Betrieb gehen können.

4. Der Stresstest ist de facto nicht bestanden, da die Betriebsqualität von Experten als „risikobehaftet“ eingestuft wird und weil keine häufig vorkommenden Eingangsverspätungen, keine Bauzustände, Betriebsstörungen u.a. unvermeidbare Bahnereignisse berücksichtigt wurden.

Die verringerte Kapazität der geplanten Anlagen erfordert es, dass alle Fahrpläne, die Fahrplanlagen der Züge auf den Tiefbahnhof ausgerichtet werden. Damit werden tendenziell Anschlüsse auf den von Stuttgart ausgehenden Strecken verschlechtert.

Die für S21 geforderten 49 Züge ergeben eine durchschnittliche Belastung je Gleis von 6,1 Zügen: Dieser Wert wird bislang bei keinem großen Bahnhof der DB erreicht: er ist offensichtlich nur möglich, wenn eine geringere Betriebsqualität und schlechtere Anschlüsse als heute in Kauf genommen werden!

Der durchschnittliche Fahrzeitgewinn durch Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm beträgt je Fahrgast im Mittel 30 Sekunden – so eine Rechnung der sma im Auftrag des Landes B-W 2010.

5. Nach einem vom Umweltministerium des Landes Baden-Württemberg in Auftrag gegebenen Gutachten erfordert die von der DB AG geplante Erhöhung der Menge des abzupumpenden Grundwassers von 3,0 auf 6,8 Mio. Kubikmeter im Stadtbereich die Wiederaufnahme des Planfeststellungsverfahrens. Baumaßnahmen erscheinen erst zulässig, wenn neue Genehmigungen erteilt sind -- ohne sie kann der Tiefbahnhof nicht gebaut werden.

6. Die Bebauung der Bahnanlagen wäre nur dann erlaubt, wenn diese „stillgelegt“ und „entwidmet“ würden. Das Allgemeine Eisenbahngesetz schreibt vor, dass dies nur dann genehmigt werden darf, wenn kein anderes Unternehmen die Bahnanlagen übernehmen will und wenn auch langfristig kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht. Der Tiefbahnhof ist für viele Züge (z.B. alle Dieselfahrzeuge!) nicht nutzbar, hat eine reduzierte Leistungsfähigkeit und ist von der Gäubahn Rohr-Stuttgart gar nicht erreichbar. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat am 31. 5. 2011 die Notwendigkeit spezieller Stilllegungs- und Entwidmungsverfahren bestätigt. Die „Stuttgarter Netz AG“ hat eine diesbezügliche Feststellungsklage angekündigt.

Damit ist absehbar, dass Teile des Kopfbahnhof mit den notwendigen Zufahrten erhalten bleiben müssen: Die Flächen dieser Bahnanlagen stehen für andere Nutzungen nicht zur Verfügung: Die entsprechenden, von der Stadt Stuttgart erhaltene Grundstückserlöse müssen nebst Zinsen von der DB zurückgezahlt werden und fehlen bei der Finanzierung des Großprojekts. Vor allem entfällt eine wesentliche Vertragsgrundlage, Stadt und Land können den Vertrag anfechten.

28.11.2011 Karl-Dieter Bodack. kd.bodack (at) gmx.de

www.bei-abriss-aufstand.de/2011/11/29/%E2%80%9Estuttgart-21%E2%80%9C-scheitert-in-sechs-problemfeldern/

Und bei "kontext" wird der Kampf des Kapitals gegen das Volk noch einmal ordentlich journalistisch nachbereitet:

Die Wirtschaft als Retter


von Hermann G. Abmayr

www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2011/11/die-wirtschaft-als-retter/

Und das habe ich gerade noch entdeckt:

Maulkorb 21?
von Meinrad Heck

www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2011/11/maulkorb-21/

Und Friedhelm Weidelich berichtet in seinem Blog über erste post-koitale Entwicklungen nach Grubes Flirt mit Politik und Volk:

railomotive.com/2011/11/stuttgart-21-grubes-entgleisung/

Er nennt es "Grubes Entgleisung". Man könnte auch sagen: Ooops sagte die Jungfrau nach dem Schwangerschaftstest....

....ich weiß, ich weiß, aber ich muss für jemanden einspringen.....

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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

seriousguy47

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