Glühlampedusa

TV-Duell Das Problem an Europa: Man kann nicht nur ein bisschen dafür sein

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Martin Schulz im Januar nach seiner Wahl zum SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl. Beim TV-Duell am Donnerstag machte er eine weniger glückliche Figur
Martin Schulz im Januar nach seiner Wahl zum SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl. Beim TV-Duell am Donnerstag machte er eine weniger glückliche Figur

Foto: Sean Gallup/ AFP/ Getty Images

Europa ist eine wundervolle Idee. Ein Kontinent vereint in Demokratie, Pluralismus und Wachstum. Offene Grenzen, freie Wahl des Lebens- und Arbeitsortes und eine Epoche des Friedens – nur einige von vielen gewichtigen Gründen, die dafür sprechen, dass die EU ein positives Image haben müsste. Natürlich wissen wir alle, dass Europa ein Bürokratie-Monster ist, gegen das Godzilla wie ein Kuscheltier wirkt. Die Politiker leben dort umringt von Lobbyisten, die dafür sorgen, das Gesetze im Sinne von Unternehmen geschrieben werden und nicht im Hinblick auf die wahren Bedürfnisse der Bürger. Nicht immer, aber oft ist es so. Es ist ein Europa der Mauern, an deren Grenzen Flüchtlinge sterben und eines mit komischen Gesetzen, die Glühbirnen aussterben lassen. Oder um dieses Europa in einem Wort zusammenzufassen: Glühlampedusa.

Am 25. Mai sind wir Europäer wieder aufgerufen ein neues Europa-Parlament zu wählen. Eine der seltsamsten demokratischen Vertretungen, wie gerade auch das Bundesverfassungsgericht feststellte, denn es hob die 3% Hürde bei Europa-Wahlen in Deutschland auf. In der Begründung wurde fast unverhohlen drauf hingewiesen, dass es sich beim Europa-Parlament im Grunde um keine wirkliche Vertretung der Bürger handelt, da ihr dafür die Befugnisse fehlen. All das macht die Wahl für die Wähler nicht unbedingt attraktiver. Darum sollte in diesem Jahr ein TV-Duell, wie es auch vor Bundestagswahlen stattfindet, den Wahlkampf anheizen. Man kann sagen: das Experiment ist völlig in die Hose gegangen. Das sogenannte Duell zeigt nur, dass 2 Männer gegeneinander antreten um Kommissionspräsident zu werden, die fast nichts voneinander unterscheidet.

Es standen sich zwei Berufspolitiker gegenüber, denen Europa und seine Verwaltungs- und Bürokratiemühlen in vielen Jahren alle Konturen gleichförmig abgeschliffen haben. Und so bemühten sich die beiden fast hilflos so etwas wie Rivalität aufzubauen. Am Ende blieb die Erkenntnis, dass das TV-Duell eher ein 90-minütiger Wahlwerbespot für alle Europakritischen Parteien, wie zum Beispiel die AfD war. Denn in der Sendung konnte man eben sehr genau beobachten, was die EU so unsympathisch macht: Beim Thema, dass es wegen der 28 Mitglieder eben auch 28 Kommissare geben muss (viel zu viele), wurde offen zugegeben, dass man das nicht ändern kann. Eine Ende der ständigen Pendelei des Parlaments zwischen Straßburg und Brüssel, was jährlich 200 Millionen Euro kostet – gegen Frankreich nicht durchsetzbar. Was könnte man mit dem vielen eingesparten Geld alles machen? Zum Beispiel total verrückte Dinge: Programme für Jugendarbeitslosigkeit finanzieren, die doch gerade Martin Schulz so am Herzen liegt, wie er selbst sagte. Seine extreme Machtlosigkeit unterstrich er noch einmal, als er betonte, schon 20 Jahre gegen bestimmte Dinge anzukämpfen – und nichts hatte sich geändert.

So zeigte die Diskussion: das System ist meistens stärker als der Mensch. Aber noch mehr, was Europa wirklich zurückwirft: Man ist entweder dafür oder dagegen. Dabei würde es Europa gut tun, wenn man einen Dritten Weg finden könnte. Zwischen hemmungslosen Befürwortern, die sich nicht voneinander unterscheiden, wie Schulz und Juncker oder eben Parteien wie Front National, der britischen UKP oder den Technokraten der AfD. Irgendjemand der sagt: Europa ja, aber dann bitte wirklich mal Reformen wagen und durchsetzen wollen. Die Ablehnung der EU von manchen entsteht ja nur dadurch, dass der monolithische Block der Befürworter vollkommen unbeweglich erscheint. Politik ist kein 100 Meter Lauf sein, aber eben auch kein Marathon ohne erkennbares Ziel. Es muss möglich sein Europa zu befürworten und gleichzeitig zu sagen, was schlecht läuft – und das dann auch ändern wollen.

Schulz und Juncker vereinigen beide auf ihre Weise die schlechten Seiten einer EU: In der Visionen nur Lippenbekenntnisse sind. Beide wirkten wie Marionetten, die innerhalb der EU von einer übermächtigen Bürokratie gesteuert werden und außerhalb von den Regierungschefs gesagt bekommen, wo es lang gehen soll. Für letzteres können beide vielleicht weniger, für ersteres wünschte man sich, dass sie mehr sind, als die Vertreter eines alten Europas der Milchberge, unsinnigen Subventionen und unverständlichen Verordnungen. Europa braucht mehr Format und Mut und weniger graue Herren, die einem die Zeit stehlen. Und wenn es nur 90 Minuten sind.

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Geschrieben von

siegstyle

Framstags kommt das Frams.

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