Haben die kein Breaking Bad?

Debatte Warum die Online-Petition gegen Markus Lanz das Fernsehen noch schlechter machen wird

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Vor kurzem lief in den USA die Mini-Serie „Unsere Mütter, unsere Väter“ in den Kinos an an. Unter dem Namen „Generation War“ wurden den Amerikanern die Lebensabschnittsgeschichte von fünf Deutschen im 2. Weltkrieg nahe gebracht. In Deutschland wurde das Werk als ein TV-Ereignis gefeiert, in Amerika aber auch durchaus kritisch gesehen – nicht nur unter dem Vorwurf der schönfärberischen Geschichtsklitterung, die unsere Generation sukzessive betreibt, je länger Adolf Hitler Vergangenheit ist. Nein, auch unter dramaturgischen und erzähltechnischen Gesichtspunkten wurde die ZDF-Serie negativ eingeschätzt: eher guter Durchschnitt als wirklich herausragend. Die für mich beste Kritik an der Serie war eine einfache Frage: Haben die kein Breaking Bad?

Doch, wir haben Breaking Bad. Man kann sich die Serie auf Arte ansehen, wo im Dezember der erste Teil der 5. Staffel lief. Man kann sie sich auch bei Streaming-Diensten ansehen. Oder ganz klassisch als DVD kaufen oder ausleihen. Wir haben Breaking Bad. Wir haben aber auch den Bergdoktor (den Staffel-Start sahen 6,25 Millionen Menschen). Aber hier fängt es auch schon an: Kann jemand sagen, ob dies die zweite, dritte oder 5000. Staffel von Breaking Bad ist? Es ist auch egal, weil die Erzählstruktur einer Serie wie Der Bergdoktor, Notruf Hafenkante oder Küstenwache nicht aufeinander aufbaut. Jede Folge steht für sich und jeder Zuschauer kann jederzeit einsteigen und einfach mal eine Folge ansehen. Das ist auch so vorgesehen. Serien wie Breaking Bad, Homeland oder House of Cards verlangen dagegen Aufmerksamkeit und chronologisches Anschauen der Folgen.

Die Diskussion um das Fernsehprogramm ist so alt wie das TV selbst. Es war nie gut, es ist nicht gut und es wird auch nie gut sein. Auf diese einfache Formel kann man es bringen. Es wird nie nur gutes Wetter gehen, das hat jeder akzeptiert – trotzdem wird gemeckert. Dies liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache. Menschen motzen eben lieber, als zu loben. Dies bekommt zur Zeit auch das Fernsehen zu spüren. Von einem reinen Sendermedium, bei dem man mal eine Postkarte an die ZDF Hitparade senden konnte, um ein Autogramm von Star zu bekommen oder TED-Abstimmungen bei Wetten dass...?, gibt es nun das Fernsehen 2.0, auch Social TV genannt. Zuschauer können direkt Sendungen kommentieren – ungefiltert. Alle Sender machen dabei mit, retweeten positive Kommentare oder blocken Shitstorms ab. Zur Zeit steht Markus Lanz besonders im Zentrum der Kritik: Seit gut einem Jahr muss der arme Kerl Wetten dass...? sanft abwickeln und kann dabei nur verlieren. Denn ein ehernes Internet-Gesetz gilt für immer: Opfer die am Boden liegen, wird noch besonders gern in die Fresse getreten.

Jetzt kann man über die Gesprächsführung mit Frau Wagenknecht geteilter Meinung sein. Klar. Andererseits ist es doch auch mal erfrischend, Moderatoren mit einer eigenen Einstellung zu sehen, auch wenn man sie nicht teilt. Wünschen wir uns das nicht immer mehr? War das denn nicht im Endeffekt ein toller Fernsehmoment, wo irgendwas passiert, das wirklich mal interessant und anders war. Ein Moment, wie ein aus dem Ruder laufendes Klaus Kinski Interview oder der Augenblick, als ein Musiker in einer Talkshow eine Axt rausnahm und damit einen Tisch zertrümmerte? Wünschen wir uns denn nicht insgeheim, dass genau so etwas im Fernsehen möglich ist? Dass nicht die genormte Kuschel-Regie uns genau das serviert: normiertes Fernsehen, wie man es schon immer gesehen hat und in 99,9% aller Fälle auch weiter sehen wird.

Und genau da setzt meine Kritik an der Online-Petition gegen Lanz ein: denn sie ist auch eine Petition gegen gutes Fernsehen, weil sie genau diese Momente zerstört. Momente, wo mal etwas aus dem Ruder läuft, Masken fallen und Faszination entsteht. Denn das genau zeigt doch immer noch die verbindende gesellschaftliche Kraft des Mediums: Ganz Deutschland diskutiert darüber. Wollen wir so etwas nicht viel öfter sehen? Die Petition wird dafür sorgen, dass noch mehr Angsthasen-Fernsehen produziert wird: Serien wie Traumschiff oder Großstadtrevier, Talkshows wie Jauch oder Beckmann – Fernsehen, das nur noch Geräusch ist. Das irgendwie da ist, aber nichts erzeugt. Wollen wir nicht ein Fernsehen, dass genau das machen sollte: Emotionen erzeugen?

Die Online-Petition gegen Lanz wird also genau das Gegenteil von dem erreichen, was es will: Es wird das TV schlechter machen. Es wird noch stromlinienförmigere Moderatoren hervorbringen, die fragen: „Wie fühlen Sie sich jetzt“, es wird noch mehr Serien mit Happy End und Spielfilme ohne Kontroversen produzieren. Das will ich nicht. Ich will, dass man auch mal Dinge falsch machen kann, weil das ab und an genau richtig ist. Und mal Hand aufs Herz: Was soll nach Lanz kommen? Das große Comeback von Johannes B. Kerner? Manchmal war früher doch nicht alles besser.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

siegstyle

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