Der Hai-Moment des Dschungelcamps

Medien Eigentlich liebte unser Autor „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“. Jetzt reicht es selbst ihm
Ausgabe 03/2017
Manchmal ist es besser, vom Hai gefressen zu werden
Manchmal ist es besser, vom Hai gefressen zu werden

Foto: Carl de Souza/AFP/Getty Images

Wenn es um Serien geht, gibt es in den US-amerikanischen Medien den Ausdruck „Jumping the Shark“ – den Hai überspringen. Er steht für den Punkt, an dem ein Format seinen kreativen Höhepunkt überschritten hat. Die Formulierung leitet sich aus der Serie Happy Days ab, deren Qualitätsverlust in dem Moment offensichtlich wurde, in dem Hauptfigur Fonzie mit Wasserskiern über einen Hai sprang. Es gibt viele Serien, in denen der Zuschauer einen exakten Punkt ausmachen kann, an dem die Sendung den Shark gejumpt hat. Etwa als Hauptcharakter Eric Forman die wilden Siebziger verließ. Oder als alle Nerds aus The Big Bang Theory plötzlich Freundinnen hatten.

Das Dschungelcamp hatte seinen Shark-Moment mit dem Einzug der Kandidaten in der aktuellen Staffel. Jahrelang hatte der Zuschauer die Gewissheit, jeden Abend zwar abgenutzten, aber schadenfrohen TV-Trash serviert zu bekommen. 2017 gibt es keine Schadenfreude. Stattdessen siegt die Einsicht, dass es besser wäre, einfach ins Bett zu gehen.

Staffel für Staffel sind die einstigen Showdinos (Costa Cordalis, Brigitte Nielsen, Rainer Langhans, Helmut Berger) Protoprominenten gewichen, die sich permanent selbst zu recyceln scheinen. In der elften Auflage sehen wir eine Gruppe, die in Realityformaten groß geworden ist: Kader Loth wurde schon vor Jahren bei Die Burg ins Badewasser gepinkelt. Florian Wess, der „Botox-Boy“, war erst Mitten im Leben und dann mit Helmut Berger zusammen. Und Sarah Joelle und Mallorca-Jens haben vor der Kamera nie etwas anderes gemacht, als Superstar, Schlagerstar oder Auswanderer zu spielen. Keine dieser Personen hat ihr Trash-Image gezwungenermaßen. Eigentlich fühlen sich hier alle pudelwohl – allen voran Alexander „Honey“ Keen, der zwar betont, er habe zwei Bachelor und könne drei Fremdsprachen, dann aber trotzdem lieber schnell damit berühmt werden will, Karies im Backenzahn der letzten Germanys-Next-Topmodel-Gewinnerin gewesen zu sein. Und der letzte noch verbliebene Erstligist, Thomas „Icke“ Häßler? Der schweigt sich aus.

Wer heute noch ins Dschungelcamp geht, geht nicht wegen der Gage von RTL. Ich bin ein Star, holt mich hier raus! hat sich längst zum Trash-Harvard entwickelt, dessen einziges Aufnahmekriterium ein unhaltbarer Drang zur Selbstvermarktung ist. Als Fallstudie reicht ein Blick auf „Honeys“ Instagram-Profil: Honey, halb nackt vor einem Spiegel. Honey, mit einem Martiniglas in der Hand in die Kamera prostend. Honey, putinesk mit wehender Mähne auf einem Pferd. „Honey“ funktioniert wie eine Markenstrategie: Aufmerksamkeit erhöhen, Likes generieren, Conversion steigern. Auf Instagram reichen ein paar tausend Follower, damit Modefirmen und Proteinshake-Companies die Bude einrennen. Vor dem Dschungel war die Marke „Honey“ gerade einmal gut genug, um Aldipullis zu verticken. Im Dschungel steigt sie auf in die Liga der Fitnessriegel und Haarpflegeprodukte.

Trashresistente Prominente, Influencer geile Werbemacher; beides führt dazu, dass es dem Dschungel an dem mangelt, was ihn mal faszinierend gemacht hat: Authentizität (oder zumindest der Anschein davon). In den ersten Staffeln hatte der Zuschauer noch das Gefühl, leidende Prominente zu sehen, die nichts sehnlicher wollen, als zurück in die Heimat zu fliegen. Jetzt sehen sie zehn Eigenmarken, die vorschriftsmäßig um PR buhlen. Statt genüsslichem Voyeurismus erlebt das Publikum eine zweiwöchige Dauerwerbesendung. Manchmal ist es besser, vom Shark gefressen zu werden.

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Geschrieben von

Simon Schaffhöfer

Taugenichts und Pausenclown

Simon Schaffhöfer

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