Guantanamera

Kuba Seit dem Jahr 1903 unterhält die USA auf Kuba den Militärstützpunkt Guantánamo Bay. Nicht nur das dort befindliche Gefangenenlager ist ein Skandal

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Ach, könnten wir doch bei dem Begriff Guantánamo zuerst an das Lied „Guantanamera“ denken. An ein Lied, das auf eine Zeit zurückgeht, als es in der Bucht von Guantánamo noch keinen US-amerikanischen Militärstützpunkt gab.

Man entschuldige bitte meinen wehleidigen Ton, aber ich habe mir dieses Lied jetzt sicher fünf Mal hintereinander angehört.

Die erste Strophe geht so:

Yo soy un hombre sincero,
de donde crece la palma,
y antes de morirme quiero
echar mis versos del alma.

Ins Deutsche übersetzt lautet sie:

Ich bin ein aufrichtiger Mensch
von da, wo die Palme wächst,
und bevor ich sterbe, möchte ich
mir meine Verse von der Seele singen.

Aber natürlich denken wir bei dem Namen Guantánamo zuerst an dass unter der Bush-Regierung nach dem 11. September 2001 eingerichtete Gefangenenlager. Bilder von orange-gekleideten Gefangenen, an Händen und Füßen gefesselt, auf dem Boden kniend, in durchsichtigen Käfigen gingen um die Welt.

Das US-amerikanische Verteidigungsministerium legt Wert darauf, dass der Militärstützpunkt in Guantánamo Bay mehr ist, als bloß ein Gefangenenlager. In einem Bericht, den das Verteidigungsministerium 2004 - aus Anlass erster Anhörungen von dortigen Gefangenen vor Militär-Kommissionen - auf seiner Internetseite veröffentlichte, wird ausgeführt, dass es sich um eine Gemeinschaft handele, der ein Hochsicherheitsgefängnis angeschlossen sei („this is a community that happens to have a maximum-security prison attached to it“). Die Militärbasis habe durch die Ansiedelung des Gefängnisses nach einer Phase des Rückgangs eine Widerbelebung erfahren („the positioning of a prison (...) led to the revitalization of a base that had been in a period of decline (...)“).
Weiterhin erfährt der Leser auch von humanitären Betätigungen, denen man auf der Militärbasis nachgehe. Nach dem Bericht leben in Guantánamo Bay Kubaner, die ihr Heimatland nicht verlassen wollen, die es aber gleichzeitig ablehnen, in einem kommunistischen Land zu leben („(...) many of these people never wanted to leave their homeland but also refused to live in a communist state“). „We are obligated to care of them,“ wird Captain Les McCoy zitiert, Commander der Militärbasis.

Dass die Militärbasis nicht nur aus dem Gefangenenlager besteht, macht auch ein Bericht des Journalisten Christoph von Marschall von einem Besuch in Guantánamo Bay aus dem Jahr 2006 deutlich. Er schreibt:

„Hufeisenförmig öffnet sich die Bucht beim Anflug, im Westen liegt der kleine zivile Airport, im Osten breiten sich Militärflugplatz, Hafenanlagen, Verwaltungstrakte und Wohnsiedlungen unter einem lang gezogenen Hügelrücken aus. Palmen säumen das Ufer, warme, weiche Luft umfängt die Neuankömmlinge. Die nächsten vier Tage durfte unsere kleine Gruppe keinen Schritt unbegleitet tun. Zunächst sahen wir amerikanischen Alltag: McDonald`s, Shopping Mall, gelbe Schulbusse, gepflegte Vorgärten, Restaurants am Strand.“

(Christoph von Marshall, Was ist mit den Amis los?, Herder 2012, Seite 192 f.)

Wirklich verstörend ist es, wenn man sich mit der Frage beschäftigt, wie die Amerikaner überhaupt an diese Militärbasis auf dem Staatsgebiet des verfeindeten Cuba gekommen sind:
Am 23. Februar 1903 schloss ein politisch und wirtschaftlich von den Amerikaner abhängiges Kuba mit dem großen Nachbarn einen Pachtvertrag über Guantánamo Bay. Die Pachtgebühr betrug 2000 US-Dollar pro Jahr. 31 Jahre später, im Jahr 1934, wurde der Pachtvertrag auf unbestimmte Zeit verlängert und das Nutzungsrecht der Amerikaner auf die Nutzung als Marine-Stützpunkt beschränkt. Im Jahr 1938 wurde die Pachtgebühr auf 4085 US-Dollar erhöht.

Seit der kubanischen Revolution im Jahre 1959 lehnt die kubanische Regierung die Präsenz der Amerikaner auf ihrem Territorium ab und fordert eine Rückgabe der Bucht. Die Amerikaner hingegen stellen Kuba bis heute jedes Jahr im Juli einen Scheck in Höhe von 4085 US-Dollar zu, um die Pachtgebühr zu entrichten. Nur einmal, nämlich im Jahr der Revolution, hat Fidel Castro diesen Scheck auch eingelöst.

Während sich die Amerikaner auf den Standpunkt stellen, der auf unbestimmte Zeit geschlossene Vertrag könne nur mit beiderseitigem Einvernehmen gekündigt werden, halten die Kubaner den Vertrag mit guten Gründen für ungültig. Sie führen an, bereits das Zustandekommen des Vertrages sei nur unter dem Druck der Amerikaner erfolgt. Weiterhin tragen die Kubaner vor, die Amerikaner verletzten die Beschränkung der vertraglichen Nutzung als Marine-Stützpunkt.

Mir ist der Wortlaut des Pachtvertrages über Guantanamo Bay nicht bekannt, auch weiß ich nicht, welche Gesetze in diesem zwischenstaatlichen Bereich Anwendung finden. Eines erscheint jedoch klar. Vor deutschen Gerichten hätte dieser Pachtvertrag niemals Bestand. „Sittenwidrigkeit“ drängt sich als Nichtigkeitsgrund geradezu auf, hinzukommt, dass eine Pachtsumme von 4085 US-Dollar lächerlich ist.

Allgemein betrachtet scheint es auf der Hand zu liegen, dass Guantánamo Bay nicht juristisch legitimiert, sondern militärisch besetzt ist. Vor diesem Hintergrund sind die jährlichen Zahlungen der Pachtsumme lächerlich und verhöhnen Kuba. Die USA erinnern in diesem Punkt an eine Diktatur, die bei dem Versuch scheitert, ihr diktatorisches Vorgehen unter einem juristischen Deckmantel zu verstecken.

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