Privatisierung von Stränden in Montenegro

Soziale Apartheid Seit Juli 2023 müssen Badegäste bis zu 220 € pro Tag Strandzutritt zahlen. Wer das nicht will, muss sich auf Mini-Stränden drängeln. Wirtschaftlich ist das nicht.

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Schon am Flughafen in Tivat duften Oleander- und Feigenbäume um die Wette. Von dort kommt man bequem selbst zu Fuß in das Städtchen und erlebt die Wonnen der montenegrischen Adria: Sonne, Wärme, Meer und einen betörend schönen Blick auf die “Schwarzen Berge”. Abends kann man ein erstklassiges Ballett zu George Orwells “Farm der Tiere” erleben. Für 10 Euro.

Wer es ruhiger möchte, begibt sich einige Kilometer südlich und verweilt im kleinen Pržno nahe Budva. Doch dann kommt das böse Erwachen: Die Strände wurden privatisiert. Es gibt solche Erster, Zweiter und Dritter Klasse.

Erste Klasse – für die Reichen: Die BuchtKrajlicina Plaža” ist nicht erst zugänglich, sondern nur für Hotelgäste reserviert. In der BuchtMiločer Plaža”/ “King’s Beach” werden tatsächlich 200,00 € pro Tag zuzüglich 10% Servicegebühr (wofür?), also 220,00 € pro Tag für die Nutzung eines Liegestuhls verlangt. Wer es bevorzugt, auf einem Handtuch zu liegen, wird nicht erst zum Strand gelassen. Damit beträgt die Eintrittsgebühr zur gesamten schönen, sandigen Bucht satte 220,00 € pro Tag. Eine Bucht weiter, am Stand Sveti Stefan Plaža, liegt sie bei 180,00 € bzw. 198,00 € pro Tag. Dafür mit Blick auf die Insel Sveti Stefan. Die war vor einigen Jahren noch für alle zugänglich. Heute kann man sich bei einer Führung für 25,00 € pro Person erklären lassen, warum sie nun – als Hotelkomplex – abweisend und verlassen das Dasein einer “reichen Leere” fristet.

Zweite Klassefür die Mittelschicht: Wer von den sittenwidrigen Preisen abgestoßen ist, zieht weiter. Und stellt fest, dass es in anderen Buchten wie dem Pržno-Strand oder dem Sveti Stefan Plaža Nr. 2 Liegestühle mit einer Reihenhierarchie von 60,00 € (1. Reihe) bis 30,00 € (5. Reihe) gibt. Und auch dort ist es nicht möglich, frei von “Fleischsalat-Ambitionen”, sprich: Entspannung auf eng gereihten Beach-Betten, sich allein mit einem Badetuch der Sonne zu erfreuen. Pro Tag müssen Erholungssuchende deshalb zwischen 30,00 und 60,00 € berappen.

Dritte Klassefür die Nicht-Betuchten und alle, die den Spuk nicht mitmachen wollen: Am Rande oder – strikt abgegrenzt – zwischen den Liegestuhlreihen Zweiter Klasse finden sich Mini-Areale, auf denen sich alle anderen drängeln. Sehr einladend. Die Wächter achten grimmig auf Einhaltung – und lassen so ihr schlechtes Gewissen durchscheinen. Keiner von ihnen fand auf Nachfrage das Treiben o.k. Aber: “Das ist Politik hier. Alles korrupt. Nichts kann man machen.

Doch. Denn derlei Sozial-Apartheid rechnet sich garantiert nicht. Die Reichen-Buchten sind wahlweise von einer, manchmal von fünf Personen bevölkert. Das macht im günstigen Fall zarte 1.000,00 € pro Tag abzüglich des Salärs für die mindestens fünf Wächter pro Bucht. Sollten diese 10,00 € pro Stunde erhalten, mithin am Tag 80,00 €, blieben 600,00 € an Einnahmen. Das sind Peanuts, für die sich der Staat aber viel Ärger und Befremden einhandelt.

Vor allem ist die Diskriminierung von Touristen wie Einheimischen entlang sozialer Strand-Klassen ein probates Mittel, um Erstere zu vergraulen. Denn solche Erfahrungen kann man sich wortwörtlich ersparen. Als der bedeutendste Wirtschaftszweig Montenegros aber gilt der Tourismus. Die “Autoritäten” des kleinen Landes wissen sicher, was sie da tun. Nur sind es letztlich die Menschen, die vor Ort vom Tourismus leben, die für diesen Unfug zahlen. Nachhaltig ist das nicht. Und das sonnengetränkte Bild von Montenegro erhält einige schwarze, unappetitliche Flecken.

Den Bürgermeister von Budva habe ich angeschrieben – doch der soll seit April dieses Jahres im Gefängnis sitzen. Vom Sekretariat für Urbane Entwicklung kam der Hinweis, dass die Eingabe an den “Beach Boss” von Montenegro weitergeleitet wurde. Vielleicht kommt der ja noch auf die einfache, naheliegende Idee: Alle haben freien, unbeschwerten Zugang zu den Stränden, weil alle ihre Steuern zahlen – vor allem die Reichen. Seine Antwort steht noch aus.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sophia Bickhardt

Diplom-Sozialwissenschaftlerin; Leiterin weltgewandt. Institut für interkulturelle politische Bildung e.V.

Sophia Bickhardt

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