Der Vorsitzende des deutschen Journalisten Verbands (DJV), Frank Überall, reagiert dünnhäutig und doppelzüngig auf diese Initiative. „Keine Berichterstattung ist so gut, dass sie nicht noch besser werden könnte. Aber staatlich organisierten Nachhilfeunterricht brauchen wir nicht“, erklärte er.
Es sei Aufgabe von Journalisten, umfassend und vielseitig über muslimische Mitbürger und den Islam zu berichten, wenn es geboten ist. Die Richtschnur gebe aber der Pressekodex des Deutschen Presserates vor und nicht der Bundesinnenminister. Überall rät eingeladenen Chefredakteure dazu, „im Zweifel“ auf die Teilnahme zu verzichten.
Feindbild Islam
Nun könnte man meinen, dass der Verbandsvorsitzende sich durch die Einladung des Bundesinnenministeriums von einer politischen Einmischung gestört fühlt. Das dürfte aber eher unwahrscheinlich sein, macht man doch sonst gerne gemeinsame Sache. Der deutsche Journalistentag des DJV in Nordrhein-Westfalen , wurde erst vor wenigen Tagen über die Bundeszentrale für politische Bildung gefördert, indirekt also vom Bundesinnenministerium. An der Zusammenarbeit mit der Politik liegt es demnach nicht.
Stört sich der DJV-Vorsitzende etwa an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Berichterstattung über den Islam? Möglicherweise. Es ist wissenschaftlichbelegt, dass deutsche Medien durch ihre Negativberichterstattung ein „Feindbild Islam“ konstruieren. Demnach wäre Nachhilfe gar nicht verkehrt. Weiten Teilen der deutschen Journalistenlandschaft täte es sicher gut zu erfahren, dass sie, sobald es um Muslime geht, tendenziell negativ berichten. Ihre Arbeit trägt Studien zufolge maßgeblich mit dazu bei, dass Islamfeindlichkeit immer größer wird. Die Einladung des Bundesinnenministeriums sollten sie deshalb nicht blockieren, sondern sich darauf einlassen und ihre Arbeit kritisch hinterfragen.
Kommentare 22
Der DJV äußert sich, soweit ich sehe, zwar nicht vernehmlich genug im Sinne seiner Mitglieder, aber durchaus konsequent als Interessenvertretung der Journalisten - und nicht ihrer Kapitalgeber oder der Politik.
Dass es auch Kumpanei und Wechselspiele zwischen aktiver Politik und dem Journalismus gibt, ist für mich keine hinreichende Begründung, dem DJV bzw. seinen Mitgliedern Nachhilfeunterricht zu erteilen, oder sich das zu wünschen.
Der Pressefreiheit ist es im Regelfall abträglich, wenn Interessengruppen erfolgreich fordern, gerade im Hinblick auf sie müsse die Presse sich kritisch hinterfragen.
So verstehe ich auch den Verweis des DJV-Vorsitzenden auf den Pressekodex. Eine Garderobenstange voller Geßler'sche Hüte, die nacheinander respektvoll gegrüßt werden wollen, ist überflüssig.
Dem stimme ich zu. Der Vorsitzende des DJV sagt wörtlich:
Es ist die Aufgabe von uns Journalisten, umfassend und vielseitig über muslimische Mitbürger und den Islam zu berichten, wenn es geboten ist. Die Richtschnur gibt aber der Pressekodex des Deutschen Presserates vor und nicht der Bundesinnenminister.
Mit Recht könnten bei diesem Präzedenzfall sich beliebige gesellschaftliche Gruppen darauf berufen, der Innenminister möge Fortbildungsprogramme für Journalisten anbieten, etwa für die Schwulen- und Lesbenberichterstattung. Aber nicht alle sind so empfindlich wie die stark religiösen Muslime, die die staatliche Struktur einer religiösen unterordnen wollen.
Aber nicht alle sind so empfindlich wie die stark religiösen Muslime, die die staatliche Struktur einer religiösen unterordnen wollen.
An dem Satz lässt sich wunderbar eine Diskussion hochziehen, die am eigentlichen Thema vorbeigeht. Finde ich schade.
Warten wir mal ab. Der Innenminister kommt ja nicht von selbst auf Idee, den Journalisten staatliche Nachhilfe zum Thema Islam anzubieten. Die Diagnose, dass über dieses Thema zu negativ berichtet werden würde, sollte doch mit ein paar aussagekräftigen Fakten untermauert werden, die sich nicht nur auf einen Professor mit islamischen Wurzeln beziehen, der von einem konstruierten Islamfeindbild ausgeht.
Auf Warten wir mal ab können wir uns einstweilen einigen - ein Dutzend Kommentare (Dritter) später melde ich mich ggfs. nochmal mit Details zu meiner Sicht.
Samuel Schirmbeck ab Minute 27:50 lebte über 10 Jahre in Algerien als ARD-Korrespondent und wundert sich, wie hier am Thema Islam völlig vorbei diskutiert wird und trifft m.M. n. genau den Punkt:
https://www.youtube.com/watch?v=8ehtSHCjIsQ
Interessante Gedanken aus der Praxis.
"Der Islam hat seinen Gott nicht unter Kontrolle!", sagt Schirmbeck. Er meint damit unter der Kontrolle der Menschenrechte. Die Christen hätten das heute weitestgehend geschafft. Alle Richtungen des Islam gehörten zum Islam, auch der Salafismus und die Gotteskrieger, weil jeder aus dem Koran seine Variante herauslesen könne. Es fehle die zentrale Instanz für eine verbindliche Interpretation.
Ein vom Bundesinnenministerium organisierter Workshop zur Berichterstattung riecht verdächtig nach staatlicher Einmischung. Dagegen und gegen nichts anderes haben wir uns ausgesprochen. Es ist nicht Aufgabe des Innenministers, den Journalisten nahezulegen, wie sie über den Islam berichten. Wenn er es tut, überschreitet er seine Kompetenzen.
...""Der Islam hat seinen Gott nicht unter Kontrolle!", sagt Schirmbeck. Er meint damit unter der Kontrolle der Menschenrechte"...
Ja, am besten wir warten mal ein paar Dutzend Kommentare ab damit sich eine fruchtbare Diskussion entwickelt, evtl. mit einem Abschleppseil in Hameln, das sind natuerlich nur einseitig negative Berichterstattungen die so mal gar nicht gehen...
...und Tee trinken. Du spielst die Hamelner Flöte.
Beutelratte im Einsatz:
:-(
Nachdem es nach meiner Beobachtung mindestens zwei mediale Mainstreammeinungen über Muslime in Deutschland gibt (die eine Lügenpresse, den vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem Islam, hat beispielsweise die AfD "nachgewiesen", die offensichtliche Medienhetze gegen Muslime wurde dagegen beispielsweise von Generation Islam "erkannt"), halte ich die Vermittlung von einer dritten medialen Mainstreammeinung (der des Bundesinnenministeriums) nicht für völlig uninteressant.
Möglicherweise müsste ich meine Ansichten dahingehend revidieren, dass ich zu der Überzeugung käme, dass es mindestens drei mediale Mainstreammeinungen über Muslime in Deutschland gibt. Leider bin ich kein Chefredakteur, so dass mir diese "Information" nicht zugänglich sein wird. Nun ja: die Workshops sollen laut BMI zukünftig ja auch in einer öffentlichen Debatte fortgeführt werden. Dies würde meines Erachtens vor allem dann einen Sinn machen, wenn man die anderen Debatten, die es bereits seit Jahrzehnten gibt, wegzensiert, damit sie überhaupt auffallen, die öffentlichen Debatten des BMI.
Sie haben mehr von einem Chefredakteur als Sie denken - falls ...
Das wird jetzt ein ziemlich langer Kommentar. Um der leichteren Lesbarkeit willen, zerlege ich den in mehrere Teile.
Herr Rezek, Sie schreiben:
"Die Einladung des Bundesinnenministeriums sollten sie deshalb nicht blockieren, sondern sich darauf einlassen und ihre Arbeit kritisch hinterfragen."
Wie wäre es, wenn Sie bei sich anfängen und Ihre journalistische Arbeit kritisch hinterfragen würden.
Zum Beispiel Ihre Überschrift:
"Beratungsresistenter Journalistenverband".
Mancheiner könnte diese Überschrift arrogant, aggressiv und provokativ finden. Jedenfalls nicht konstruktiv was die Sache betrifft.
So wie auch folgende Passagen:
"Der Vorsitzende des deutschen Journalisten Verbands (DJV), Frank Überall, reagiert dünnhäutig und doppelzüngig auf diese Initiative. „Keine Berichterstattung ist so gut, dass sie nicht noch besser werden könnte. Aber staatlich organisierten Nachhilfeunterricht brauchen wir nicht“, erklärte er."
"Dünnhäutig und doppelzüngig" nennen Sie diese Stellungnahme. Wieso das? Hat er nicht Recht, wenn er feststellt:
"Es sei Aufgabe von Journalisten, umfassend und vielseitig über muslimische Mitbürger und den Islam zu berichten, wenn es geboten ist. Die Richtschnur gebe aber der Pressekodex des Deutschen Presserates vor und nicht der Bundesinnenminister. Überall rät eingeladenen Chefredakteure dazu, „im Zweifel“ auf die Teilnahme zu verzichten."
Sie möchten, dass sich die Journalisten durch das Innenministerium beraten lassen und er möchte das nicht. Wo ist das Problem?
ff
Sie fragen (provokativ und spekulativ):
"Stört sich der DJV-Vorsitzende etwa an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Berichterstattung über den Islam?"
Und antworten gleich selbst (und suggestiv):
"Möglicherweise. Es ist wissenschaftlichbelegt, dass deutsche Medien durch ihre Negativberichterstattung ein „Feindbild Islam“ konstruieren."
"Wissenschaftlich belegt", behaupten Sie. Und beziehen sich dabei (in der von Ihnen verlinkten Quelle) auf Prof. Dr. Kai Hafez und seinen Grundlagenvortrag zur Deutschen Islamkonferenz 2006.
Dort sagt er u.a.:
"Ungefähr jeder zweite Artikel oder Beitrag über den Islam thematisiert diese Religion im Kontext körperlicher Gewalt."
Abgesehen davon, dass ein wissenschaftlicher Beleg, der eine Überprüfung dieser Angabe erlauben würde, fehlt, heißt dass nichts desto trotz: "In jedem zweiten Artikel wird dies nicht getan."
ff
Aufgrund des von Ihnen angegebenen Links vermute ich, dass Sie der Deutschen Islamkonferrenz eher weniger kritisch gegenüber stehen und nicht das Islambild der BioMuslime der Kritischen Islamkonferenz abgebildet haben wollen:
"Die sogenannte Kritische Islamkonferenz wurde als Gegenveranstaltung zur Deutschen Islamkonferenz konzipiert. Die erste fand im Jahr 2008 statt, die zweite im Mai 2013. Organisiert werden die Konferenzen vom Zentralrat der Ex-Muslime und der Giordano-Bruno-Stiftung."
Oder das von Muslimen wie:
Ahmad Mansour, ein Extremismusexperte, kritisierte im September 2016 unter anderem folgendes: seit 2013 seien alle muslimischen Einzelpersonen ausgeladen worden; geblieben seien fast nur reaktionäre, konservative Verbände. Salafismus, die Radikalisierung von Jugendlichen, Frauenrechte – in der Islamkonferenz würden alle problembelasteten Themen vermieden. Wer beispielsweise die in muslimischen Familien verbreitete Angstpädagogik kritisiere oder dass Texten blind gefolgt werde (anstatt sie in ihren historischen und lokalen Kontext zu stellen) werde als islamophob diffamiert. Deutsche Behörden müssten ihre Naivität ablegen und sich mit den Inhalten z.B. von Präventionsarbeit auseinandersetzen. In der Islamkonferenz vertretene Verbände hätten ihre Strukturen in Saudi-Arabien oder in der Türkei und verfolgten politische Interessen.[51]"
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Islamkonferenz
ff
Ihr (auf welchen wissenschaftlichen Belegen? beruhenden) Fazit:
"Demnach wäre Nachhilfe gar nicht verkehrt. Weiten Teilen der deutschen Journalistenlandschaft täte es sicher gut zu erfahren, dass sie, sobald es um Muslime geht, tendenziell negativ berichten."
Wieso "weiten Teilen? Nach Angaben des von Ihnen verlinkten Professors und dessen Vortrag auf einer Islamkonmferenz wären es nicht mehr als die Hälfte.
"Ihre Arbeit trägt Studien zufolge maßgeblich mit dazu bei, dass Islamfeindlichkeit immer größer wird."
Sinnvoll und konstruktiv wäre mMn eine Antwortsuche auf die Fragen:
1. Wird tatsächlich die Islamfeindlichkeit (oder eher eine Angst vor dem Islam und die damit verbundenen, angekündigten gesellschaftlichen Veränderungen) größer und wenn ja
2. Was ist dafür der Grund?
Zum Schluss möchte ich Sie noch ganz persönlich etwas fragen:
Was meinen Sie, was für ein Islambild Sie mit diesem und Ihrem letzter Beitrag, der "Alltagsrassismus, die unheimliche Begegnung der deutschen Art" vermitteln?
Gut beobachtet, Perlentaucher wie Sie braucht das Land, MoinMoin:
..."Beratungsresistenter Journalistenverband"...
..."Die Einladung des Bundesinnenministeriums sollten sie deshalb nicht blockieren, sondern sich darauf einlassen und ihre Arbeit kritisch hinterfragen."...
Wozu brauchen wir da eigentlich noch Journalisten?
Ich finde das kann dann der Kanzleramtssprecher gleich alleine machen, kurz vor Redaktionsschluss sollte die KanzlerIn eigentlich alles auf dem Schreibtisch liegen haben...
:-D
Noch besser fand ich:
"Dies würde meines Erachtens vor allem dann einen Sinn machen, wenn man die anderen Debatten, die es bereits seit Jahrzehnten gibt, wegzensiert ..."
*****
..."Wegzensiert" ist so ein hartes Wort, sagen wir doch in Neudeutsch lieber "So etwas sagt man doch nicht".
So ein bisschen Weichzeichner kann doch nicht schaden.
:-D
Tatsächlich haben manche Journalisten, die sich mit dem Thema befassen, noch immer erschreckend wenig Ahnung vom Islam. Aber viele sind zumindest fähig, mit der nötigen Neutralität, Offenheit und kritischen Neugier an das Thema heranzugehen.
Überalls solides Urteilsvermögen und Integrität erscheinen mir da als sehr viel geeignetere Maßstäbe als das strenge Herumgestochere des IM.
Die Richtschnur gebe aber der Pressekodex des Deutschen Presserates vor
Dann frage ich mich, wie es sein kann, dass diese Richtschnur zu einseitiger, tendentiöser, manipulativer und leider auch systematischer Verwechslung und Vermischung von sachlicher Berichterstattung und Meinungsjournalismus führt.