Lebensretter oder Terroristen?

Rechte Zweifel: Als ein syrischer Flüchtling unter Terrorverdacht stand, war die Weltordnung für Rechte intakt. Als wiederum Syrer den Terroristen festnahmen, drohte sie unterzugehen.

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Die Sicherheitsbehörden fahndeten mit Hochdruck nach dem Verdächtigen. Es waren jedoch Flüchtlinge aus Syrien, welche den wiederum syrischen Terroristen überwältigten und der Polizei übergaben. Alte Gewissheiten gerieten ins Wanken. „Wie können Syrer, Terroristen und gegen Terror zugleich sein?!“

Scheinbare Widersprüche?

Auf solche Widersprüche waren die Rechten nicht vorbereitet und wussten nicht weiter. Sie waren völlig durcheinander und hin und hergerissen. Sollten sie froh darüber sein, dass der syrische Terrorist von gesetzestreuen Syrern gefasst wurde oder wäre es besser, wenn er entkommen wäre? Andere wiederum flüchteten in Verschwörungstheorien und glaubten: „Die ganze Aktion ist erstunken und erlogen, um den deutschen Gutmenschen etwas vorzumachen.“ Diese Gedanken waren zu dem Zeitpunkt nicht mehr, als letzte verzweifelte Versuche, an alten Realitäten festzuhalten.

Einige begannen seit der Festnahme des Terroristen durch seine Landsleute, ihre Gesinnung selbstkritisch zu hinterfragen. So übel konnten die Syrer schließlich nicht sein, wenn sie eigenhändig einen Terroristen festnehmen. Nachdem sich der Verdächtige in Untersuchungshaft das Leben nahm und noch vor seinem Tode, die einst syrischen Helden der Mitwisserschaft am Terroranschlag beschuldigte, wuchsen wiederum die Zweifel auf Seiten der Rechten.

Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Oder?

Waren die einst syrischen Helden wohlmöglich doch nur Wölfe im Schafspelz und retteten ihre eigene Haut. Es gab keine Beweise, welche die Beschuldigungen des toten Terroristen bestätigten. Dennoch wollten die meißten Rechten, die unbelegte Behauptung nur allzu gerne glauben, denn es bestätigte ihre Ordnung, in der die Welt in Gut und Böse, entlang von Ethnien und Religionen unterteilt war. Jetzt waren sie wieder mit sich selbst und ihrem Weltbild im reinen.

Einige wenige stellten sich den Zweifeln und entschieden sich gegen den leichten, altbekannten Weg. Die Schuldfrage der Syrer ließ sie nicht los. Ihre innere Stimmte flüsterte ihnen immer lauter zu, das die Unschuldsvermutung für alle Menschen gilt, so auch für Syrer. Sie wollten und konnten nicht länger gegen ihr Gewissen ankämpfen, welches sie zu lange ignoriert hatten.

Viele lebten über Jahre-, manche sogar über Jahrzehnte hinweg in einer Illusion. Sie hielten sich selbst und ihre Gleichgesinnten für höherwertig, indem sie Andersdenkende- und Aussehende erniedrigten. Nun mussten sie feststellen, dass es sich bei allen Menschen, um gleichwertige Geschöpfe handelt. Alles worauf ihre gefühlte Überlegenheit beruhte, war null und nichtig. Schließlich waren es Syrer, welche ihnen wohlmöglich das Leben gerettet haben.

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Geschrieben von

Said Rezek

Said Rezek, Politikwissenschaftler, Blogger und freier Journalist. Schreibe über Medien, Muslime, Migration und Rassismus.

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