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Bayern Seehofer und Söder missbrauchen das „C“ in CSU für einen Kreuzzug gegen den Pluralismus – und fordern uneingeschränkte Unterstützung für einen Kurs, den niemand kennt

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Tradition auf Pappe
Tradition auf Pappe

Foto: Imago/Imagebroker

Ich kann diesen Text nicht mit den Worten beginnen „Seit einigen Tagen“, denn das wäre falsch. So muss ich schreiben: Seit einigen Jahren erleben wir die Erosion gesellschaftlicher und politischer Werte. Die Geschäftsidee von PEGIDA und AfD ist mittlerweile nicht mehr nur auf der Straße oder gar in den Parlamenten zu finden, sondern sitzt mit der CSU längt am Kabinettstisch der Bundesregierung.

Doch wer denkt, diese Attacken zielen lediglich auf die bayrische Landtagswahl, irrt. Schon seit Ende des letzten Jahres schwadronierte ein ehemaliger, erfolgloser Verkehrsminister und heutiger Landesgruppenchef einer kleinen Regionalpartei über eine konservative Revolution. Man müsse die Zeit der 68er-Bewegung hinter sich lassen. Damit machte er sich für den gesellschaftlichen Rechtsruck stark.

Wer sich aber mit antieuropäischer Politik und einem Rechtskurs der CSU in der Tradition eines Franz-Josef Strauß wähnt, missbraucht Strauß’ Äußerung, es dürfe rechts neben der CSU keine demokratische Partei geben. Statt diese aber ganz nach Strauß’ Ansinnen zu bekämpfen, betreibt die Männerriege der Christsozialen das Geschäft der Rechtsradikalen.

Auch das Ziel „Merkel muss weg“ folgt dabei dem Druck der Rechten. Es hätte einige Gründe gegeben, Angela Merkel abzuwählen, aber nicht für ihre Humanität in der Flüchtlingskrise. Das „christlich“ im Parteinamen wurde durch Merkel gelebt; unter Seehofer und Söder zur Begründung eines Kreuzzuges gegen den Pluralismus missbraucht. Es ist die Idiotie unserer Zeit, dass diese Männer im Kampf gegen das eine Extrem das Heil im anderen Extrem suchen.

Mit einem Blindvote erweist die CSU im Landtag von Bayern der Demokratie nun einen Bärendienst. Die CSU beantragt „die uneingeschränkte Unterstützung und Zustimmung“ zu einem angekündigten Maßnahmenkatalog, der niemandem bekannt ist. Wenn der bayrische Landtag unter Führung der CSU diesen Antrag beschließt, bedeutet dies das Aushöhlen parlamentarischer Souveränität und entwertet die Legitimität des Landtages. Welcher normale Mensch würde einen Vertrag unterschreiben, dessen Vertragsgegenstand er nicht kennt? Niemand, der bei Verstand ist.

Nicht nur für linke oder linksliberale Wählerinnen und Wähler ist dieser Kurs unerträglich, sondern auch für ehrlich Konservative. Von Demokraten wird dieser Kurs nicht goutiert, wie die jüngsten Bayernumfragen zeigten. Die Menschen unserer Bundesrepublik haben völlig andere Probleme: Unterrichtsausfall, lahmender Breitbandausbau, Umgehung beim Mindestlohn, Bürokratie bei Start-Ups, Braunkohletagebaue; um nur einige Themen zu nennen.

Es ist Zeit, dass die Vernunftbegabten in der Politik wieder lauter werden! Es ist Zeit, dass Europa und Deutschland sich gegen die Vereinnahmung durch Panikmacher wehrt! Das müssen wir. Was sollen wir denn sonst antworten, wenn uns einst unsere Kinder fragen: „Was habt ihr eigentlich seit 2015 gegen den Rechtsruck getan“? Es ist Zeit für laute Demokraten!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Krabbes

Blogger & Speaker zu Digitalisierung & Demokratie.twitter: @stefankrabbes

Stefan Krabbes

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