Eine zerstörerische Griechenlandpolitik und eine menschenverachtende Flüchtlingspolitik, die Abstimmung Großbritanniens über den weiteren Verbleib in der Europäischen Union, Geheimverhandlungen zu Freihandelsabkommen mit anderen Staaten oder die anhaltende Zustimmung zu europafeindlichen Rechtspopulisten. Wer dieser Tage den Blick aufmerksam auf Europa richtet, wird schnell erkennen: Europa hat Probleme.
Die konservativen & sozialdemokratischen Regierungschefs der Länder sind im Begriff Europa an die Wand zu fahren. Eine hervorgehobene Rolle nimmt hierbei die Deutsche Regierung Merkel ein, denn es ist ihre Politik, die nicht nur Deutschland sondern nun auch Europa zum Stillstand gebracht hat. Sie moderiert ab was kommt, aber kann und will keine Europäische Idee verfolgen. Die Vermächtnisse der Gründerväter und Mütter der Europäischen Union – also derer denen es noch so wichtig war, dass Europa zusammen wächst, um endlich einen immerwährenden Frieden herzustellen, werden mit Merkels Politik mit einer Hand vom Tisch gewischt.
In dem sie nicht bereit ist ein politisches Europa – in all seinen Facetten – anzustreben, verspielt sie die Zukunft der neuen Generation Europa.
Aber liegt es nur an der Deutschen Regierung, dass diese Kanzlerin fast im Alleingang ein so wichtiges Projekt wie Europa zum Scheitern bringen kann? Nein, es liegt auch viel daran, dass wir Deutsche dieser fatalen Politik nicht widersprechen. Leider sind weder die Parteien, noch die Medien derzeitig in der Lage ein Europäisches Versprechen zu formulieren und dieser Renationalisierungspolitik einen Entwurf entgegen zu stellen. Sogar ganz im Gegenteil: Selbst in sonst eher linken Medien und Parteien ist es aktuell en vogue in patriotische und nationalistische Töne zu verfallen. Doch wie konnte es soweit kommen?
Zugegeben: es ist bisweilen schwer zu verstehen wofür dieses Europa stehen soll. Dies aber ist die Schuld derer, die Europa nie als politisches Projekt ansahen, sondern immer nur als Wirtschaftsunion oder als Versorgungsanstalt für politisch ausgediente Menschen wie Edmund Stoiber oder Günther Oettinger. Der Spruch „Schick den Opa nach Europa“ ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Es sind aber auch die demokratischen Probleme in der Konstruktion der EU, die es den Menschen schwer macht eine Bindung zu Europa aufzubauen. Reisefreiheit und gemeinsame Währung mag schon ein Vorteil sein, aber welchen Wert hat das, wenn im Gegenzug Geheimverhandlungen zu Freihandelsabkommen stattfinden, die an den Bürgerinnen und Bürgern der EU vorbei gehen? Zwar können wir Europäerinnen und Europäer das Europäische Parlament wählen, aber solange es keine echten Parlamentsrechte erhält und die Regierungschefs der Länder das letzte Wort behalten, bleibt dessen Wirkmacht gering.
Hinzu kommen noch zahlreiche Imageprobleme der EU. Um nur ein Beispiel zu bringen: Dass viele Deutsche die EU noch immer als Gurken-Eich-Institut betrachten zeigt, diesen Umstand doch sehr deutlich. Die Deutsche Politik hat es nicht geschafft diese Vorurteile abzubauen. Im Gegenteil: Sie bedient diese Stereotype teilweise selbst, wenn sie – die Hände in die Luft haltend – „Brüssel“ sagt. Eine Abgrenzung von dem was man doch selbst gestalten kann und muss: Ein Armutszeugnis.
All diese Probleme sind allerdings keine neuen. Es sind alte Probleme. Sie aber sind es, die uns zunehmend auf die Füße fallen und damit eindrücklich zeigen: Die Europapolitik der Alten ist gescheitert.
Doch wo sind die Menschen, die sich gegen diese Entwicklungen auflehnen: Wo ist die neue Generation Europa?
Es bleibt unverständlich, dass dieser nationalistischen und spalterischen Politik nahezu nicht widersprochen wird. Wenn es mal Widerspruch gibt, dann ist er zu gering oder verhallt als schöngeistige Worthülse. Wo bleibt der Kampf der Grünen Jugend, der Linksjugend, der Jusos, der Jungen Liberalen und insbesondere der Jungen Europäischen Föderalisten für das Europäische Versprechen? Wo sind die Gewerkschaften, attac, campact? Wo sind die Medien? Wo sind die Bürgerinnen und Bürger, die nicht nur in das Horn der Antieuropapolitik blasen, sondern ein demokratischeres, partizipativeres und humanistischeres Europa einfordern?
Man möchte meinen, Merkels Tau des Stillstandes hätte sich auch bereits auf sie gelegt. Sie sollten sich davon befreien und die zentralen Fragen der EU zu beantworten. Welche demokratischen Strukturen braucht die EU? Wie viele Kompetenzen können der EU noch übertragen werden? Ist die Europäische Union eine Einwanderungsunion? Wollen wir die Solidarunion? Wollen wir ein Friedensprojekt sein? Wie wird die EU zur Bürgerunion?
Es ist nur eine Auswahl an Fragen die im Raum stehen. Aber es braucht Antworten, denn die sind von dieser Kanzlerin und der konservativen Mehrheit der Regierungschef der EU nicht zu erwarten. Die Antworten auf diese Fragen müssen durch das junge Europa beantwortet werden, denn das Europa der Alten ist nicht das der Jungen. Sie denken nicht an uns.
Wir – die Generation Europa – müssen uns die Fragen selbst beantworten.
Also: Welches Europa wollen wir?
Kommentare 13
>>Welches Europa wollen wir?<<
Soweit ich das bislang mitbekommen habe, wollen fast Alle ein Europa, in dem eine kleine profitgeile Minderheit sich scham- und grenzenlos bereichert und ihren Reichtum als absolutistisches Machtmittel benützt. Und in dem Mafia, Cosa Nostra und Ndrangheta die grössten Immobilienbesitzer sind.
Vielleicht wird das in Skandinaien etwas anders gesehen, aber das sind Exoten, die hier im Süden eh niemand versteht...
Aber im Ernst: Ich wünsche mir ein Europa, in dem die Macht des Grossen Privatreichtums von der Mehrheit gebrochen wird, in dem Wohnraum bezahlbar ist, in dem gesundheitsfördernde und schmackhafte Nahrungsmittel produziert werden, die sich Alle leisten können. In dem auf die Reinhaltung der Atmosphäre geachtet wird. In dem es keine Armutslöhme und -Renten gibt.
In dem Krankenhäuser- und Altenheime bessere Gehälter bezahlen als Rüstungbetriebe.
Nur um mal ein paar der Dinge aufzuzählen, die wichtig sind.
Aber ich habe nicht den Eindruck, dass eine Mehrheit das Gleiche will.
>>Skandinaien<<
=
Skandinavien<<
Nein, die Alten, Armen, chronisch Kranken und wenig Gebildeten und die Landbewohner, sind unerwartet zahlreich in GB zur Wahl gegangen und haben die EU abgewählt, unabhängig davon, ob es ihnen was nutzt. Sie glauben es, oder aber, es war ihnen egal, so schlecht ging es ihnen. Das ist die 51,9 % Stimmung.
Sehr viel früher hatten sie Labour und eine Sozialpolitik auch für sie, nun haben sie nur noch die Ultrakonservativen um Boris Johnson und die Nationalisten der UKIP.
Ob die sozial denken und handeln? Was ich weiß, werden sie eher autoritär und fremdenfeindlich agieren und, um den Finanzplatz London zu sichern, der ja wesentliche Einnahmen generiert, werden sie eine neoliberale Angebotspolitik für ausländisches Kapital fahren.
Sie werden in Wirtschafts- und Finanzfragen als Konkurrenten des Kontinents auftreten und daher die Kontrollen nicht etwa verstärken, sondern wieder absenken und vor allem die Begünstigung von Kapitaleinkünften nicht aufheben und den Bankern nicht auf die Finger sehen.
Beste Grüße
Christoph Leusch
"Welches Europa wollen wir?"
Leutchen, gewöhnt euch doch endlich mal sachgemäß an, von EU und nicht von Europa zu reden! Die Verwendung von 'Europa' für EU ist nicht nur eine begriffliche Unschärfe und nicht nur eine läßliche Metapher. Es ist affektiver Unfug.
Recht es denn nicht schon aus, daß Polit-Krimenelle dieses sachlich unzutreffende, rhetorische 'Framing' verwenden?
Die „Rampensau“ (FAZ) Johnson wird kaum Industriejobs schaffen, deren kontinuierlichen Abbau Margret Thatcher einleitete. Die Hasstirade auf Deutschland, die eher danach klingen, „Noch-GB“ wappne sich zum letzten Weltkriegsgefecht, täuschen nicht darüber hinweg. Wo z.B. wäre die britische Automobilindustrie heute ohne ihre EU-Partnerschaften. Übrigens, all diese Nationalisten in der EU sind keine Sozialstaatsverfechter. Mehr denn je gilt der Satz:“Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.
Vielleicht meinte der Autor ja tatsächlich Europa und nicht nur die EU-Staaten?
Wie, Sie meinen, er könnte etwa Terra-Forming gemeint haben, so mit Eimerchen und Schäufelchen die Küsten und etwa auch den Ural ein wenig verschieben?^^
Ja, man will nur nicht glauben, dass es sich immer wieder wiederholt, Anne Mohnen
Nun zeigt sich aber auch, dass die langjährige neoliberale Labour- Haltung und letztlich ihre stille Unterstützung der regierenden Konservativen, nach dem Machtwechsel, so fuchtbar hoffnungslose Klientelen hinterlassen hat. Die haben eben Wut und Frust loswerden wollten und auf ihr Bauchgefühl geachtet.
Das ist zwar blöd, aber Realität.
Für mich ist klar, dass die Briten- Entscheidung Europa zum Populismus und Nationalismus treibt und ein linker Populismus, mit einem eindeutigen Sozialstaatsangebot, ist schlicht nicht existent.
Ich fürchte auch, dass Nigel Farage das Wort der derzeitigen Morgenröte, die keine sozialistische ist, sprach: "Wir haben gewonnen, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern."
Letzteres könnte sich im Europa der Nationen schnell und bald ändern. Denn, wie Sie es schreiben, Boris Johnson und Nigel Farage sind keine Sozialpolitiker und die Nationalisten des Kontinents ebenfalls nicht.
Eine Ausnahme, das muss man eingestehen, bildet der FN in Frankreich. Er verspricht tatsächlich auch eine andere Sozialpolitik. Weil das so ist, droht dort auch die nächste Gefahr für die EU und es werden sich viele Bürger nicht mehr abschrecken lassen, auch wenn man die miesen Ergebnisse nationalistischer Politik in Polen oder Ungarn sehen und analysieren kann.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Als ich meine Einlassung abschickte, fiel mir natürlich auch der Neo-Liberale Blair ein; Blair, der aufgrund einer völkerrechtsverletzenden Lüge (an der Merkel sich gerne beteiligt hätte!!!) den Irak zerbomben ließ; ohne wie auch G. W. Bush dafür belangt zu werden, ursächlich für jene Flüchtlingsströme mitverantwortlich ist, deren Aufnahme mehrheitlich von Britten abgelehnt wird.
Der FN versucht ja eher ein „national-sozialistisches“ Programm: Ausstieg aus dem EURO, Souveränität der französischen Notenbank, Abkoppelung des Agrarmarktes aus der EU, „Zerschlagen des Finanzmarkt Monopols“, Abschottung des französischen Marktes gegenüber China, bei gleichzeitiger Erhöhung von Pensionen etc. Wie die das angesichts der französischen Staats-und Wirtschaftsschulden zahlen wollen, ist völlig nebulös. Ferner ist völlig unklar ist, ob die FN-Anhängerschaft LePen bei einem Pro-Ausstieg Referendum überhaupt folgten. Und anders als die englische Presse, schaut die französische Presse/Öffentlichkeit bei allem Gestöhne über Austerität z.B. bewundert auf Deutschland. (Überhaupt wird hinsichtlich des brexits zu wenig die Rolle der medien erwähnt)
Der Blick auf das FN-Programm offenbart allerdings die zentralen Baustellen der EU. Es wird im Wesentlichen davon abhängen, inwieweit hier Lösungen herbeigeführt werden. In Sachen Agrarmarkt stieß auch Frankreich mit seinen „Reformideen“ zuletzt nicht auf Gegenliebe.
folgten
Die Rolle der Medien? Ja, die Medien, die sich Armen noch leisten, jubelten als Erste, und sie waren recht einmütig für den Brexit.
Um die Presse und dem Journalismus ist es, anders als es die vielen "Lügenpresse" - Rufer meinen, in Fragen der Orientierung sehr gut bestellt.
Vor den Kriegen wurden diese regelmäßig herbeigesehnt und herbeigeschrieben, von der Presse. Egal, ob sie in autoritären Staaten Dienst an der Öffentlichkeit verrichtete oder in Demokratien.
Man muss gar nicht bis zu unserer Geschichte, der Englands oder Frankreichs zurück. Es genügt die jüngere und jüngste Vergangenheit der globalen Weltgeschichte. Paradigmatisch gilt es für die US-Medien und Vietnam, für den Embedded Journalism vor und im Irak Krieg.
Das Bedauern und die Wende, ein wenig Reue auch, kommt immer erst viel, viel später. Was soll ich viel schreiben, Sie wissen es mindestens ebenso gut.
Die Presse ist, um mir einmal ein Witzchen zu erlauben, wie der endlos niedergeschriebene Geist Sigmar Gabriels. Man kommt zum Pathos und zur Tragik, zur fragenden Fehlersuche, wenn jene zum Himmel stinkenden Sachverhalte ausreichend Dauer und Wirkung bewiesen haben, die man vorher selbst mit anfeuerte.
Gutes Wochenende, ohne Überschwemmung und Blitzeinschlag
Christoph Leusch
Wie es scheint, haben die Alten in England das „Europa der Alten“ abgewatscht, während die Jungen für das „Europa der Alten“ votiert haben. Die Sache mit Europa, den Jungen und Alten ist komplizierter als Sie annehmen.
Ja, die Liste der schwarzmagisch-sematischen Äquvivalente ist lang.^^