Nach Lanz die ganze Bäckerei

Medien Gernot Hassknecht hat Recht: Der Fernsehrat und der Verwaltungsrat gehören reformiert. Ein Aufruf von Freitag-Blogger Stewie Griffin zur Demokratisierung des Rundfunks

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Nach Lanz die ganze Bäckerei

Foto: Screenshot, Youtube

Liebe Freunde,

„Winter is coming..“ - Der gefühlt längst überfällige Wintereinbruch kommt jetzt also doch! Schade eigentlich. So mancher hoffte heimlich schon, der Winter würde ausfallen: Pustekuchen. Und zugegeben, viele von uns – ich allen vorweg – verbringen bei diesen Temperaturen nun mehr Zeit im Warmen. Ich tausche mein Dreirad gegen das Sofa, Seitenstechen gegen Fernsehen. Es ist wohl irgendeine Form des jährlichen Winterschlafs, die zyklische Antwort auf das Sommerloch.

Doch etwas stört die winterliche Ruhe: Nach dem Lanz'schen Griff ins Klo letzte Woche, braute sich im Netz ein gehöriger Sturm an. Das Orkantief „Markus“ erreicht aktuell Windgeschwindigkeiten bis zu 175 000 km/h. Tief „Xaver“ wirkt daneben wie ein kleiner Poser. Daher wollte ich schon früh warnen, schrieb ihm einen öffentlichen Brief und fragte: Markus, was verdienst eigentlich du?

Eine ganze Lanze Geld

Natürlich kam keine Antwort! Halb so wild. Schließlich leben wir ja im digitalen Zeitalter und irgendjemand da draußen hat das schon früher interessiert. Die BILD-Zeitung zum Beispiel: Danach bekommst Markus Lanz pro Sendung ca. 12 000 €. Weit mehr als ein Abgeordneter im Europäischen Parlament, oder Frau Wagenknecht im Bundestag. Zum Vergleich, Cheftrainer Waldemar Hartmann, alias „The Special One“, musste sich mit nur 3 000 € begnügen, ein Klaks. Klar, dass ihm da irgendwann der Kragen platzte. Er, der immer hart schuftete. Was bekommt er zum Dank für all seine Mühen? Nichts, außer diesen albernen Telefonstreich von Günther Jauch. Aber das kann man ja alles in seinem Buch nachlesen.

Es gibt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk also durchaus nicht gerechtfertigte Gehälter. Es sollte im Interesse aller Zuschauer sein, dass diese Summen nicht wie im Privatfernsehen, zu den Gehältern von Fußballprofis verkommen. Und wenn man für 3 000 € keinen aalglatten Schwiegersohn wie Markus Lanz bekommen kann, dann müssen halt andere seinen Job machen. Es gibt genug fähige Journalisten, die die Qualität und Quote der Sendung um Einiges erhöhen könnten. Auch innerhalb des ZDF. Nur sind die wahrscheinlich nicht ganz so „schnittig“ wie Lanz und auch nicht ganz so beliebt bei der Zielgruppe 60+.

Aber Vorsicht: Trotz des enormen Ausmaßes, dass Orkantief „Markus“ zur Zeit im Netz angenommen hat, sollte man den Fokus nicht auf ihn verengen. Es stimmt, er hatte ohne Frage über die Stränge geschlagen und erhielt dafür auch noch eine fürstliche Stange Geld. Daher ist die Petition richtig. Wie sonst sollte er lernen, dass es zur Erfüllung seines öffentlichen Jobs mehr inhaltlicher Qualität bedarf, wenn er doch trotz miserabler Vorstellung jedes mal 12 000 € mitnehmen darf: So fehlt der Druck und Anreiz für einen Lerneffekt. Dass dies Wirkung haben kann, zeigt der Spiegel, der jetzt sogar schon von einem Endspiel für Lanz spricht, wenn morgen Abend „Wetten, dass..?“ (ZDF, 20:15 Uhr) mit der ersten Folge ins neue Jahr startet.

Doch Markus Lanz ist nur einen Teil des faulen Kuchens, es gilt die ganze Bäckerei zu renovieren!

Denn im vergangenen Jahr hat sich einiges geändert: Zum Beispiel die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (der Bäckerei). Wie alle Welt weiß, zahlen seit dem 1.1.2013 alle privaten Haushalte, sofern nicht befreit, den monatlichen Rundfunkbeitrag von 17,98 € (im Jahr: 215,76 €). So kam 2013 wohl eine größere Summe zusammen als erwartet und die Berichte verdichten sich, dass im Vergleich zu den alten nutzungsabhängigen Rundfunkgebühren in nur einem Jahr dreistellige Millionenbeträge mehr eingenommen werden konnten.

Es gab und gibt eine ganze Reihe vielfältiger Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen Finanzierung. Bürger sind empört, bei den Verwaltungsgerichten landen haufenweise Klagen. Auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu zentralen Fragen der Organisation des Rundfunks (Stichwort: Staatsferne beim ZDF) wird für dieses Jahr erwartet.

Die Causa Lanz kommt da gerade sehr ungünstig. Die kollektive Entrüstung im Netz dürfte groß sein, sollte sich offiziell herausstellen, dass durch die Umstellung von Gebühr auf Beitrag den Bürgern tatsächlich hunderte Millionen mehr abgeknöpft worden sind, aber gleichzeitig die alten muffigen Strukturen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiterbestehen, die uns Beitragszahlern keinerlei Mitsprache oder Transparenz garantieren. Die Welt berichtete gar vor einigen Tagen, dass von dem erzielten Überschuss jetzt auch private Sender profitieren könnten. Es schockiert mich: Wie man in kürzester Zeit versucht, aus einer sinnvollen Rundfunkgebühr eine allgemeine Medienabgabe zu machen: Chapeau, ihr Landesfürsten!

Fragt Gerno Hassknecht – Unabhängiger Rundfunk oder Tod

Ich bin davon überzeugt, dass eine demokratische Gesellschaft notwendigerweise öffentliche, unabhängige Medien benötigt. Es macht Sinn, mit finanziellen Mitteln einen öffentlichen Rundfunk zu unterhalten, um die gesellschaftliche Nachfrage nach unabhängiger Information zur politischen Willensbildung zu befriedigen. Nur privater oder gar staatlicher Rundfunk sind Murx.

Ein Beispiel: In meinem Land dominieren fünf Konzerne 90 % der Medien. Dort verfügen monströse Medienkonzerne über ein ungeheures Machtpotential.

Erst kürzlich rief der Sender FOX zum Mord am charismatischen Antikapitalisten und Buchautor Brian Griffin auf, welcher wegen seiner harschen Kritik während seiner Auftritte beim Sender in Missgunst geraten war. Prompt folgte ein Attentat der Schakale und seine Rolle in der Show wurde einfach dieser Flachzange namens „Vinny“ gegeben. So entledigt sich FOX unliebsamer Stimmen. Diese Typen sind Mörder. Sie haben meinen Hund getötet! Und lassen es aussehen wie einen lächerlichen Unfall! (An alle Petitionisten: Helft uns!)

So gesehen steht das gemischte deutsche Modell aus öffentlich-rechtlichem und privatem Angebot, trotz aller berechtigten Kritik, im internationalen Vergleich eigentlich recht gut dar.

Sicher, wir haben unsere Probleme in der Medienlandschaft: Wir haben Springer, hatten Kirch. Auch unsere Zeitungen sterben zusehends und mit ihnen ein großer Teil der Meinungsvielfalt. Ob neue Angebote im Internet in Zukunft diese Lücke der Willensbildung adäquat füllen können, ist fraglich.

Allerdings sind das nicht unbedingt die Probleme, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betreffen und zur Zeit Stewie Griffin keine ruhige Minute lassen.

Denn es gilt: Mit den Beitragszahlungen der Bürger erwächst dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine gesellschaftliche Verantwortung. Eine Verantwortung uns Bürger mit guten Infos zu versorgen. Wie gut das häufig klappte, konnte mein Freund Norbert machtvoll demonstrieren und bekam dafür überfraktionellen Applaus im Bundestag: Sehen sie selbst.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Unsere „Öffentlich-Rechtlichen“ geben der Unterhaltung zu häufig den Vorrang vor der Information. Dafür werden sie theoretisch nicht bezahlt. Es drängt sich die Frage auf, ob der zahlende Bürger überhaupt noch die Musik bestimmt, oder ob nicht doch schon längst Koch und Kellner darüber empfinden, wer was wann zu futtern bekommt. In dieses Bild passt auch der Auftritt von Markus Lanz, der wohl nicht wollte, dass seinem Publikum linker Fraß vorgeworfen wird. Schließlich hieß seine frühere Show beim ZDF, mit der er zu seiner heutigen Popularität kam, „Lanz kocht“.

Einziger Ausweg: Gernot Hassknecht! Warum macht er eigentlich nicht die Show von Herrn Lanz? Das wäre doch mal eine Idee. Qualitativ ist er dem Markus ohnehin Lichtjahre voraus. Ich erinnere mich nur zu gerne an Gernots Auftritt in der „heute show“ zur „Zukunft des ZDF“. Das ist doch mal Qualitätsarbeit!

Gernot fordert die grundsätzliche Neuordnung der zwei wichtigsten Organe des ZDF, die auch beim ARD existieren: Fernsehrat (beim ARD Rundfunkrat) und Verwaltungsrat.

Dazu muss man wissen: Diese Organe waren dazu gedacht, die nötige Staatsferne umzusetzen. Der Fernsehrat sollte einmal die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegeln: Parteien, Kirche, Gewerkschaften etc. Er besteht aus 77 Mitgliedern und zu seiner wichtigsten Aufgabe zählt die Wahl des Intendanten. Dieser wiederum ist eine Art „Geschäftsführer“ des ZDF und wird bei seiner Arbeit vom sogenannten Verwaltungsrat überwacht. Dieser ist ein 14-köpfiges Gremium, bestehend aus 8 gewählten Mitgliedern des Fernsehrats und 6 Vertretern des Bundes und der Länder (meistens irgendwelche Ministerpräsidenten): Letztlich ein politisches Organ, dass neben der Überwachung des Intendanten auch den Chefredakteur wählt. Der Verwaltungsrat muss sich vor dem undemokratisch nach Proporz zusammengesetzten Fernsehrat im Übrigen kaum fürchten. Der Fernsehrat ist mit 77 verschiedenen Mitgliedern zu groß und pluralistisch, als dass er gegenüber dem Verwaltungsrat einen echten Antagonisten bilden könnte.

Es ist diese Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die es zu reformieren gehört. Sie erlaubt politischen Einfluss statt Mitsprache der Bürger. Sie ermöglicht Staatsnähe und verhindert Transparenz. Was wir brauchen, ist ein Prozess der Demokratisierung des Rundfunks. Die Ministerpräsidenten der Länder, die für den Rundfunkstaatsvertrag verantwortlich und zuständig sind, sollen es hören: Es sind unsere und nicht eure Rundfunkbeiträge! Sie werden mit Zwang erhoben und sollen der Öffentlichkeit dienen. Nicht euren Parteien, nicht euren Ministerpräsidenten, nicht Horst Seehofer! Sondern UNS!

Ich appelliere daher an alle lanz'schen Aktivisten: Startet doch auch mal eine Petition, die mehr Mitsprache und Transparenz für die Beitragszahler des Rundfunks fordert. Der Fernsehrat könnte beispielsweise demokratisch gewählt werden (z.B. per Briefwahl). Organisatorisch dürfte das für die ehemalige Gebühreneinzugszentrale (heute genannt „Beitragsservice“) ohnehin ein Kinderspiel werden. Briefe verschicken können sie. Lasst euch nicht beirren, wir brauchen einen Demokratisierungsprozess im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Gernot Hassknecht hat wie immer Recht!

Der richtige Adressat wäre übrigens: Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und aktuell Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), welche für eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrags zuständig wäre. Er könnte das Thema auf die Agenda der MPK setzen oder gar eine Sonderkonferenz aller Ministerpräsidenten einberufen. Es gäbe eine riesige Öffentlichkeit und Herr Seehofer und Konsorten müssten sich erklären, weshalb sie sich gegen eine Reform sperren.

Es gilt allerdings schnell zu handeln, denn im Herbst 2014 wechselt der Vorsitz der MPK nach Brandenburg. Winfried Kretschmann ist Grüner und als solcher im Bund in der Opposition. Von Ministerpräsidenten der großen Parteien ist leider, dank der GroKo, kaum noch ein kritischer Impetus zu erwarten. Die großen Parteien genießen über die Verwaltungsräte der Sendeanstalten Einfluss. Sie hätten einiges zu verlieren und nichts zu gewinnen.

Also liebe Freunde, schickt doch mal nette Emails, startet Petitionen oder ruft doch besser gleich direkt in den Wahlkreis- und Abgeordnetenburös der folgenden Herrschaften an, lediglich zuum fragen, welche Ideen man denn hat, den öffentlichen Rundfunk in Deutschland gerechter, transparenter und unabhängiger zu gestalten:

W. Kretschmann

H. Seehofer

K. Wowereit

D. Woidke

J. Böhrnsen

O. Scholz

V. Bouffier

E. Sellering

S. Weil

H. Kraft

M. Dreyer

A. Kramp-Karrenbauer

S. Tillich

R. Haseloff

T. Albig

C. Lieberknecht

Liebe Grüße.

euer Stew.



Diesem Artikel ging mein öffentlicher Brief an Markus Lanz voraus.

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