KI im Journalismus: Menschliche Kontrolle als Qualitätsmerkmal

Berliner Mediensalon Sind ChatGPT und KI insgesamt eher Werkzeug oder Bedrohung für Journalist*innen? Das war die Frage im jüngsten Berliner Mediensalon in der taz kantine, der sich Journalisten und Politiker stellten. Oder ist ChatGPT gar ein Monster?

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So zumindest sah es Christian Füller von Table.Media. Während Roman-Francesco Rogat, Berliner FDP-Digitalexperte und von 2021 bis zur Berliner Wiederholungswahl im Abgeordnetenhaus, auf die Frage der Moderatorin des Berliner Mediensalons, Charlotte Bauer aus der Zentralredaktion der Funke Medien, von einem gesunden Misstrauen sprach, das man gegenüber ChatGPT-Texten haben solle wie gegenüber jedem Text, sah Füller KI und hier speziell ChatGPT „total misstrauisch“, sprach aber gleichzeitig davon, dass man es in der Medienbranche aber ausprobieren müsse. Da sei er als Journalist und als Bürger in einem großen Zwiespalt, und wies auf die Warnungen der Entwickler hin, die eine Pause forderten. Allerdings könnte dies auch ein Markttrick gewesen sein, der die erwünschte Aufmerksamkeit bringen sollte – oder für Elon Musk die Zeit, mit einer eigenen Firma aufzuholen. Als Journalist bevorzuge er eine Art freiwilliger Selbstkontrolle statt einer staatlichen Regulierung.

Tobias Schulze, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Digitalisierung für Die Linke im Abgeordnetenhaus Berlin, meinte, eigentlich komme die Politik immer zu spät. Aber diese Tools seien nun mal da, „und die Zahnpasta lässt sich nicht zurück in die Tube drücken“. Es komme außerdem immer darauf an, in welcher Umgebung KI benutzt werde. In China und anderen Diktaturen diene sie der Überwachung, nicht der Information. „Nicht-demokratische Länder haben kein Interesse an Transparenz. „Deshalb müssen wir uns jetzt über Ethik im Umgang mit KI unterhalten, und dann muss es eine Regulierung geben.“

Ob KI die größte Gefahr für Journalist*innen sei, wollte Bauer von Steffen Grimberg, dem Vorsitzenden des DJV Berlin, wissen. Grimberg wies darauf hin, dass KI schon seit Jahren als Werkzeug eingesetzt werde bei Börsen- und Sportberichten. KI könne Zeit schaffen für mehr Recherche, weil KI Routinearbeiten übernehmen kann. Das gehe aber nur, wenn die Verlage nicht nur auf die Rendite starren. KI als Entlassungsgrund, weil Menschen überflüssig würden, wie kürzlich bei Springer behauptet, halte er für einen bequemen Vorwand. Bei KI sei es das übliche Dilemma, meinte Grimberg: „Die Entwicklung schreitet dynamisch voran, die Regierung hoppelt hinterher.“ Auf jeden Fall gelte der Spruch: „Wenn es nichts kostet, bist du das Produkt“, man zahle dann mit seinen Daten. Eines ist für Grimberg sicher: „ChatGPT kann alles, außer Fakten.“ Bei KI-Texten müsse es eine neue Form des „Vier-Augen-Prinzips geben“, nichts dürfe veröffentlicht werden, ohne dass ein Mensch es kontrolliert habe.

Für Stefan Ziller, stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Abgeordnetenhaus und Sprecher für Digitalisierung, solle die Kennzeichnung explizit darstellen, dass das Produkt von einem journalistisch ausgebildeten Menschen überprüft wurde, menschliche Kontrolle als Qualitätsmerkmal sozusagen. Doch die Frage sei: „Wie viel ist uns die Überprüfung wert?“ ChatGPT sei nicht so gut, wie viele glaubten, aber es werde ein neues Berufsbild hervorbringen, die Prompter*innen, also die Qualifizierten, die mit ChatGPT umgehen können und richtigen Fragen, Aufgaben und Einschränkungen formulieren können. Auch Rogat ging davon aus, dass Prompten das zentrale Thema werde: „Wer prompten kann, wird Leute ersetzen, die das nicht können.“

Für eine Regulierung sieht Rogat in der EU allerdings einen „Standortvorteil“, schließlich gebe es schon Regelungen wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Im Vergleich zum Unternehmermarkt in den USA und dem Staatsmarkt in China sieht Rogat in der EU eher einen Verbrauchermarkt. Grimberg wies darauf hin, dass europäische Lösungen immer sehr lange dauerten, „die Zeit haben wir nicht“. Als lukrativster Markt gebe es aber ein gute Ausgangslage für Regulierung. Dafür, so Grimberg, brauche es auch in Deutschland eine zentrale Stelle zur Kontrolle und nicht 14 Medienanstalten, die alle mitmischen wollen.

Wie sich die Aufgaben von Journalist*innen durch KI verändern werden, wollte Bauer wissen. Grimberg erklärte, Journalist*innen müssten sich aus Berufsgründen für KI interessieren, auch wenn sie gar nicht die Absicht hätten, KI zu nutzen. Ansonsten erhöhe KI noch mal die Aufgabe, Medienkompetenz für alle anzugehen. „Da bin ich aber wirklich pessimistisch, dass Leute selbstverantwortlich mit solchen Tools umgehen", meinte Schulze. Insgesamt brauche es mehr Open Source und es dürften nicht nur wenige Firmen die Datenhoheit haben. Notfalls müssten zu große Konzerne zerschlagen werden. „Die Politik muss die Konsumenten schulen und schützen. Aber es ist schwierig, Leute zu erreichen, die sich dafür nicht interessieren. Das müssen wir aber mitdenken, wenn wir eine inklusive Gesellschaft haben wollen.“

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Der Berliner Mediensalon ist eine Veranstaltungsreihe der meko factory – Werkstatt für Medienkompetenz gGmbH #mekolab in Kooperation mit Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di und Deutscher Journalistenverband DJV Berlin-JVBB, unterstützt von der Otto Brenner Stiftung, Landau Media und taz kantine.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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