Mit einem Wahlspruch aus Tansania in der deutschen Politik

Bundestag Sie kommt aus einer politischen Familie. Deshalb ist Dagmar Schmidt aus Gießen mit 16 Jahren in die SPD eingetreten und hat sich bei den Jusos engagiert. Heute ist sie stellvertretende Vorsitzende ihrer Bundestagsfraktion.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Als direkt gewählte Abgeordnete für den Wahlkreis Lahn-Dill im Bundestag ist Schmidt Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss von Bundestag und Bundesrat. Stellvertretendes Mitglied ist Dagmar Schmidt auch im Ausschuss für die Wahl der Richter*innen am Bundesverfassungsgericht, im Gesundheitsausschuss und im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Denn „Gerechtigkeit schaffen“ ist ihr ein besonderes Anliegen, wie sie auf ihrer Website verkündet.

Die in Gießen geborene Historikerin beschäftigt sich auch mit der deutschen Vergangenheit. Nicht nur die Nazizeit und die DDR, auch der deutsche Kolonialismus sei dabei zu behandeln. Im Vergleich zu anderen Ländern sei Deutschland dabei jedoch schon ziemlich weit gekommen.

Mit ihrem Wahlkreis ist sie eng verbunden, wie sie Moderator Christoph Nitz, Gründer der „sitzungswoche“, in der Veranstaltungsreihe in der StäV Berlin berichtet. Es sei das „Privileg“ einer Abgeordneten, viele spannende Menschen kennenzulernen, nicht nur in der großen Politik, sondern vor allem in ihrem Wahlkreis. „Das macht total Spaß.“ Deshalb verfasst sie nicht nur einen Newsletter am Ende jeder Sitzungswoche für die Menschen im Wahlkreis Lahn-Dill, sondern macht auch einen Podcast, in dem sie sich mit Menschen aus dem Wahlkreis unterhält, in dem sie die Fragen stellt und nicht nur Antworten gibt.

Dass ihr Lieblingsort in ihrer Region die Burg Greifenstein ist, damit hält sie nicht hinter dem Berg, der Blick ins Tal fasziniere sie immer wieder. Insgesamt schildert sie ihren Wahlkreis als überwiegend ländlich, stark von Fachwerkbauten geprägt und nennt Wetzlar oder Herborn als Beispiele. Aber auch die Industriedichte sei hoch, keine großen Konzerne, aber teilweise „Weltmarktführer“, wie sie stolz berichtet.

Ihre Erfahrung als Kommunalpolitikerin findet sie besonders wichtig, denn „die wirklichen Probleme der Menschen laufen alle in den Kommunen auf.“ Das müsse man als Abgeordnete in Berlin immer im Blick haben. Demokratie erlebten die Menschen zuerst in der eigenen Kommune, deshalb sei es so wichtig, dass die ordentlich funktionieren. Dabei erlebe sie die Länder als Zwischeninstanz manchmal als hinderlich. Was sie nicht daran hindert, sich in den Landtagswahlkampf in Hessen einzubringen, denn da sei in den vergangenen Jahrzehnten vieles liegengeblieben. Früher hätten die Rheinland-Pfälzer neidisch nach Hessen geschaut, heute sei das umgekehrt.

Die vorhandene Industriestruktur mit Autoindustrie, Optik und Pharma werde in Hessen zu wenig von den Hochschulen widergespiegelt. Das solle sich ändern, meint sie und nennt als Beispiel die Technische Hochschule Mittelhessen. Für die Zukunftsorientierung seien auch die Betriebsräte sehr wichtig.

Zweiter Lieblingsort, zumindest im Urlaub, ist seit ihren Rucksackzeiten in den 1990er Jahren Tansania mit der Insel Sansibar. Und daher hat sie auch ihren Wahlspruch „Twende“, auf Deutsch „Los geht’s“. Sie schätzt den Pragmatismus der Menschen dort, die schneller zu einfachen Lösungen wie etwa dem Kleinbussystem auf dem Land kommen. Wie in Deutschland, beschäftigt sie sich auch in Tansania mit dem Gesundheitssystem.

Dass die deutsche Krankenhausreform gelingen werde, da ist sie sehr optimistisch, auch wenn die Lage in den Bundesländern sehr unterschiedlich sei. Es werde klappen, „weil alle sehen, dass wir es hinbekommen müssen.“ Das Projekt sei im Zeitplan, auch wenn es sicher noch viele Proteste geben werde. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen befürwortet sie, die Menschen würden sehen, wenn es am 1. Juli losgehe mit dem elektronischen Rezept, dass es vieles einfacher machen würde. Für sie ist eine elektronische Patientenakte eine Erleichterung und keine Zumutung.

Mehr Regelungsbedarf sieht sie bei Künstlicher Intelligenz, die zwar viele Chancen biete, aber keine Dynamik entwickeln solle, „die wir nicht wollen.“ Zum Fachkräftemangel rät sie, auch die Potenziale im eigenen Land zu heben, die Kinderbetreuung zu verbessern und Menschen mit Behinderung mehr einzubeziehen. Trotzdem werde es aber Zuwanderung brauchen, auch wenn die Digitalisierung bei Produktivität und Entbürokratisierung helfen könne.

Ihr Wunsch zum Schluss, fragte Nitz: „Weltfrieden“, antwortete Schmidt. Das sei ja heute leider keine Klischee-Antwort mehr.

__________________________________

Die Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ ist eine Kooperation von bwg Berliner Wirtschaftsgespräche, sitzungswoche Unabhängiges Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien, StäV Ständige Vertretung Berlin, Wöllhaf Gruppe und OSI Club mit Unterstützung von Studio Schiffbauerdamm, Landau Media und berlin bubble.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden