Die Medien und die Pandemie

Journalismus In der Pandemie ist das Informationsbedürfnis gewachsen, Medien sind wichtiger geworden. Hat die Krise dem Journalismus geschadet oder als Innovationstreiber gewirkt?

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Mit dieser Frage eröffnete Susanne Lang von der mekofactory den Online-Mediensalon „Corona und kein Ende: Wie schlagen sich Medien in der Krise?“. Franziska Augstein, Autorin der „Süddeutschen Zeitung“ und Kolumnistin beim „Spiegel“, fand die Berichte über Corona in den ersten Wochen sehr informativ, danach seien die Medien zu „staatstragend“ geworden und hätten zu unkritisch die Äußerungen von Virolog*innen und Politiker*innen wiedergegeben, denen sie eine mangelnde Kenntnis des Alltags mit der Pandemie vorwarf. Widersprüche in und Sinnhaftigkeit von Maßnahmen hätten deutlicher hinterfragt und Kritiker*innen nicht pauschal in die Schublade der Querdenker und Corona-Leugner geschoben werden sollen.

Viel Kritik habe es auch zu den Corona-Sendungen des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegeben, resümierte Lang vor fast 60 Zuhörer*innen. Berechtigt? Steffen Grimberg, freier Medienjournalist, aber auch schon in Diensten von Tageszeitung oder Öffentlich-rechtlichen Sendern, bejahte dies und meinte: „Es ist uns ein bisschen zu Kopf gestiegen, dass wir plötzlich systemrelevant waren.“ Allerdings sei auch für Journalist*innen die Pandemie-Situation völlig neu gewesen und habe die Berichtenden in einem bisher ungewohnten Ausmaß persönlich betroffen. Daher habe es eine Zeit gedauert, bis das kritischere Fragen begann. Es dürfe aber nicht vergessen werden, dass dem Öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Krisenfall die Aufgabe der öffentlichen Unterrichtung vorgeschrieben sei.

Alexandra Borchardt, lange Jahre als Redakteurin bei Tageszeitungen tätig und jetzt als Wissenschaftlerin in der Medienforschung vielfach vernetzt, ist überzeugt, dass die Medien in der Krise ihrer Aufgabe sehr gut gewachsen seien. Man solle nicht nur über die Politikberichterstattung und Talkshows reden, sondern auch sehen, dass gerade der Wissenschafts- und Datenjournalismus vor allem im Internet Herausragendes und Innovatives geboten habe, wie sie auch gerade beim Journalismustag der dju in ver.di ausgeführt habe. Das an den Anfang gestellte Zitat „Mir wird schlecht dabei“ des Virologen Christian Drosten, der inzwischen einen sehr erfolgreichen Podcast für den NDR macht, stamme aus der Auseinandersetzung mit „Bild“ und deren „Daumen-hoch-Daumen-runter-Journalismus“. Das Vertrauen in die Medien sei nach Studien in der Pandemie-Zeit gestiegen. Allerdings erwarte das Publikum oft verbindliche Antworten, die Wissenschaftler*innen so nicht geben könnten. Journalist*innen müssten deutlicher machen, wo es nur vorläufige Bewertungen und wo noch gar keine Antworten gebe.

Die zunächst sehr ausführlichen Berichte über Virolog*innen und ihre Einschätzungen erklärte Marvin Schade, Mitgründer des Branchenbeobachters „Medieninsider“, mit dem für Journalismus und Publikum neuen Berichtsfeld. Dabei sei das Grundrechte-Thema zunächst zu kurz gekommen. Allerdings beobachte er, dass bei Leuten, die keine Erkrankten in ihrer Umgebung haben, die Hemmungen, gegen Anordnungen zu verstoßen, inzwischen fallen würden. Schwer vermittelbar, so Grimberg, seien die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern. Augstein forderte, den Menschen mehr Eigenverantwortung zuzutrauen und nicht alles bis ins Details normieren zu wollen.

Die Corona-Krise habe auch für die Medien und die Medienmacher*innen massive wirtschaftliche Auswirkungen: Zwischen festangestellten Redakteur*innen, die, teils im Homeoffice, ihr Gehalt weiterbezögen, Redaktionsmitgliedern in Kurzarbeit – was dem erhöhten Informationsbedürfnis der Menschen eigentlich widerspricht – und den Freien, deren ihre Aufträge weniger wurden oder sogar komplett weggebrochen sind, gibt es enorme Unterschiede. Der Einbruch bei den Anzeigen habe vorher schon viele Verlage zum Sparen gezwungen, so Borchardt, vielen Lokalzeitungen stehe schon seit längerem „das Wasser bis zum Hals“. In der Pandemie sei der örtliche Einzelhandel als Inserent fast völlig weggefallen. Das zwinge jetzt aber auch dazu, sich von manchen alten Formaten zu verabschieden und Neues zu wagen, über andere Kanäle Jüngere anzusprechen. Einen solchen quasi erzwungenen Innovationsschub hat Grimberg auch in den Öffentlich-rechtlichen Sendern beobachtet, ebenso wie eine erhöhte Bereitschaft, für gute Inhalte im Internet zu bezahlen.

Borchardt verwies darauf, dass in Ländern wie den USA oder Schweden, in denen die Bezahlschranke viel ausgeprägter ist, diese zurzeit gesenkt werde, allerdings mit dem Hintergedanken, die Nutzer*innen für künftige E-Abos zu gewinnen. In Deutschland müsse sich die Einschätzung, dass guter Journalismus etwas koste, erst wirklich durchsetzen. Die Verleger hatten zu Beginn der Internet-Berichterstattung den Fehler gemacht, alles kostenlos einzustellen. Grimberg forderte, es müsse besser kommuniziert werden, dass guter Journalismus Geld koste.

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#Mediensalon ist eine Kooperation von Deutscher Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, Deutscher Journalistenverband DJV Berlin – JVBB e.V. und #mekolab, unterstützt von Landau Media.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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