Die Klimakrise brachte Anna Lührmann zurück in den Bundestag

Europapolitik Sie ist Staatsekretärin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt, obwohl sie erst 2021 in den Bundestag eingezogen ist. Wieder eingezogen, genau gesagt, denn Dr. Anna Lührmann (Grüne) war schon von 2002 bis 2009 Mitglied des Hohen Hauses.

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Mit damals 19 Jahren war Anna Lührmann bei Amtsantritt die jüngste Abgeordnete, die das Parlament bis dahin erlebt hatte. Schon mit 13 Jahren trat sie der Grünen Jugend bei, berichtet sie in der Reihe „bwg sitzunswoche Sprechstunde“ in der Ständigen Vertretung dem Moderator Christoph Nitz, Gründer der Reihe. Nach dem Abitur in Hofheim im Taunus schrieb sie sich zuerst an der Humboldt-Uni in Berlin ein, doch sie wechselte bald an die Fernuni Hagen, wo sie ihr Politikstudium neben der Abgeordnetentätigkeit mit dem Bachelor abschloss. 2009 sagte sie dem Bundestag erst mal Adieu und folgte ihrem Mann in den Sudan, wo der Diplomat Botschafter wurde. Neben repräsentativen Aufgaben als Botschaftergattin und der Betreuung der kleinen Tochter schrieb sie sich an der Ahfad-Universität für Frauen in sudanischen Omdurman für „Peace und Gender Studies“ ein. Zudem hat sie dort für das Entwicklungsprogramm der UNO gearbeitet. Diese Zeit hat sie 2011 sehr anschaulich im „Spiegel“ beschrieben.

Nach der Promotion an der Humboldt-Universität ging ihre akademische Laufbahn in Schweden weiter, an der Uni Göteborg, wo sie bis zur Junior-Professorin aufstieg. Auch in Spanien hat sie schon gelebt, wo ihr Mann Generalkonsul in Barcelona war. Doch die Klimakrise und auch ein bisschen Heimweh nach den Jahren im Ausland zogen sie in die deutsche Politik zurück, wo die Weitgereiste bald die Frage von Annalena Baerbock erreichte, ob sie nicht als Staatssekretärin für Europa und Klima ins Auswärtige Amt kommen wolle. „Ich saß gerade mit meiner Tochter auf dem Sofa“, erinnert sie sich beim Frühstückscafé in der StäV.

Um die Doppelverpflichtung von Mandat und Verpflichtung im Außenministerium unter einen Hut zu bringen, wie sehr viel Disziplin nötig, aber das habe sie in ihrer früh gestarteten Karriere schon lernen müssen. Nach 20 Uhr werden keine Politikmails mehr gesichtet, dann hat die Familie Vorrang. Auszeiten müssen sein, meint Lührmann, denn „es bringt ja nichts, wenn alle Politiker*innen nach zehn Jahren einen Burnout haben.“

Die digitalen Möglichkeiten in Schweden haben sie beeindruckt. Mehr Digitalisierung könne auch in Deutschland zum wichtigen Bürokratieabbau beitragen, zum Beispiel für die Winzer und Landwirte in ihrem Wahlkreis Rheingau-Taunus-Limburg, der stark landwirtschaftlich geprägt ist. Ihr großes Anliegen ist der Kampf gegen die Klimakrise und der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien, mit weniger Zeitverlust von Antrag bis zum Bau von Photovoltaik- oder Windanlagen. Mit mehr Kommunikation, dass die Gemeinden davon finanziell profitieren können. Und mit Einfallsreichtum bei der Flächensuche. So können Solarmodule einen Parkplatz überdachen oder die Reben im Weinberg vor zu viel Sonne schützen. Denn bei den bisher dort angebauten Rebsorten haben die Winzer inzwischen ein Hitzeproblem und weichen zum Teil auf Sorten aus, die man bisher eher in Südeuropa angebaut hat. Durch die Erwärmung kommen noch die ausgetrockneten Böden dazu, die den Regen gar nicht mehr aufnehmen können - ein Problem nicht nur für die Landwirtschaft, wie man im Ahrtal sehen konnte.

In der EU sieht Lührmann die Notwendigkeit zu Reformen, vor allem, da die Gemeinschaft weiterhin wachsen solle. Für die Ukraine ist der Beitritt eine wichtige Hoffnung in ihrem Abwehrkrieg, wie sie im Keller-Gespräch mit Abgeordneten beim Bombenangriff in Kiew feststellen konnte. Hier sollte man die Möglichkeit erwägen, die Annäherung in Einzelschritten je nach Themenbereich voranzubringen. Auf das EU-Reformkonzept von Expert*innen, das demnächst vorgelegt werden soll, ist sie jedenfalls „schon sehr gespannt“. Weniger Blockademöglichkeiten für einzelne Länder wäre so ein Reformziel, das ihr vorschwebt.

Den Streit in der Ampelkoalition, auf den Nitz sie anspricht, relativiert sie in gewissem Sinn: „Wir in der Politik werden für das Streiten bezahlt.“ Leider würden die guten Ergebnisse zu wenig kommuniziert, weder durch die Regierung und noch durch die sie tragenden Parteien, und auch nicht durch die Medien, für die Streit interessanter sei als Einigung. Immerhin habe die Regierung bereits 170 Gesetze verabschiedet, wirft Nitz ein.

Dass die EU oft als Verursacherin von Bürokratie dargestellt wird, findet Lührmann grundfalsch, das Gegenteil sei der Fall, für Reisende wie für Waren - siehe Brexit, könnte man anfügen. Wohlstand, Frieden und Chancen für junge Leute seien weitere Pluspunkte der EU. „Aber man muss eben immer wieder darüber reden und das mache ich auch sehr unermüdlich.“

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Die Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ ist eine Kooperation von bwg Berliner Wirtschaftsgespräche, sitzungswoche - Unabhängiges Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien, StäV Ständige Vertretung Berlin, Wöllhaf Gruppe und OSI Club mit Unterstützung von Studio Schiffbauerdamm Landau Media und berlin bubble.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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