"Purpose": Eine authentische Botschaft oder eher Floskel für Unternehmen?

Mittelstand Wie wichtig ist eine Botschaft für ein kleines oder mittleres Unternehmen? Ist "Purpose" eine Mode, eine eine innere Klammer und Mitarbeitermotivation oder bringt es auch mediale Aufmerksamkeit? Eine Diskussion im Berliner Mediensalon.

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Ist „Purpose“ für Unternehmen die „Klammer, die alles zusammenhält“, wie Dr. Michael Johann von der Uni Leipzig meinte, oder ist es nur ein „Buzzword“, und kann schnell „floskelhaft“ wirken, wie Katja Michel von der Zeitschrift „Capital“ sagte? Hilft „Purpose“, die Betonung eines gesellschaftlichen Mehrwerts, den ein Unternehmen biete, mediale Aufmerksamkeit zu erregen? Darüber gingen die Meinungen auseinander beim Berliner Mediensalon.

„Let’s Purpose – Mittelstand neu kommuniziert“ heißt die Studie, die der Online-Kommunikationswissenschaftler Johann mit seinen Studierenden im Auftrag der ETL-Steuerberatungsgruppe im vergangenen halben Jahr erstellt hat. Aufbauend auf den Ergebnissen des ETL-Mittelstandskompass von 2022 wurden 207 Kommunikationsverantwortliche in Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) nach ihrem „Purpose“ befragt. Dabei zeigte sich, dass es in den KMU selten klare Verantwortlichkeiten für die Kommunikation nach außen gibt. Laut Studie hätten aber 58 Prozent das „Warum“ ihres Unternehmens für sich beantwortet, zumeist sei es Chefsache. Laut Johann ist „Purpose die Klammer, die alles zusammenhält“ und helfe beim Erreichen der Kommunikationsziele, der Mitarbeitermotivation und der Bildung der Unternehmensidentität. „Möglicherweise ist nicht überall, wo Purpose draufsteht, auch Purpose drin“, gab Johann zu, aber die „Aufgabe des gesellschaftlichen Mehrwerts“ sei erkannt.

Als ein Beispiel befragte Moderator Johannes Altmeyer, Newsletter-Redakteur beim „Tagesspiegel“, den Pressechef von „Veganz“, Moritz Möller. Veganz betont auf der eigenen Website das Ziel, mit den veganen Pflanzenprodukten zur Nachhaltigkeit und dem Kampf gegen den Klimawandel beizutragen. Für Möller ist „Purpose“ ein zentrales Element der Firma, auch intern. Arbeit habe einen anderen Stellenwert bekommen und lange Unternehmensbindungen seien heute weniger üblich. Engagierte Bewerber*innen erreiche man nur, indem man „Themen bedient, die jungen Leuten wichtig sind“. Alle Produkte würden einer „Lebensbilanz zum CO2-Abdruck“ unterzogen. Die Nachhaltigkeit gelte in allen Abteilungen als Ziel, so dass beispielsweise nur gebrauchte Software eingesetzt würde. Dieser Identifizierungsprozess funktioniere aber nur „bottom-up“ durch Einbindung der Mitarbeitenden, zeigte sich Möller überzeugt.

Die Abrufzahlen von Beiträgen zu diesem Thema zeigten deutlich, dass „Purpose“ ein Chefthema ist, sagte Wirtschaftspublizist Michael Oelmann, Herausgeber von „Die Deutsche Wirtschaft“ (DDW). Er forderte Unternehmer auf, mehr Mut zu eindeutigen Äußerungen zu haben, in der Verbrenner-Diskussion sei von Verbänden und Firmen kaum etwas zu hören gewesen.

Der Chefredakteur von „KOM – Magazin für Kommunikation“, Volker Thoms, beobachtet nicht, dass viele Unternehmen „Purpose“-Kommunikation betreiben würden, “Purpose“ sei vor einigen Jahren eine Welle aus den USA gewesen, die bereits wieder abebbe. Jedes Unternehmen brauche „einen Sinn, warum es existiert“, um Fachkräfte anzuziehen, als Marketingbotschaft sei das aber „nicht unbedingt nötig“. Für Katja Michel, Redakteurin bei „Capital“, ist „Purpose“ ein „Buzzword“. Wenn Nachhaltigkeit nicht wirklich Unternehmensziel sei, könne die Botschaft schnell „nicht mehr glaubwürdig und floskelhaft“ wirken und als „Greenwashing“ wahrgenommen werden. Oelmann bemängelte, dass so ein Konzept nicht authentisch wirke, wenn es nicht aus dem Unternehmen selbst komme, sondern von Agenturen von außen aufgebaut werde.

„Wo steht denn der Mittelstand bei der wertebasierten Wirtschaft“, wollte Altmeyer von Oelmann wissen, der trocken antwortete: „Die Liga ist noch gar nicht erfunden.“ „News ist wichtiger als Purpose“, betonte ein Kommunikationsagent aus dem Publikum am Schluss der Diskussion, denn „die Absicht ist nicht interessant, nur das Umsetzen.“

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#Mediensalon ist eine Veranstaltung der gemeinnützigen meko factory – Werkstatt für Medienkompetenz in Kooperation mit Deutscher Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, Deutschem Journalistenverband DJV Berlin – JVBB e.V. und unterstützt von Landau Media und der Otto Brenner Stiftung.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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