Oslo Der Prozess - Anders Behring Breivik21/1

Gerichtsverhandlung Tagesbericht

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Zusätzlich gibt es ein Blog mit emotionalen Aspekten der Verhandlung in Oslo von GeroSteiner

Montag, 21.05.2012

21. Prozesstag, Teil 1

Heute hören wir fünf Zeugen, die auf Utøya überlebten. Vier von ihnen wurden von Schüssen getroffen, die fünfte Zeugin versteckte sich in der Toilette im Café-Gebäude. Von dort rief sie die Polizei. Zeugen werden in der Regel in der Reihenfolge, wie sie in der Anklageschrift erwähnt werden, genannt, entsprechend der vermuteten Route Breiviks auf Utøya.
Breivik sitzt, im Interesse der Zeugen, hinter dem Verteidiger Geir Lippestad.

Der erste Zeuge ist Hussein Kazemi (20). Er wurde viermal angeschossen und versteckte sich hinter einem Felsen im Wasser an der Südspitze der Insel.
"Ich bin nicht mehr dieselbe Person, die ich war, bevor das passierte. Aber ich bin mutiger, und ich denke, wenn ich das konnte, kann ich alles durchstehen.
Ein Freund sagte mir, was passierte, und empfahl mir, mich anzuschließen."

Staatsanwalt Svein Holden fragt Kazemi nach seiner Herkunft. Kazemi sagt, dass er in Afghanistan geboren wurde und dort aufwuchs, bevor er im Frühjahr 2009 als Flüchtling nach Norwegen kam.
"Am 22. Juli war ich im Speisesaal. Ich war müde, weil ich nicht viel schlief, es hatte geregnet, und ich hatte Wasser im Zelt.
Bevor ich mich wusch, wurde ich gebeten, zur Informationsveranstaltung, bei der die AUF über den Bombenanschlag in Oslo informieren wollte, zu kommen. Dann ging ich zurück zu meinem Zelt. Es war etwa 17 Uhr.
Im Hauptgebäude schrieen Leute, sie hätten Schüsse gehört, ich dachte, das sei Unsinn.
Ich war auf dem Weg aus dem kleinen Saal, als ich Breivik zum ersten Mal sah.
Ich war ein paar Schritte gegangen, dann sah ich einen Mann in Polizeiuniform und mit Maschinengewehr.
Ich drehte mich auf der Treppe um, weil ich den Schrei von einigen Mädchen hinter mir hörte und ging zurück, um ihnen zu helfen. Ich saß mit ihnen hinter dem Klavier im kleinen Saal. Nach ein oder zwei Minuten hörte ich eine Vielzahl von Schüssen.
Ich lief durch die große Halle nach draußen.
Heute habe ich ein schlechtes Gewissen. Wenn ich gewusst hätte, dass es am Klavier zu gefährlich wäre...
Die Mädchen, die sich hinter dem Klavier versteckten, hatten Angst, und ich versuchte zu helfen, aber ich wusste es nicht besser.
Ich wurde durch mehrere Schüsse getroffen, konnte aber entkommen.
Ich lief direkt in den Wald. Es war glatt, ich barfuß, fühlte mich allein. Ich lief und lief, und dann traf ich einige junge Leute. Ein Mädchen erzählte mir, "Du wurdest getroffen." Ich dachte: "Huh?". Ich hatte einen verwundeten Arm und so viele Löcher in meiner Jacke.
Eines der Mädchen verband meine Wunden. Dann liefen viele junge Leute den Kjærlighetsstien entlang."
Ein Bild zeigt den kleinen Saal im westlichen Teil des Gebäudes. Dort wurde Hussein Kazemi von mehreren Schüssen getroffen. Sieben Menschen wurden in der kleinen Halle getötet, fünf in der großen Halle und ein Mensch im Flur.
"Ich schrie, dass sie gehen sollten, ich würde versuchen, durchzukommen. Ich überlegte, ob ich bleiben oder gehen sollte, doch wir liefen alle entlang des Kjærlighetsstien, vorbei am Pumpenhaus. Mir war schwindelig, mir ging es nicht gut, und wir hielten an. Dort sah ich ein Mädchen, das in den Kopf geschossen wurde."
Das Mädchen, das er sah, war Martha Fevang Smith (18), die überlebte. Sie ist Zeugin im Laufe des Tages.
"Dann sahen wir einen Mann im Wald, der sagte, er sei von der Polizei. Ich sagte, die anderen seien von einem Mann in Polizeiuniform erschossen worden, und wir flohen.
Wir gingen auf der Westseite bis zur Südspitze, es dauerte vielleicht 40 Minuten. Es war nicht leicht, diesen Weg zu gehen, und an der Südspitze sagte ich, dass ich nicht mehr konnte.
Während ich dort saß und Richtung Wald blickte, sah ich einen Mann in Polizeiuniform und mit Maschinengewehr auf mich zukommen, etwa 50 Meter entfernt.
Ich war apathisch und saß einfach nur da. Er kam zu mir und fragte "Hast du ihn gesehen?", mit ruhiger Stimme.
Breivik war vielleicht zwei Meter entfernt zu dieser Zeit, aber er musste nachladen.
Ich warf mich ins Wasser.
Ich versuchte, ein paar Meter zu schwimmen, ich war unter Wasser, und als ich meinen Kopf hoch nahm, um zu atmen, sah ich die Kugeln um meinen Kopf ins Wasser treffen.
Gleichzeitig sah ich einen Hubschrauber über uns.
Ich glaube, ich wurde dort ins Bein getroffen. Ich schwamm hinter einen Stein und versteckte mich dort, mit dem ganzen Körper unter Wasser. Ich kam nur zum Atmen hoch. Ich hörte, wie die Schüsse den Stein trafen.
Es war viel Blut im Wasser, und ich glaube, dass Breivik darum sein Schießen stoppte.
Ich versteckte mich hinter dem Felsen für eine Weile, bevor ich wagte, nachzuschauen.
Dann sah ich die Toten. Das Wasser war rot. Ich sah Polizisten, die versuchten, anderen an Land zu helfen.
Ich schrie sie an, fragte, ob sie Polizisten seien, aber bekam keine Antwort.
Dann kam ein Junge, der fragte, ob ich verletzt sei, ich sagte ja und zeigte, wie.
Der Junge rief zur Polizei, dass ich "überall" getroffen sei, und einer der Polizisten half mir.
Er wollte, dass ich so schnell wie möglich an Land kam. Es ging schnell mit einem Boot, dann pflegten mich Sanitäter eines Krankenwagens.
Ich wurde in beide Oberschenkel und am rechten Knöchel getroffen und mehrfach operiert.
Die Zeit danach war eine Hölle, aber ich versuche, vorausschauend zu denken.
"Was war für dich schwierig?", fragt Staatsanwalt Svein Holden.
"Alles.. Ich hatte Probleme mit der Schule, im Kontakt mit anderen."
"Wie geht es dir heute?"
Das Wichtigste ist, dass ich lebe, und ich werde auch weiterhin leben. Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass mit mir alles okay ist, aber ich kann hier nicht darüber reden."

Verteidiger Geir Lippestad:
"Du bist einer der wenigen, die mit dem Angeklagten auf Utøya gesprochen haben. Du sagtest, dass der Angeklagte etwas wie "Hast du ihn gesehen?" fragte. Was du mit "Ja" beantwortet hast. Was glaubst du, wollte er mit dem Gespräch erreichen?"
"Er versuchte, uns zu täuschen."
"Womit hat er versucht, zu täuschen?"
"Zu glauben, dass er ein Polizist ist."
"Du denkst, dass er, indem er fragte, wo der andere sei, versuchte, dich zu betrügen?"
"Als er ankam, konnte er nur mich sehen und keinen anderen. Er konnte alle anderen nicht sehen. Manchmal denke ich, hätte ich mich besser versteckt, wäre er nicht gekommen, um zu schießen."
"Wie war seine Stimmung?"
"Er war ruhig, hatte eine ruhige, freundliche Stimme. Es war leicht zu täuschen."
"Du hast gesagt, dass die Waffe nicht schussbereit war, man sah, wie er die Waffe handhabte."
"Er wollte gerade laden, als er zu uns kam, darum schoss er nicht."
Ich glaube, Breivik zielte auf meinen Kopf, als ich ins Wasser floh, deshalb traf er den Körper.
Rechtsanwalt Mette YvonneLarsen fragt:
"Kannst du mehr über die Menschen, die mit in der Cafeteria waren, sagen?"
"Ich kannte sie nicht. Aber sie hatten Angst."
Rechtsanwalt Siv Hallgren fragt:"Hat jemand etwas gesagt?"
"Es gab viel Geschrei."
"Erinnerst du, was sie schrieen?"
"Nein."
"Erinnerst du dich, wer saß oder stand?"
"Ich lief hinaus, da habe ich die anderen nicht bemerkt."

Hussein Kazemi wendet sich an das Gericht:
"Utøya war meine erste Begegnung mit der AUF, aber ich verspreche, dass es nicht meine letzte sein wird. Diejenigen, die auf Utøya getötet wurden, hatten Träume und Hoffnungen. Ich werde auch weiterhin nach Utøya gehen, um die Wünsche und Träume zu erfüllen."

21. Prozesstag Teil 2

aftenposten. no Tag 21

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Geschrieben von

SuzieQ

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