21 Tonnen Yellowcake

Iran Die Regierung in Teheran hat vor den nach langer Pause in Genf wieder aufgenommenen Atom-Verhandlungen einen weiteren Schritt hin zur nuklearen Unabhängigkeit getan

Die iranische Atomenergiebehörde hat am 5. Dezember bekannt gegeben, man habe in der Aufbereitungsanlage Isfahan so genanntes Yellowcake, ein Gemisch aus pulverförmigen Uranverbindungen, hergestellt. Der Abbau und das Zermahlen von Uran werden durch UN-Konventionen nicht verboten – deren Verdikte konzentrieren sich auf die Anreicherung von Uran. Die internationale Gemeinschaft versuchte jedoch, Irans Atomprogramm durch den Stopp des Yellowcake-Imports zum Erliegen zu bringen.

Besagte Erklärung kann als Zeichen gedeutet werden, dass derartige Maßnahmen Teheran nicht von seinen atomaren Ambitionen abbringen werden. Im Moment ist es indes nicht viel mehr als ein symbolischer Schritt, da die iranischen Uran-Lager überwiegend schwach angereichertes Material enthalten und seine Kapazitäten zur Produktion von Yellowcake begrenzt sind.

Mordanklage gegen den Westen

Der Zeitpunkt der Erklärung – einen Tag, bevor Irans Chefunterhändler Saeed Jalili nach 14-monatigem Stillstand in Genf zur Wiederaufnahme der Gespräche mit den USA, Russland, Großbritannien, China, Frankreich und Deutschland eintrifft, dürfte kein Zufall sein. Die Regierung Ahmadinedjad scheint im Hinblick auf die Forderungen der UN nach einer Aussetzung der Urananreicherung zu keinerlei Konzessionen bereit. In Teheran beharrt man darauf, das Programm diene rein friedlichen Zwecken. Die UN-Sanktionen werden als Versuch hingestellt, dem Land souveräne Rechte zu verweigern.

Obwohl die iranische Regierung die Einladung zu Gesprächen von EU-Außenministerin Ashton angenommen hat, die ankündigte, dass die Diskussion sich auf das Atomprogramm konzentrieren werde, gibt es keine Garantie dafür, dass Unterhändler Jalili auch wirklich über das Programm reden will. Es gibt keine festgelegte Agenda und in der Vergangenheit haben die iranischen Delegationen zu solchen Anlässen stets lange Listen mit anderen Themen mitgebracht.

Insofern wird davon ausgegangen, dass Saeed Jalili die von Präsident Mahmud Ahmadinedjad vorgebrachten Anschuldigungen wiederholt, wonach der Westen und Israel den am 29. November ermordete Wissenschaftler Majid Shahriari und dessen verletzten Kollege, Fereidoun Abbasi, auf dem Gewissen hätten. Außenminister Mottaki brachte die Anschläge mit den UN-Sanktionen gegen sein Land in Verbindung. „Die UN-Resolutionen wurden auf die Atomwissenschaftler unseres Landes ausgeweitet und terroristische Gruppen damit beauftragt, die Anschläge unter der Regie von Spionageorganisationen im Iran durchzuführen“, so Mottaki gerade auf einer Konferenz in Bahrain. Fereidoun Abbasi wurde in einer UN-Resolution aus dem Jahr 2007 namentlich erwähnt und beschuldigt, an verbotenen atomaren Aktivitäten beteiligt zu sein. Der für die Nachrichtendienste zuständige Minister Heidar Moslehi gab bekannt, dass mehrere Personen nach den Mordanschlägen verhaftet worden seien, die angeblich Verbindungen zu westlichen Nachrichtendiensten und dem Mossad unterhielten.

Uranerz aus Kasachstan

Die iranischen Gesprächspartner in Genf wird versuchen, die Reaktion Teherans auf die jüngste Welle der im Juni verhängten Sanktionen zu beurteilen und einen Vorschlag neu zu beleben: schwach angereichertes Uran aus dem Iran gegen gebrauchsfertige Brennstäbe für einen Forschungsreaktor in Teheran zu tauschen. Der Vorschlag eines solchen Deals war wichtigstes Ergebnis der letzten Gespräche, die es 2009 in Genf gegeben hatte.

Unterhändler Jalili hatte das zunächst akzeptiert, offenbar mit der Unterstützung Ahmadinedjads. Doch nach Versuchen von iranischer Seite, neu über die Bedingungen zu verhandeln, wurde schließlich nichts daraus. Die Gruppe aus den fünf Vetomächten des Sicherheitsrates und Deutschlands dürfte sich über die gestrige Ankündigung zur Verwendung iranischen Yellowcakes freuen und sie als Bestätigung ihrer Bemühungen sehen, Iran von äußerer Versorgung abzuschneiden.
2009 gab es Berichte über einen Versuch, 1.350 Tonnen gereinigtes Uranerz aus Kasachstan zu importieren. Teheran dementierte den Bericht mit Hinweis, dies entbehre jeglicher Grundlage. Das Yellocake, das gestern in Isafahn angeliefert wurde, kam aus der Gchine-Mine in Bandar Abbas am Persischen Golf. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) prognostiziert, dass man dort 21 Tonnen Yellowcake pro Jahr produzieren könne – ungefähr ein Zehntel dessen, was ein industrieller Reaktor brauchen würde.

Der Weg zum waffenfähigen Uran

1.Uranerz: Das schwach radioaktive Erz wird unter Tage oder in offenen Gruben abgebaut. Der Iran hat Minen in Gchine am Persischen Golf und in Saghand im Landesinneren.

2.Yellowcake: Wenn Erz aus dem Boden kommt, kann es weniger als ein Prozent Uranoxid enthalten. Letzteres wird mit starken Säuren oder Alkalilösungen aus dem Erz herausgewaschen und zu Yellowcake getrocknet, das zu über 80 Prozent aus Uranoxid besteht. Iran hat diesen Prozess bewerkstelligt.

3. Aufbereitung: Yellowcake wird in das Gas Uran-Hexafluorid umgewandelt. Die entsprechende Anlage steht im Iran in Isfahan.

4. Anreicherung: Uran-Hexafluorid kann in Zentrifugen eingespeist werden, die das spaltbarste Uranium-Isotop U-235 abspalten können. Schwach angereichertes Uran für Kernkraftwerke hat eine drei bis vierprozentige Konzentration von U-235. Waffenfähiges Uran ist zu 90 Prozent angereichert.

5. Brennstoffherstellung: Uranium-Hexafluorid kann in Uraniumoxid zurückverwandelt werden, das dann gepresst und zu Brennstofftabletten gebacken werden kann. Die Brennstofftabletten werden in Metallstäbe gesteckt und in den Reaktor eingesetzt. Der Iran muss diesen Schritt noch bewerkstelligen.

6. Reaktor: Die Abspaltung von U-235 produziert Energie, mit der Wasser erhitzt und zu Dampf verwandelt wird, der wiederum Turbinen antreibt. Iran hat einen Forschungsreaktor in Teheran und einen auf industriellem Niveau in Bushehr.

7. Wiederaufbereitung: Uran und Plutonium können von den gebrauchten Brennstäben abgetrennt und wieder verwendet werden. Das Plutonium kann auch zur Produktion von Waffen verwendet werden.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Julian Borger | The Guardian

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