Big deal

Netzgeschäfte Facebook hat für eine Milliarde Dollar Instagram gekauft, eine Foto-Sharing-App für Mobilgeräte. Das bedeutet aber nicht das Ende der Internet-Technologieblase

In den späten 1990ern, als die erste Internet-Technologieblase gerade rasant anschwoll, zog eine kleine israelische Firma namens Mirabilis mit ihrem Instant-Messaging-Dienst ICQ Millionen Internetnutzer an. Instant Messaging war zu der Zeit zwar nichts Neues mehr, ICQ galt damals aber vielen als das beste Programm.

Mirabilis gab beträchtliche Summen dafür aus, seine wachsende Nutzerbasis zu vergrößern und die Server stabil am Laufen zu halten. Als man den Hauptinvestor Yossi Vardi fragte, wie die Firma Geld zu machen gedenke, gab er halb im Scherz eine Antwort, die berühmt wurde: „Die Einnahmen sind reine Ablenkung.“ Vardis Ziel waren letztlich gar nicht zahlende Nutzer, sondern der Verkauf der Firma. 1998 schlug dann AOL – damals gerade selbst auf dem Weg zum Höchststand seiner Marktkapitalisierung – für 400 Millionen Dollar zu.

Gestern hat ein anderer schnell wachsender Dienst, der bloß auf einen Käufer gewartet hat, einen ähnlichen Coup gelandet. Instagram, ein hauptsächlich auf Mobiltelefone ausgerichtetes Unternehmen, mit dem sich Fotos teilen lassen, hat sich selbst für „ungefähr eine Milliarde Dollar, teils als Barauszahlung, teils in Facebook-Anteilen“ an Facebook verkauft. Bei solch einer vagen Aussage kann man davon ausgehen, dass die Aktien den Löwenanteil ausmachen. Trotzdem ist dieser Deal aus mehreren Gründen ein großes Ding für das Silicon Valley und die gesamte Technologiebranche.

Der Technikjournalist und Unternehmer Om Malik ist nicht der einzige, der den Deal für durchaus vernünftig hält: „Facebook hatte richtig Schiss, weil man wusste, dass es erstmals einen Konkurrenten gab, der einem nicht nur die Butter vom Brot nehmen, sondern auch die Zukunftsaussichten zerstören könnte. Der Grund? Facebook geht es vor allem um Fotos und Instagram hat mit dem Teilen von Fotos via Mobiltelefon die Achillesverse von Facebook gefunden und ins Visier genommen.“

Könnte sein. Sinn macht der Deal auf jeden Fall, wenn Facebook ein unreguliertes Monopol aufbauen will. In dem Maße, wie es Facebook gelingt, ein alternatives Web zu werden, indem es die Kontrolle in den eigenen Händen hält, statt als Teil des gesamten, offenen Web zu existieren, kann Zuckerbergs Unternehmen es sich leisten, auch für Nebensachen jede Summe auszugeben.

Chance für Falschspieler

Man kann diesen Deal aber auch unter anderen Gesichtspunkten betrachten, wobei sich dann wieder andere Lehren aus der ICQ-Zeit aufdrängen. Damals schoss der Marktwert von AOL durch die Decke, es floss immer mehr Geld. AOL dachte, ICQ unbedingt im Angebot haben zu müssen und zahlte eine für damalige Verhältnisse atemberaubende Summe.

Im Jahr 2000 dann „kaufte“ AOL Time Warner. Kaufte in Anführungszeichen, weil die Übernahme von dem aufgeblähte AOL-Aktienkapital kurz vor dem Platzen der Blase beeinflusst war. Die beteiligten Time Warner-Geschäftsführer hatten erstaunlich wenig Ahnung vom Internet (ein Umstand, an dem sich in den meisten Fällen nicht viel geändert zu haben scheint) und haben ihren Anteilseignern keinen guten Dienst erwiesen. An Vardis Strategie für Mirabilis war nichts auszusetzen, aber schon ein paar Jahre später hätte er für ICQ wohl nicht mehr so viel gekriegt.

Man ist heute versucht, zu glauben, dass die Instagram-Übernahme durch Facebook das Ende der aktuellen Technologieblase andeutet. (Auch jetzt bestehen natürlich genau wie letztes Mal wieder alle möglichen brillanten Leute darauf, dass es die nicht gibt. Ich würde mich da gerne eines Besseren belehren lassen.) Die Umstände lassen aber auch darauf schließen, dass die derzeitige Blase, wenn man jetzt mal davon ausgeht, dass es es eine gibt, sich noch weiter ausdehnen kann.

Das liegt vor allem am gerade in den USA beschlossenen JOBS Act, der die unternehmerische Initiative in Amerika fördern soll aber mit genauso großer Wahrscheinlichkeit dem Unternehmensbetrug Vorschub leisten wird. Im Silicon Valley liebt man das Gesetz, doch auch die Falschspieler dieser Welt sind sicherlich erfreut. Wenn die Flut noch durch Unrat gespeist wird, werden alle Schiffe angehoben – jedenfalls für eine gewisse Zeit.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Dan Gillmore | The Guardian

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