Sag’s mit Blumen, rät ein alter Spruch – in Bezug auf China entfaltet er gerade eine ganz neue Bedeutung. Ende April hat das Land die größte internationale Gartenschau eröffnet, die es je gab: ein Mammutprojekt, mit Pflanzen, Pavillons und „Soft Power“.
Am Fuß der Taihang-Berge im Pekinger Vorort Yanqing ist dafür ein Areal ausgewiesen worden, dessen Größe in etwa 500 Fußballfeldern entspricht. Gezeigt werden mehr als tausend verschiedene chinesische Blumensorten, hundert Innenraum- wie Freiluft-Gärten, mehr als 80 Länder präsentieren sich mit eigenen Pavillons. Die Show läuft bis Anfang Oktober, erwartet werden 16 Millionen Besucher.
Im Zentrum der Ausstellung steht der weitläufige China-Pavillon,
China-Pavillon, ein halbrundes geschwungenes Konstrukt in Form eines traditionellen chinesischen Ornaments. Eingebettet in künstliche Terrassen, deren Oberseite Weizen – Grundnahrungsmittel im Norden Chinas – ziert, soll der Pavillon Nostalgie und Staunen hervorrufen. Das auf dem Dach gesammelte Regenwasser wird recycelt; ein tief liegender Hof soll den Besuchern das Gefühl vermitteln, sich in einem traditionellen chinesischen Haus zu befinden.So ein großer SchmetterlingDie als „Expo am Fuße der Chinesischen Mauer“ vermarktete Gartenschau ist die größte internationale Veranstaltung, die China seit den Olympischen Spielen 2008 organisiert hat, in die seit sechs Jahren laufenden Vorbereitungen sind hochrangige Politiker der Regierungspartei involviert. Doch das Ganze ist mehr als eine riesige Ausstellung – es geht um eines der ehrgeizigsten Soft-Power-Projekte Pekings, um die Bürger zu Hause sowie die Außenwelt zu beeindrucken. „Die Regierung nutzt gerne das, was wir ‚Heimspiel-Diplomatie‘ nennen, um Chinas Stärke und Wohlstand zu demonstrieren“, sagt der unabhängige Historiker Zhang Lifan. Die Gartenschau wird noch laufen, wenn die regierende Kommunistische Partei und das Land am 1. Oktober den 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China feiern. Sie soll den Zusammenhalt im Land stärken und Chinas Umweltbewusstsein demonstrieren.Viele Ausstellungsbereiche zeigen die grünen Errungenschaften des Landes – so gibt es Gartenbautechnologie, 3-D-Drucker und Roboter zu sehen, für welche China Pionierarbeit geleistet hat. In einem über 3.000 Quadratmeter großen Treibhaus sind rund tausend Pflanzenarten ausgestellt. Eine Veranstaltungshalle wurde in Form eines gigantischen Schmetterlings errichtet. Die Expo sei ein „außergewöhnliches Beispiel ökologischer Zivilisation“, wirbt eine große Plakatwand auf einem der Parkplätze für Besucher.Positive Werbung kann China derzeit gut gebrauchen. Der Handelskrieg mit den USA beschäftigt das Land, seine Seidenstraßen-Initiative und die mit ihr verbundenden Investitionen in Handelsverbindungen und Infrastrukturprojekte über den ganzen Globus werden kritischer beäugt denn je. Die Vereinten Nationen und Menschenrechtsgruppen kritisieren Chinas Regierung für die Inhaftierung Tausender Mitglieder der muslimischen Minderheit in Xinjiang im Nordwesten. Im Inneren kämpft China mit nachlassender Konjunktur, anhaltenden Umweltproblemen und öffentlicher Gesundheitsbedrohung.Die Gartenschau bietet zudem Ablenkung von einigen für die chinesische Führung unangenehmen Gedenktagen in diesem Jahr. Im März jährte sich zum 60. Mal der Tibet-Aufstand, der dazu führte, dass der Dalai Lama ins Exil ging. Am 4. Juni steht der 30. Jahrestag des Tian’anmen-Massakers an, der blutigen Niederschlagung der Proteste für weitergehende Reformen im Jahr 1989.Nur wenige Tage nach der Eröffnung der Gartenschau war der 100. Jahrestag der Bewegung des vierten Mai, jenes Studentenaufstands, der in der Behandlung Chinas durch den Westen im Versailler Vertrag von 1919 seinen Ursprung hatte und die Hinwendung zum Marxismus/Leninismus, damit also auch die Entstehung einer chinesischen kommunistischen Partei begründete. Heutigen Vertretern der Partei hingegen ist nicht daran gelegen, Studierende zu Massenprotesten zu ermutigen. „Die Gartenschau dient auch der Zerstreuung“, sagt der Historiker Zhang Lifan.Zu Mobilisierung der Massen trägt sie in anderer Weise bei, was zwei Wochen vor der Eröffnung deutlich wird; vor Ort sind die Vorbereitungen in vollem Gange: Bauarbeiter- und Gärtnertrupps fahren in den Park hinein und hinaus. Arbeiter bringen an der Außengrenze des Veranstaltungsgeländes Videoüberwachungskameras an. Ganz in der Nähe versammeln sich Arbeiter und werden in Gruppen eingeteilt, bevor sie zu Fuß in den Park laufen.Rund 200.000 freiwillige Helferinnen und Helfer, zumeist Studierende, sind rekrutiert worden, um auf der Expo Schichtdienst zu schieben. Sie alle, so sehen es die Organisatoren, beträten mit der Gartenschau „ein Klassenzimmer, in dem sich Xi Jinpings ökologische Zivilisation kennenlernen lässt“. Dies knüpft daran an, dass Chinas Staatschef versprochen hat, gegen die Umweltverschmutzung vorzugehen.Zudem scheint die Expo dezidiert darauf angelegt, das Gefühl nationaler Einheit zu stärken. In den „China-Gärten“ etwa gibt es unter den Pavillons für die 34 Provinzen und Verwaltungsregionen auch einen für Taiwan – Peking hält daran fest, dass die Insel nach wie vor eine Provinz von China ist. Ebenso gibt es einen Pavillon für die autonome Region Xinjiang – mit Wüstenlandschaften und Kamelen.China hat die Gartenschau auch mit Blick auf diplomatische Zwecke konzipiert – mehr als 100 Länder und internationale Organisationen nehmen teil, darunter Deutschland, Russland, Frankreich und Großbritannien. Auch der Vatikan, der daran arbeitet, die seit 1951 zerstörten Beziehungen zu Peking wieder aufzunehmen, hat eine Einladung angenommen. Die USA dagegen haben davon abgesehen, eine offizielle Teilnahme in Betracht zu ziehen.„China ist sehr gut darin, solche großen, spektakulären Veranstaltungen auf die Beine zu stellen“, sagte der britische Handelsbeauftragte für China, Richard Burn. Großbritannien, wo die Chelsea Flower Show im Mai in London nicht ganz so groß, aber auch pompös inszeniert wird, hatte sein Kommen frühzeitig zugesagt. Die Gartenschau in Peking biete die Gelegenheit, die Bedeutung der Verbindungen zwischen Großbritannien und China zu betonen. Im britischen Pavillon sind angelegte Gärten zu sehen, ein „Reallabor“ britischer Gartenbautechnologie sowie eine Terrasse mit Gin-Bar.Chinas Blumen-Diplomatie hat nicht bei allen gefruchtet. „Meinem Eindruck nach ist das Ganze extrem teuer. Wofür?“, fragt ein Diplomat eines westlichen Landes, der nicht genannt werden möchte, weil er nicht autorisiert ist, zu dem Thema etwas zu sagen.Ein gewisser Widerspruch zum Expo-Thema „Ökologische Zivilisation“ drängt sich auf. Um Platz für die Gartenschau zu schaffen, wurden zwei Dörfer beziehungsweise rund 2.400 Einwohner in neu gebaute Wohnblocks in der Nähe umgesiedelt. Die Bewohner und Bewohnerinnen eines Ortes erhielten ein Buch zur Erinnerung an ihr Dorf, die Häuser und das Land, das einige Familien über Generationen hinweg bewohnt hatten.„Es ist es wert, wenn unser Land es braucht“, erklärte einer der umgesiedelten Bewohner, der nur mit seinem Nachnamen Wu genannt werden möchte. Wir sind Teil der Nation. Wenn das Land sagt, es sei notwendig, dann ist es das.“Mehr als ein halbes Dutzend Autobahnen und Straßen wurden für die Ausstellung gebaut, darunter ein 5,9 Kilometer langer Tunnel, der durch einen Berg gebohrt wurde und nach Angaben des für den Bau verantwortlichen Staatsunternehmens China Railways Construction sieben Mal unter der Chinesischen Mauer hindurchführt.Während der Monate, die die Gartenschau ihre Pforten öffnet, sollen insgesamt 42 Millionen Kubikmeter Wasser in den Guishui-Fluss gepumpt werden, welcher durch den Park verläuft. Der Fluss, in dem die Anwohner früher schnell mal baden gingen oder auch fischten, ist jetzt komplett eingezäunt. Dafür gibt es jetzt ein Dutzend „ökologischer Parkplätze“ für die Autos und Busse, die Besucher zur Expo bringen.„China sehnt sich nach Prunk“, sagt der stellvertretende Direktor der NGO Green Earth Volunteers, Wang Yongchen. „China ist immer sehr stolz, wenn wir am meisten ausgegeben haben und die größte Veranstaltung bieten können.“Doch noch vor der Eröffnung rechneten nicht alle damit, dass die Massen auf das Ausstellungsgelände strömen würden. So sagten Anwohner, sie unterstützten die Veranstaltung zwar in der Hoffnung, dass sie mehr Tourismus in die Gegend bringen würde. Dass aber sie selbst zwischen 120 und 500 Yuan (16 und 65 Euro) für eine Eintrittskarte berappen würden, erschien den meisten unwahrscheinlich.„150 Yuan für einen Besuch, das ist nicht sehr preiswert“, meint ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, der einen Seiteneingang des Parks bewacht. „Das Ganze ist eine Verschwendung von Arbeit und Geld. Aber China hat viel Geld. Und was wir denken, das ist ihnen egal.“Placeholder authorbio-1
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