Das wird kein Schauprozess

USA George Zimmerman mag hinter Gittern sitzen. Eigentlich aber ist es das Stand-Your-Ground-Gesetz, dem im Fall Trayvon Martin der Prozess gemacht werden sollte

George Zimmerman sitzt im Gefängnis. Sechs Wochen, nachdem er den 17-jährigen schwarzen Jungen Trayvon Martin erschossen hat, ist der Druck auf den Staat Florida von unten und oben so groß geworden, dass er zumindest in Erwägung zieht, ob ein Mann, der einen unbewaffneten Teenager erschossen hat, sich nicht vielleicht doch vor Gericht verantworten muss. Nun ist Zimmerman wegen second degree murder – Mord zweiten Grades angeklagt. Was bedeutet, die Tat wurde nicht vorsätzlich oder geplant begangen.

Der Fall könnte so kontrovers werden wie der Prozess gegen den American-Football-Spieler O. J. Simpson und so explosiv wie der Fall des Afroamerikaners Rodney King, der 1991 bei seiner Festnahme in Kalifornien von der Polizei brutal zusammengeschlagen wurde. Nur, dass die USA diesmal einen schwarzen Präsidenten haben und sich im Wahljahr befinden. Schon jetzt betrachten Schwarze und Weiße den Fall mit anderen Augen. Jüngst ergab eine Umfrage von Newsweek, dass 80 Prozent der schwarzen Amerikaner der Ansicht sind, Trayvons Tod habe etwas mit seiner Hautfarbe zu tun. 78 Prozent halten Obamas Äußerungen zu diesem Thema für angemessen. Unter den weißen Amerikanern sind es 35 beziehungsweise 28 Prozent. In der aufgedrehten, polarisierten Welt der Nachrichtenkanäle und Blogs, in der viele den Anspruch erheben, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein, werden die Details, die im Verlauf des Prozesses wohl zu Tage treten werden, die Gräben nur vertiefen.

Da ein solches Verfahren durch politischen Druck zustande kam, wäre es naiv zu meinen, Zimmermans Schicksal sei nun, da er sich in den Händen der Justiz befindet, eine rein juristische Angelegenheit. Das Stand-Your-Ground-Gesetz ist ebenso politisch motiviert wie die laxen Waffengesetze oder der Rassismus-Aspekt, der diesen Fall in die internationalen Schlagzeilen beförderte. Immerhin haben in den Vereinigten Staaten im Jahr 2000 Gerichte über den Ausgang der Präsidentschaftswahl entschieden. Die Judikative ist längst politisiert.

Es war eben Notwehr

Die Familie von Trayvon Martin weiß das, deshalb hat sie versucht, die Nation hinter sich zu bringen. Zimmerman weiß das auch. Deshalb hat er, während er für seine ehemaligen Anwälte nicht erreichbar war, bei dem konservativen Fox-News-Moderator Sean Hannity angerufen. Dennoch werden diese Umstände wohl zu keinem Schauprozess führen. Anders formuliert: In den Händen eines kompetenten Staatsanwalts und einer anständigen Verteidigung muss es keiner werden. Sonderstaatsanwältin Angela Corey versichert: „Wir ermitteln nicht wegen des öffentlichen Drucks oder aufgrund von Petitionen. Schließlich geht es bei all dem um einen toten Teenager, der nur mal kurz zum Einkaufen wollte und nicht zurückkam. Bis heute hatte es der Staat, obwohl man wusste, wer den Jungen getötet hat, nicht für nötig befunden, der Sache auf den Grund zu gehen.“

Für die Familie Martin ist dies nur ein erster Schritt und noch keine Gerechtigkeit. Aber er birgt die Chance, dass es Gerechtigkeit geben könnte. Allerdings wäre Gerechtigkeit nicht gleichbedeutend mit einer Verurteilung. Ob es dazu überhaupt kommt, ist noch lange nicht ausgemacht. Zimmerman ist unschuldig, bis seine Schuld bewiesen wurde. Er beruft sich darauf, aus Notwehr gehandelt zu haben und meint damit das Stand-Your-Ground-Gesetz, das jedem, der sein Leben bedroht sieht, das Recht einräumt, von einer Waffe Gebrauch zu machen. Um Zimmerman verurteilen zu können, muss bewiesen werden, dass er nicht aus Notwehr gehandelt hat. Das ist nicht einfach, schon gar nicht, wenn man durch die Scheinwerfer der weltweiten Aufmerksamkeit geblendet wird.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Gary Younge | The Guardian

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