Der Alleskönner

Facebook Ob Facebook Messages erfolgreich sein wird oder die jüngste Entwicklung des Netzwerks das gleiche Schicksal ereilt wie Google Wave, wird sich erst mit der Zeit zeigen

Vom Erlöschen der einen bis zu den zarten Anfängen der nächsten Liebe können Facebook-User nun bald alles, worüber sie sich mit Freunden, Verwandten, Partnern und Lovern austauschen, mit Hilfe eines neuen Kommunikationssystems festhalten. Das soziale Netzwerk plant, SMS, E-Mails und Instant Messages Online an einem Ort zusammenzuführen.

Gestern Abend stellte Mark Zuckerberg, Gründer der Seite mit inzwischen mehr als 500 Millionen Usern, im Rahmen einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz in Palo Alto, Kalifornien, die Details des Produkts vor, das von vielen schon als „GMail Killer“ bezeichnet wurde, als Seitenhieb auf Googles populären E-Mail-Dienst. Zuckerberg erläuterte den versammelten Journalisten schnell aber schlüssig die Philosophie hinter dem System. Besonderen Wert legte er aber auf eine Feststellung. „Es handelt sich nicht um einen E-Mail-Service“, erklärte er gleich zu Beginn der Präsentation. „Es stimmt zwar, dass die Leute @facebook.com-Adressen bekommen können, aber es handelt sich nicht um einen E-Mail-Service.“

Der neue Dienst, der Facebook Messages heißen wird, werde einen sozialen Posteingangsordner und „nahtloses Mailing“ anbieten, erklärte der sichtlich begeisterte Zuckerberg. Das bedeutet: Wenn der User es so will, wird das Unternehmen nun sein Geplapper aus vier unterschiedlichen Quellen zusammenführen: SMS, Instant Messages, E-Mails und Nachrichten, die auf Facebook gepostet wurden.

Abgesehen von dem Vorteil, dass die Software Nachrichten verschiedener Kanäle zusammenführt, so Zuckerberg, werde sich Facebook Messages als Segen erweisen, da es das Nonplusultra an Spam-Schutz und Filtern für Nachrichten biete – eine Großtat, die den bestehenden E-Mail-Diensten nie voll und ganz gelungen sei, wie er durchblicken ließ. „Es gibt sehr unterschiedliche Klassen von Junk und es ist für jedes E-Mail-System enorm schwierig, zu erkennen, dass dies eine Person ist, die mir zwar eine legitime Nachricht schickt, aber ich mich nicht dafür interessiere, was sie zu sagen hat“, erklärte er und stellte damit wieder einmal sein soziales Bewusstsein – oder dessen Fehlen – unter Beweis.

Facebook Messages wird Kommunikees von Unerwünschten fernhalten, erläuterte Zuckerberg weiter. Die Nutzer werden in der Lage sein, ihre Einstellungen ähnlich denen ihrer Facebook-Privatsphäre zu ändern, so dass nur noch Nachrichten von „Freunden“ oder „Freunden von Freunden“ durchkommen. Die User sollen in ihren Accounts ihre Unterhaltungen jahrelang nachverfolgen können und Spam werde gefiltert, so Zuckerberg.

Dann führte Facebook-Cheftechniker Andrew Bosworth – nach dem obligatorischen „es handelt sich nicht um einen E-Mail-Service“-Vorwort – anhand des persönlichen Chatprotokolls zwischen ihm und seiner Freundin das neue Tool vor und erklärte, er beneide die „nächste Generation“ extrem darum, dass sie irgendwann die Konversation mit ihren Partnern und Freunden bis zum Tage Null zurückverfolgen werden könne.

Ob diese nächste Generation jedes einzelne Wort, das sie jemals ausgetauscht hat, wirklich sehen wollen wird, ist eine ganz andere Frage – man kann sich gute Gründe vorstellen, weshalb man nicht jede Bemerkung, die im Eifer des Gefechts gefallen ist, für alle Zeiten festhalten will. Auf die Frage, wie vernünftig es sei, alles zu dokumentieren, betonte Bosworth, User hätten auch die Möglichkeit Unterhaltungen zu löschen.

Wird Facebook Messages also die Zukunft der Kommunikation sein? Oder wird es das gleiche Schicksal ereilen wie einst Google Wave? Auch letzteres wurde als eine Entwicklung gepriesen, die alle Kommunikationskanäle im Netz verbinden und revolutionieren würde. Es startete im Mai 2009 und verschwand im August dieses Jahres still und leise in der Versenkung.

„Der Schlüssel zum Erfolg auf dem Gebiet des Messaging wird im Falle Facebook sein, dass es als erstes von Anfang an die richtigen Privatsphäre-Einstellungen haben wird“, lautete die prompte Reaktion von Michael Gartenberg von der IT-Marktforschungsagentur Gartner – ironischerweise via Twitter. Ob die jüngste Facebook-Entwicklung tatsächlich erfolgreich sein wird, wird sich erst mit der Zeit zeigen. Für den Moment sollte man einfach nur aufpassen, dass man nicht behauptet, dass Facebook jetzt in E-Mail macht.

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Geschrieben von

Adam Gabbatt, Charles Arthur | The Guardian

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