Der dritte Dominostein fällt

Schuldenkrise Auch Portugal wird unter den EU-Rettungsschirm gehievt. Die Euro-Krise bleibt ein Selbstläufer, so sehr sich auch die führenden EU-Staaten dagegen stemmen

Die Entscheidung in Lissabon, das Angebot, unter dem EU-Rettungsschirm Zuflucht zu suchen, anzunehmen, war unvermeidlich. Nur so lassen sich die immer größeren Belastungen der Finanzkrise überstehen. Der entscheidende Augenblick kam, als Lissabon die Ergebnisse einer Auktion seiner Staatsanleihen bekanntgab: Man hatte auf den Märkten zwar Geld auftreiben können, das allerdings zu einem Wucherzins. Die bis zu den Neuwahlen im Juni nur noch kommissarisch tätige Regierung von José Sócrates sah sich vor die Wahl gestellt, das Geld auf dem Finanzmarkt zu einem Zinssatz von zehn Prozent zu leihen. Oder aber bei Krediten und Bürgschaften aus der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität (EFSF) vielleicht nur die Hälfte an Zinskosten zu haben. Es lief ein wenig so, wie in Großbritannien am Schwarzen Mittwoch von 1992: Monatelang hatten auch damals die Politiker darauf beharrt, es werde keine Kehrtwende und keinen Politikwechsel geben. Dann wurde mit einem Mal klar, dass die Ereignisse der Regierung die Entscheidung aus der Hand genommen haben.

Streiks und Unruhen

Was bedeutet dieser Schritt also nun? Zunächst: das Leben für die Portugiesen dürfte in nächster Zukunft nicht leichter werden, wie die Griechen und Iren sicher bestätigen können. Der EU-Kredit ist genau an die Art von Sparauflagen gebunden, die zum angekündigten Abgang des Kabinetts von Premier José Sócrates geführt haben. Zweitens wird die EU-Bürgschaft nichts an dem grundsätzlichen Problem einer Volkswirtschaft ändern, die innerhalb der Währungsunion um ihre Wettbewerbsfähigkeit kämpfen muss. Die Produktionskosten für portugiesische Waren sind schneller gestiegen als die der deutschen. Ohne das Sicherheitsventil einer Abwertung wird es eine unerbittliche und lange Phase der Deflation geben müssen, um die inländischen Produktionskosten zu reduzieren. Streiks und Unruhen wie in Griechenland sind daher äußerst wahrscheinlich.
Drittens kommt es auf den Zeitpunkt an. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöht die Zinsen, weil das Institut über die jüngste Entwicklung der Inflationsrate alarmiert ist und darauf reagiert, indem sie das Geldleihen teurer macht.

Höhere Zinsen haben aber außer einer inflationshemmenden vor allem die Wirkung, das Wachstum zu verlangsamen und die Kosten für Schuldentilgung zu erhöhen: Das sind die schlimmsten nur denkbaren Nachrichten für Griechenland, Irland und Portugal, die mit hohen Staatsdefiziten und rezessionsgeplagten Volkswirtschaften zu kämpfen haben.

Kandidat Spanien

Es ist aber auch möglich, dass die Märkte nach der Ankündigung aus Lissabon die Entwicklung der europäischen Zinssätze für dieses Jahr und darüber hinaus optimistischer beurteilen werden. Dies auch deshalb, weil der EZB die Wirkungen ihrer Finanzpolitik auf die empfindliche EU-Peripherie im Süden wie im Osten Europas nicht gleichgültig sein können.

Schließlich ist da noch die Frage nach Spanien. Hier gab es bessere Nachrichten: Die Differenz zwischen spanischen und deutschen Anleihen ging zu einem Zeitpunkt ein klein wenig zurück, als gleichzeitig die Zinsen für portugiesische und irische Anleihen angestiegen sind. Es besteht für die EU und ihre Politiker also die Hoffnung, dass Spanien sich trotz seiner schlecht laufenden Wirtschaft von seinem iberischen Nachbarn abkoppeln konnte. Denn Spanien ist etwas völlig anderes als Portugal: Es ist too big to fail, aber auch too big to rescue – es darf nicht pleite gehen, könnte aber auch nicht gerettet werden.

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Übersetzung Holger Hutt
Geschrieben von

George Elliot | The Guardian

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