Der Funke der Depression

Irland Der rigide Sparkurs Irlands galt als vorbildliche Strategie gegen die Rezession. Nun hat Dublin seine Konjunktur abgewürgt

Irland ist das Aushängeschild der Befürworter einer strengen Sparpolitik. Als man im Rest der Welt den Staub von Keynes' Allgemeiner Theorie der Beschäftigung abklopfte, um in Anbetracht der rapiden Einbrüche der Weltwirtschaft die Konjunkturprogramme zu rechtfertigen, hielten die Iren es mit dem Sparen. Und das im großen Stil.

Die Regierung in Dublin kündigte nicht nur eine, sondern gleich drei Brandrodungs-Budgets an, um die Axt an den öffentlichen Sektor und die Sozialleistungen anzulegen. Die Arbeitslosigkeit hat sich verdreifacht, qualifizierte Arbeitskräfte suchen ihr Glück in der Emigration. Man war bereit, diesen Preis zu bezahlen, weil man glaubte, dass es das wert sei. Das Ziel bestand darin, die Märkte nach dem kolossalen Gau auf dem Immobilienmarkt von der Ernsthaftigkeit der eigenen Konsolidierungsbemühungen zu überzeugen. Hierfür gab es viel Applaus. Als sich zu Beginn des Jahres abzeichnete, dass das Problem sich auf Griechenland und andere Mitgliedsländer der EU ausweiten könnte, erteilte der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, den Rat: „Griechenland hat ein Vorbild und dieses Vorbild ist Irland.“

Die britischen Defizit-Hardliner waren der Ansicht, nicht nur Griechenland könne etwas von den Iren lernen. Liam Halligan stellte im April im Sunday Telegraph Irlands „vernünftigen und verantwortungsvollen Umgang mit der fiskalischen Konsolidierung“ dem „willensschwachen“ der Briten gegenüber. Mit ihren ernsthaften Sparanstrengungen hätten die Iren die Anerkennung der Anleihenmärkte gewonnen und eine Senkung ihrer langfristigen Zinsen erwirkt. Diese Einsparungen würden im Gegenzug den Grundstein für die wirtschaftliche Erholung legen. George Osborne, David Cameron, Nick Clegg und Vince Cable teilten diese Ansicht und so kam es, dass Großbritannien sechs Wochen nach den Parlamentswahlen die tiefsten Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben seit den 1920ern erlebte. Dem labilen Zustand des Weltwirtschaftssystems zum Trotz glaubte die Koalitionsregierung in Westminster, dass die Iren gut daran taten, ihre Medizin schon frühzeitig zu schlucken.

Wie stellt sich die Lage auf der grünen Insel nun also dar? Die jüngsten Zahlen zeigen, dass die Wirtschaftsleistung nach einer kurzen Phase der zarten Wiederbelebung während der ersten drei Monate dieses Jahres im zweiten Quartal erneut um 1, 2 Prozent zurückgegangen ist, in Dublin kursieren Gerüchte über die Überlebensfähigkeit der Anglo Irish Bank und die Anleihenmärkte, die sich noch vor kurzem so beeindruckt von der irischen Tapferkeit gezeigt hatten, fallen nun mit aller Macht über Irland her: Der Vertrauensverlust des Marktes in die irische Volkswirtschaft lässt sich unter anderem an der Differenz zwischen den Zinsen ermessen, die der irische im Vergleich zum deutschen Staat auf seine Anleihen bezahlen muss. Diese hat nach den am Donnerstag veröffentlichten Zahlen mit 4,25 Prozent den bisherigen Rekord seit der Einführung des Euro erreicht. Sie betragen gegenwärtig über 6,7 Prozent.

Der Grund hierfür ist schnell zu finden: Die Haushaltskürzungen haben die Wachstumsmöglichkeiten der Wirtschaft drastisch gemindert: Die irische Regierung will das Defizit des Landes bis 2014 von 12 auf unter drei Prozent drücken, was selbst unter Bedingungen eines robusten Wachstums noch unglaublich ambitioniert wäre. Wenn das Wirtschaftsvolumen aber abnimmt, bedeutet dies, dass die Regierung sich de facto wie ein Hamster im Rad abstrampelt, ohne je von der Stelle zu kommen. Schon werden Forderungen nach noch stärkeren Kürzungen zur Besänftigung der Märkte laut, was die Wachstumsaussichten freilich noch weiter schwächen würde. Mit anderen Worten steht die irische Regierung kurz davor, sich in eine permanente Depression und Deflation hineinzumanövrieren, aus der der einzige Ausweg in einem Staatsinsolvenz bestünde, die sich freilich wiederum negativ auf das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen auswirken würde. Es gibt in der Tat eine Lektion, die die Briten von Irland lernen können, nämlich, wie man es nicht macht.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Larry Elliot | The Guardian

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