Die Frauen und die Mathematik

Auszeichnung Die iranische Mathematikerin Maryam Mirzakhani ist die erste Frau, die mit der Fields-Medaille ausgezeichnet wurde. Dies ist weit mehr als nur ein persönlicher Erfolg
Ausgabe 34/2014
Die Frauen und die Mathematik

Illustration: der Freitag

Endlich, nach über 50 männlichen Preisträgern, hat mit Maryam Mirzakhani die erste Frau eine Fields-Medaille für herausragende Entdeckungen in der Mathematik erhalten. Würde man 51-mal eine Münze werfen, läge die Wahrscheinlichkeit, erst 50-mal Zahl zu werfen und dann ein Mal Kopf, bei weniger als 1 zu 2,25 Billiarden, als Zahl: 2.250.000.000.000.000. Der Vergleich mag krass klingen. Doch heute ist beinahe die Hälfte der Mathematikstudierenden weiblich. Markiert Mirzakhanis Erfolg nun also einen Wendepunkt im Kampf der Frauen um mehr Anerkennung auf dem Gebiet der Mathematik?

Alle Fields-Medaillen-Träger sind in Bezug auf ihre Leistungen überragend. Bei ihnen treffen Fähigkeiten, Persönlichkeit, Erziehung, Bildung, Betreuung und Glück auf äußerst seltene Weise aufeinander. Daten über die Verteilung dieser Faktoren gibt es kaum, Hypothesen lassen sich schwer überprüfen. Ebenso verhält es sich mit dem Einfluss der Kultur des Fachs. Dennoch irritiert, dass die Chance, dass eine Frau die Fields-Medaille erhält, so astronomisch gering ist. Zumal es sich bloß um ein extremes Beispiel dafür handelt, dass Frauen in der Mathematik auf allen Ebenen unterrepräsentiert sind.

Ein intellektuell aufrichtiger, wenngleich politisch aufgeladener Ausgangspunkt wäre die Frage, ob angeborenes Talent ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt sein könnte. Selbst unter idealen Bedingungen wäre diese Frage aber nur schwer zu beantworten – womöglich werden neuronale Bildgebungsverfahren eines Tages dabei helfen können. Doch selbst wenn es einen Unterschied gäbe, wäre es enorm kompliziert, diesen von sozialen und kulturellen Einflussfaktoren zu trennen.

So gibt es zum Beispiel Hinweise darauf, dass Frauen mit hervorragenden mathematischen Fähigkeiten auch über hervorragende verbale Fähigkeiten verfügen. Für Männer gilt das weniger. Daher haben diese Frauen eine größere Auswahl an Möglichkeiten. Das könnte dazu führen, dass sie die Karrieren im Umgang mit Zahlen vielleicht eher den Männern überlassen.

Jenseits der Frage angeborener Unterschiede haben Menschen mit Erfolgskarrieren jedoch oft viel Unterstützung durch Mentoren erhalten. Diese bieten nicht nur akademische Anleitung und Anregung – wie sie Mirzakhani als Studentin zugutekamen –, sondern stellen ihre Schützlinge auf Konferenzen einflussreichen Kollegen vor oder arrangieren Einladungen für Vorträge. Junge Mathematiker können so ihrer Arbeit Aufmerksamkeit verschaffen und ihre Chancen erhöhen, eine Position in einem führenden Institut zu erhalten. Ist dies in einem Umfeld, das sich größtenteils aus Männern zusammensetzt, für Frauen schwieriger? Auch diese Frage sollten wir uns stellen, wenn wir jüngere Kolleginnen und Kollegen unter die Fittiche nehmen.

Trotz anderslautender Gerüchte sind Mathematiker auch nur Menschen – und die Mathe-Community ist Teil dieser Gesellschaft. Die Probleme sind durch die spezifische Umgebung vielleicht stärker ausgeprägt, aber keineswegs einzigartig. Wie alle anderen Menschen auch müssen wir uns unsere Vorurteile bewusst machen und entsprechend handeln. Einig können wir uns zumindest in einem sein: Dass es noch jede Menge zu tun gibt. Unter Mathematikern wird dies auch weitgehend anerkannt. Und so hat es in den vergangenen Jahren Bemühungen gegeben, Frauen in der Mathematik in allen Bereichen stärker zu unterstützen. Die Fields-Medaille für Maryam Mirzakhani ist ein Beleg dafür, dass diese Anstrengungen erste Wirkungen zeigen.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Sam Howison | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden