Die Runde geht auf's Haus!

Überwachung Die NSA hat Millionen Dollar an Internetunternehmen gezahlt, welche im Rahmen des Spähprogramms Prism mit dem Geheimdienst zusammenarbeiteten
Die Runde geht auf's Haus!

Bild: NSA/US Government; prism photograph: Adam Hart-Davis

Zu diesen Firmen zählten laut Angaben der NSA Google, Yahoo, Microsoft und Facebook. Mit dem Zahlungen sollten sie für Unkosten entschädigt werden, die ihnen entstanden, nachdem das Fisa-Gericht einige der NSA-Aktivitäten für verfassungswidrig erklärt hatte. Das geht aus streng geheimem Material hervor, das dem Guardian übermittelt wurde.

Das Urteil vom Oktober 2011 wurde am Mittwoch durch die Obama-Regierung freigegeben. Es heißt darin, das Unvermögen der NSA, rein inländische Kommunikation von ausländischem Datenverkehr zu unterscheiden, laufe auf einen Verstoß gegen den vierten Zusatz der US-Verfassung hinaus.

Das Prism-Programm war von dem Urteil nicht direkt betroffen. Die Dokumente, die der Whistleblower Edward Snowden dem Guardian zukommen ließ, lassen allerdings die Probleme erkennen, die das Urteil dem Geheimdienst bereitete. Außerdem wird deutlich, welcher Aufwand betrieben werden musste, um den neuen Anforderungen des Gerichts nachzukommen. Erstmals gibt es damit nun Belege für eine finanzielle Verbindung zwischen den Technikunternehmen und der NSA.

Der Geheimdienst ist auf „Zertifikate“ angewiesen, die das Fisa-Gericht jährlich ausstellt. Sie stellen den rechtlichen Rahmen für die Überwachungsoperationen. Nach dem betreffenden Gerichtsbeschluss jedoch wurden diese Zertifikate nur noch befristet erneuert. Der Geheimdienst arbeitete derweil an einer Lösung der für illegal befundenen Prozesse.

Ein als hoch geheim gekennzeichneter und auf den Dezember 2012 datierter NSA-Newsletter offenbart die immensen Kosten, die dies mit sich brachte: „Die Probleme des letzten Jahres resultierten in mehrfachen Verlängerungen der Ablaufdaten der Zertifikate, was für Prism-Provider bei jeder neuen Implementierung der Zertifikate Millionen von Dollar an Kosten bedeuten. Diese Kosten wurden von den Special Source Operations gedeckt“, heißt es in dem Newsletter.

Die Abteilung Special Source Operations wurde von Snowden als „Kronjuwel“ der NSA bezeichnet. Sie ist zuständig für alle Überwachungsprogramme, die sich wie Prism auf „Unternehmenspartnerschaften“ mit Telekommunikations- und Internet-Providern stützen, um Zugang zu Kommunikationsdaten zu erhalten.

Die Erkenntnis, dass Steuergelder verwendet wurden, um die Unkosten zu decken, die den Firmen durch ihre Mitwirkung entstanden, lässt neue Fragen bezüglich des Verhältnisses zwischen dem Silicon Valley und der NSA aufkommen. Seit der Guardian und Washington Post am 06. Juni erstmals die Existenz des Späh-Programms enthüllten, haben die betreffenden Unternehmen mehrfach jedes Wissen darüber bestritten. Nutzerdaten würden ausschließlich auf bestimmte, rechtmäßige Anfragen der Behörden ausgehändigt, hieß es stets.

Der Guardian bat jedes der Unternehmen, auf das neue Material zu reagieren. Jedem Unternehmen wurden spezifische Fragen über das Ausmaß der ihnen entstandenen Kosten und die Form der Wiedergutmachung gestellt. Außerdem fragte der Guardian, ob sie in Zusammenhang mit Prism weitere Zahlungen erhalten hätten.

Ein Yahoo-Sprecher antwortete: „Das Bundesgesetz verlangt von der US-Regierung, Anbietern die Erstattung der Kosten, die bei der Befolgung der von der Regierung auferlegten rechtlichen Verpflichtungen entstehen. Wir haben die Kostenerstattung gemäß diesem Gesetz beantragt."

Facebook hingegen gab an man habe „niemals irgendwelche Kompensationen im Zusammenhang mit einer Datenanfrage der Regierung erhalten.“

Google beantwortete keine der Fragen, die der Guardian dem Unternehmen stellte. In einer allgemeinen Stellungnahmen bestritt der Internet-Gigant jegliche Beteiligung an Prism oder anderen Spähprogrammen. Das Unternehmen warte noch darauf, dass die US-Regierung auf sein Gesuch reagiere, mehr Informationen zu Datenanfragen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit zu veröffentlichen. Diese würden „zeigen, dass unsere Befolgung der amerikanischen Gesetze zur nationalen Sicherheit längst nicht den wilden Behauptungen entspricht, die weiter in der Presse aufgestellt werden.“

Microsoft beantragt eigenen Angaben zufolge bei der US-Regierung je nach Fall eine Entschädigung: „Microsoft kommt den Gerichtsanordnungen nur nach, weil das Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet ist - nicht weil es dafür Entschädigung erhält. Eine sachkundigere Diskussion dieser Themen wäre möglich, wenn die Provider weitere Informationen, wie etwa Gesamtstatistiken über die Anzahl von Anfragen der Regierung, veröffentlichen könnten.“

Diese Aussagen zeugen einmal mehr von der Kluft zwischen der Darstellung der NSA und den Aussagen der betreffenden Unternehmen.

Prism operiert unter dem Paragraphen 702 des Foreign Intelligence Surveillance Act (Fisa; dt.: Gesetz zum Abhören in der Auslandsaufklärung). Dieser befugt die NSA, die Kommunikation ausländischer Bürger ohne Genehmigung abzuhören, wenn davon ausgegangen wird, dass diese sich nicht auf US-amerikanischem Staatsgebiet befinden.

Die Snowden-Leaks haben jedoch gezeigt, dass im Zuge dieser Operationen in großem Umfang US-amerikanische E-Mails und Telefongespräche abgefangen wurden – bewusst, weil die betreffenden Personen im Kontakt mit anderen standen, die vom Auslandsgeheimdienst überwacht wurden. Oder unabsichtlich, weil die NSA nicht in der Lage ist, rein inneramerikanische Kommunikation heraus zu filtern.

In der vergangenen Woche veröffentlichte die Washington Post Dokumente, denen zufolge die NSA jedes Jahr tausende Male gegen den Datenschutz verstößt. Hingegen hatten Barack Obama und hochrangige Geheimdienstbeschäftigte immer wieder beteuert, es gebe keine Belege für die ungenehmigte Überwachung von Amerikanern.

Das nun freigegebene Urteil des damaligen obersten Fisa-Richters John Bates lässt auch ernsthafte Probleme beim Umgang der NSA mit den bei genehmigten Auslandsaufklärungsoperationen versehentlich abgefangen US-amerikanischen Kommunikationsdaten erkennen.

Im Urteil heißt es, die NSA habe in den drei Jahren vor dem Eingreifen des Gerichts jährlich 56.000 rein US-amerikanische Kommunikationen abgefangen. Zudem rügte Bates den Geheimdienst dafür, das wahre Ausmaß eines großen Spähprogramms zum dritten Mal in drei Jahren falsch dargestellt zu haben.

Aus den NSA-Newslettern geht hervor, die Geheimdienstler hätten als Reaktion auf das Urteil an einer „konservativen Lösung“ gearbeitet, bei der „Erhebungen mit erhöhten Risiken ausgesondert“ würden. Gleichzeitig erwägte der Chef-Justiziar der NSA, Berufung einzulegen.

Der Guardian hat das Weiße Haus, die NSA und das Büro des Leiters des US-Inlandsgeheimdienstes über das Vorhaben informiert, die Dokumente zu veröffentlichen. Außerdem fragte der Guardian an, ob der Geheimdienst routinemäßig für alle den Providern entstehenden Kosten aufkomme und in welcher Höhe den USA insgesamt Kosten entstünden.

Die NSA lehnte einen Kommentar ab und beantragte lediglich die Unkenntlichmachung des Namens eines einzelnen Mitarbeiters, der in den Dokumenten auftauchte.

Unterdessen berichtet der Spiegel, dass die NSA ebenfalls die Zentrale der Vereinten Nationen in New York abgehört hat, obwohl ein Abkommen dies untersagt.

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Geschrieben von

Ewan McAskill | The Guardian

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