Im Mai 2016 – kurz vor dem Brexit-Referendum – lief ich zu Fuß fast 550 Kilometer von Liverpool nach London, um herauszufinden, was meinem Land gerade passierte. Ich folgte dabei der Route eines Protestmarsches gegen Arbeitslosigkeit, den mein verstorbener Vater im Jahr 1981 mitorganisiert hatte. Damals hatte die Politik der Tory-Partei Englands Industrie verwüstet und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schießen lassen. Im Jahr 2016 besiegelten die Tories mit ihrer Austeritätspolitik das Schicksal derselben betroffenen Landstriche.
Trotzdem war ich auf meiner Wanderung schockiert vom Ausmaß der Armut, von der schieren Zahl der Obdachlosen und den trostlosen Fußgängerzonen, wo sich mit Brettern vernagelte Geschäfte, Pubs, Zahltag-Kredithaie und Wettbüros aneinanderreihten. Die Menschen in den deindustrialisierten Städten erzählten von ihrer Wut und dem Gefühl, betrogen worden zu sein, vergessen von den Politikern in Westminster. Sie erzählten davon, wie ihre Viertel kaputtgegangen waren, als die Fabriken, die die Menschen hier ernährt hatten, entweder dichtmachten oder ihre Produktion in Niedriglohnländer verlagerten.
Fast alle, mit denen ich in diesen Städten sprach, sagten, sie würden für den Brexit stimmen. Sie redeten davon, „das Steuer wieder selbst in die Hand zu nehmen“, was angesichts der industriellen Verwüstung ringsherum einigen Sinn machte. In Wahrheit aber ging es für die Mehrheit von ihnen in der EU-Frage eigentlich um ihre eigenen Nöte.
Einen kurzen Augenblick lang schien es so, als würden die Tories das begreifen. Als Theresa May am 13. Juli 2016 Premierministerin wurde, nachdem sich David Cameron aus dem Post-Referendum-Gemetzel durch seinen Rücktritt abgesetzt hatte, wandte May sich an all die, „die sich gerade so über Wasser halten“. Sie versprach: Die Regierung werde „sich nicht von den Interessen der wenigen Privilegierten, sondern von Ihren Interessen leiten lassen ... Wenn wir Grundsatzentscheidungen treffen, werden wir nicht an die Mächtigen denken, sondern an Sie.“
Die Rachitis kehrt zurück
Das Problem ist nur, dass wir seither eine vom Brexit gelähmte Regierung haben, die de facto gar nicht mehr regiert. Stattdessen herrschen Dauerkrisen in den meisten Politikbereichen, angefangen vom Wohnen, dem Nahverkehr, den Gefängnissen, dem Sozialstaat bis hin zu Gesundheit und Bildung. Die Zahl der Obdachlosen ist dramatisch gestiegen, ebenso die Nachfrage an den Tafeln. In Teile unserer Innenstädte kehren an Charles Dickens gemahnende Krankheiten wie Rachitis und Beriberi zurück. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Politik den Pro-Brexit-Wählern eigentlich konkrete Vorschläge zur Neuausrichtung unserer stark auf Dienstleistungen und den Südosten konzentrierten Wirtschaft vorlegen sollte, kriegen wir „more of the same“: Turbo-Austerität. Brexit-Gegner, die sich für ein zweites Referendum einsetzen, sollten sich fragen, ob auch nur im entferntesten irgendetwas dafür getan wurde, um die Wut abzuschwächen, die zu dem Ergebnis vom Juni 2016 geführt hat.
Diese Wut hat lange, tiefe Wurzeln. Auf meiner Wanderung sprach ich mit Immobilienmaklern, die mir erzählten, dass Investoren aus wohlhabenderen Gegenden ganze Häuserreihen aufkauften, bar bezahlten und Ortsansässige einfach überboten. Mieter auf dem privaten Markt mussten jetzt 52 Prozent ihres Einkommens für Miete aufbringen, verglichen mit sieben Prozent im Jahr 1981. Dank des „Vorkaufsrecht für Mieter“-Programms der Tories ist die Zahl der Immobilien in öffentlicher Hand von fünf Millionen Anfang der 1980er auf 1,7 Millionen gesunken und wird es wohl weiter tun.
In Stoke-on-Trent in Staffordshire in den Midlands – wo 69 Prozent pro Brexit stimmten – arbeiteten noch Ende der 1970er Jahre rund 60.000 Menschen in der Keramikindustrie. Dann wurde die Produktion nach Ostasien ausgelagert, sodass 2016 nur noch 8.000 Arbeitsplätze übrig waren. In Stoke lief ich damals auch am Bet365-Stadion vorbei, dem Stammstadion der Fußballmannsschaft Stoke City, benannt nach dem Wettunternehmen Bet365. Bet365 – mittlerweile der größte private Arbeitgeber in Stoke – erwirtschaftet den größten Teil seiner Einnahmen von finanzschwachen Kunden. In einer Stadt, in der fast 40 Prozent der Haushalte mit weniger als 16.000 Pfund (umgerechnet 18.194 Euro) im Jahr auskommen müssen und 3.000 Menschen von den Tafeln abhängig waren, verdiente Bet365-Chefin Denise Coates ein Gehalt von mehr als 675.000 Euro – pro Tag, oder 250 Millionen Euro pro Jahr. „Es herrscht ein Gefühl der Ohnmacht, das alles durchdringt“, erklärte mir der Leiter der örtlichen YMCA-Zweigstelle. „Die Leute warten darauf, dass jemand sie rettet.“ Er wusste, dass es eine vergebliche Hoffnung war.
In der 170.000-Einwohner-Stadt Walsall, die zu 68 Prozent für den Brexit abgestimmt hatte, erzählte mir der Labour-Bürgermeister davon, welche Löcher die Austeritätspolitik der Tories in den Haushalt der Stadt gerissen hat. In naher Zukunft werde seine Gemeinde nicht mehr imstande sein, mehr als das Minimalprogramm der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialfürsorge für Erwachsene und einige Leistungen für Kinder zu erbringen. „Bis vor Kurzem war die Stadtverwaltung für die Einwohner ein Freund, der einem hilft und einen schützt ... jetzt sind wir der gehasste Feind.“
Die Entmachtung der Lokalverwaltung hat Großbritannien in eines der zentralisiertesten Länder Europas verwandelt. „Der Vormarsch eines neoliberalen Konsenses in Großbritannien war ein gegen die Kommunen gerichtetes Projekt“, schrieb Tom Crewe in einem Aufsatz für die London Review on Books. „Austerität ist der logische Endpunkt des Thatcherismus. Die Leute können nicht mehr davon ausgehen, dass die Dienstleistungen, für die sie bezahlen, in ihrem Interesse angeboten werden. Stattdessen zählen nur noch die Interessen der Aktionäre.“
Büchereien, Museen: alles zu
Ich wanderte weiter, vorbei an privatisierten Parks, an geschlossenen Büchereien und Museen; an einer Grundschule, vor der ein Schild die Eltern um Spenden bat, um die Budgetkürzungen für die Schule aufzufangen. In der 70.000-Einwohner-Stadt Nuneaton in Warwickshire, die zu 66 Prozent für den Brexit gestimmt hat, traf ich einen Mann, der die Namen der geschlossenen Fabriken der Stadt herunterratterte, als ginge es um die beste Startelf aller Zeiten seines Lieblingsfußballteams. Er schimpfte gegen die im Vergleich zum Rest des Landes hohen Summen, die für Infrastrukturprojekte im Südosten Englands ausgegeben wurden. Laut Zahlen des Think-Tanks IPPR von 2014 waren es für jeden Londoner 5.426 Pfund im Jahr, verglichen mit 223 Pfund pro Kopf im Nordosten. Dann sagte der Mann, er werde für den Brexit stimmen. Aber das könnte die Wirtschaftslage noch prekärer machen, wandte ich ein. Er schwieg einen Moment, dann wurden seine Augen schmal. „Wenn die Wirtschaft den Bach runtergeht“, sagte er, „dann merken diese Bastarde in London wenigstens endlich mal, wie es sich für uns anfühlt.“
Später wanderte ich durch das County Northamptonshire, das zu 59 Prozent für den Brexit gestimmt hat. Hier hatte der Tory-Bezirksrat vor kurzem seine Angestellten von 4.000 auf 150 reduziert. Er war damit der erste Bezirksrat in Großbritannien, der sämtliche Dienstleistungen an private Dienstleister ausgelagert und sich selbst auf die Rolle des Auftraggebers beschränkt hat. Andere Bezirksräte überlegen, ob sie seinem Vorbild folgen sollen. Im Februar 2018 erklärte sich der Council für bankrott. Auch damit wird er nicht allein bleiben.
In ihrem 2007 erschienenen Buch Die Schock-Strategie beschäftigte sich Naomi Klein mit dem Aufstieg des Katastrophenkapitalismus. In Großbritannien und den USA wurde er 1979 beziehungsweise 1980 mit dem Versprechen eingeführt, eine steigende Flut hebe alle Boote. Laut Klein war das Ergebnis immer das Gleiche: Eine kleine Gruppe profitierte und zog einen immer größeren Teil des Wohlstandes an sich. Gleichzeitig wurden große Teile der Bevölkerung abgehängt und sich selbst überlassen angesichts maroder Infrastruktur, sinkenden Einkommen und entweder steigender Arbeitslosigkeit oder wachsender prekärer Erwerbsarbeit.
Ende 2018 reiste der UNO-Sonderberichterstatter zu extremer Armut, Philip Alston, zwei Wochen lang durch Großbritannien. In seinem Bericht zitierte Alston Zahlen des Institute for Fiscal Studies und der Joseph-Rowntree-Stiftung, nach denen 14 Millionen Menschen in Großbritannien in Armut und 1,5 Millionen in völliger Mittellosigkeit leben. Alston schloss, dass die britische Regierung durch „rigide, bösartige und häufig herzlose“ Sparmaßnahmen „große Not“ über die Menschen gebracht habe und dass in Großbritannien Armut die Folge einer politische Entscheidung sei.
Im Jahr 1976 hatte Großbritannien nach drei Jahrzehnten „Nachkriegskonsens“ einen Höchststand an Gleichheit innerhalb der Gesellschaft erreicht, so eine Wirtschaftsstudie aus dem Jahr 2013. Vierzig Jahre Neoliberalismus haben das zerstört.
Die große Mehrheit der Menschen in Großbritannien befürwortet die Wiederverstaatlichung der Grundversorgungsunternehmen – eine YouGov-Umfrage im Jahr 2017 ergab, dass nur 25 Prozent der Befragten meinen, die Bahn solle ein privates Unternehmen sein. Beim Energieversorger waren es 31 Prozent. Die Menschen wollen ein angemessen finanziertes Gesundheits- und Bildungssystem, sie wollen in einem Land leben, in dem sie keine Angst haben müssen, alt oder krank zu werden. Sie wollen Arbeitsplätze, die sinnvoll sind und wertvoll und sicher. Sie wollen das Gefühl haben, dass die Politiker entscheiden, nicht die Unternehmen, auf deren Gehaltslisten die Politiker stehen. Viele wünschen sich auch – ob es der Linken gefällt oder nicht – eine Diskussion über Einwanderung.
Der Brexit wird nichts davon erreichen. So wie er derzeit von der Rechten vorangetrieben wird, ist er die letzte Drehung jener Abwärtsspirale, die vor 40 Jahren begonnen hat. Darauf gibt es keine einfachen Antworten. Aber solange unsere Politiker nicht einsehen, dass das globalisierte neoliberale Wirtschaftsmodell für die Menschen und den Planeten ein Verhängnis ist, so lange wird unsere Wut nicht vergehen, so lange werden wir empfänglich bleiben für scheinbar harmlose, letztendlich aber spalterische und vergiftete Parolen. Und vielleicht ist genau das der Punkt.
Kommentare 37
Der Artikel lässt mich ratlos. Der Grundstein für die britische Deindustrialisierungspolitik ging ja dem europäischen Einigungsprozess voraus, weshalb die EU daran nicht schuld sein kann, und auch die spätere Umgestaltung des Landes nach dem neoliberalen Dogma war ein Projekt der englischen Regierungen. Wenn aber die EU an der Misere keine Schuld trifft, wieso erhoffen sich denn dann die Betroffenen vom Brexit eine Besserung ihrer Lage?
Es ist schon erstaunlich, dass das britische Volk weiterhin mehrheitlich die Konservativen wählt und mehrheitlich für den Brexit gestimmt hat.
||| Wenn aber die EU an der Misere keine Schuld trifft, wieso erhoffen sich denn dann die Betroffenen vom Brexit eine Besserung ihrer Lage? |||
Weil sie sehen, dass die EU den gleichen Weg nimmt, wie ihn Großbritannien schon beinahe zu Ende gegangen ist.
Vielen Dank für diesen Artikel, lässt doch die Berichterstattung in manchen Medien denken in England gäbe es plötztlich nur noch Contra Brexit Stimmen. Wahrscheinlich würde eine neue Abstimmung über den Brexit auch nur wieder ein ähnliches Ergebnis produzieren, neben einem gewaltigen Schaden für die direkte Demokratie. Die Ursachen liegen wie der Artikel richtig beschreibt tiefer, als nur in der Ablehnung europäischer Ideale oder Nationalismus. Eine seit Jahrzehnten andauernde verschlechterung der Lebensbedingungen in vielen Gegenden, ignoriert vom neoliberalen Leitgedanken der politischen Eliten in London. Während ein kleiner Teil immmer reicher wird, verarmen ganze Landstriche. Willkommen im Utopia des Neoliberalismus.
@Hans Sch.
"Wenn aber die EU an der Misere keine Schuld trifft, wieso erhoffen sich denn dann die Betroffenen vom Brexit eine Besserung ihrer Lage?"
Zum Beispiel weil der Neoliberalismus auch die EU von Kopf bis Fuß durchdrungen hat. Klar, die Probleme in GB sind seit Thatcher hausgemacht. Allerdings fordern heutzutage nicht EU Gesetze europaweite Ausschreibungen und eine Privatisierung selbst der letzten wichtigen Infrastruktur ?
Thatchers Politik, seit 1979, hatte katastrophale Folgen für die Briten, das ist bekannt: Deindustriealisierung des Landes, Arbeitslosigkei, ,, aristokratische,, Armut u.ä.
Jedoch die gleiche..,,rigide, bösartige und herzlose,, Austeritätspolitik hat auch die EU verfolgt, vor allem seit Anfang der Krise, 2008, mit den "Dirigenten" WOLFgang und Merkel. Das Ergebnis dieser absurden Politik war nicht nur die Veramung breiter Massen in ganz Europa, sondern, was noch schlimmer sit, die Steigerung der Populisten, Rechtsextremisten und Faschisten in allen europäischen Ländern. Auch in Deutschland. Die AfD z.B. ist ein "Produkt" der Krise, des Neoliberalismus und der Austerität. Dazu auch das Flüchtlingsproblem.
Wir sollten uns nicht wundern, wenn wir in der nahen Zukunft in Europa, totalitäre Regime und Diktatoren wie Erdogan, auf ..."demokratischer" Weise bekommen !
Am 26. Mai 2019, werden die europäischen Bürger ein neues Europa-Parlamet wählen... Europa wird bestimmt noch dunklerer werden, denn die ausweglose Austeritätspolitik führt zu Finsternis...
Thatchers Politik, seit 1979, hatte katastrophale Folgen für die Briten, das ist bekannt: Deindustriealisierung des Landes, Arbeitslosigkei, ,, aristokratische,, Armut u.ä.
Jedoch die gleiche..,,rigide, bösartige und herzlose,, Austeritätspolitik hat auch die EU verfolgt, vor allem seit Anfang der Krise, 2008, mit den "Dirigenten" WOLFgang und Merkel. Das Ergebnis dieser absurden Politik war nicht nur die Veramung breiter Massen in ganz Europa, sondern, was noch schlimmer sit, die Steigerung der Populisten, Rechtsextremisten und Faschisten in allen europäischen Ländern. Auch in Deutschland. Die AfD z.B. ist ein "Produkt" der Krise, des Neoliberalismus und der Austerität. Dazu auch das Flüchtlingsproblem.
Wir sollten uns nicht wundern, wenn wir in der nahen Zukunft in Europa, totalitäre Regime und Diktatoren wie Erdogan, auf ..."demokratischer" Weise bekommen !
Am 26. Mai 2019, werden die europäischen Bürger ein neues Europa-Parlamet wählen... Europa wird bestimmt noch dunklerer werden, denn die ausweglose Austeritätspolitik führt zu Finsternis...
Thatchers Politik, seit 1979, hatte katastrophale Folgen für die Briten, das ist bekannt: Deindustriealisierung des Landes, Arbeitslosigkei, ,, aristokratische,, Armut u.ä.
Jedoch die gleiche..,,rigide, bösartige und herzlose,, Austeritätspolitik hat auch die EU verfolgt, vor allem seit Anfang der Krise, 2008, mit den "Dirigenten" WOLFgang und Merkel. Das Ergebnis dieser absurden Politik war nicht nur die Veramung breiter Massen in ganz Europa, sondern, was noch schlimmer sit, die Steigerung der Populisten, Rechtsextremisten und Faschisten in allen europäischen Ländern. Auch in Deutschland. Die AfD z.B. ist ein "Produkt" der Krise, des Neoliberalismus und der Austerität. Dazu auch das Flüchtlingsproblem.
Wir sollten uns nicht wundern, wenn wir in der nahen Zukunft in Europa, totalitäre Regime und Diktatoren wie Erdogan, auf ..."demokratischer" Weise bekommen !
Am 26. Mai 2019, werden die europäischen Bürger ein neues Europa-Parlamet wählen... Europa wird bestimmt noch dunklerer werden, denn die ausweglose Austeritätspolitik führt zu Finsternis...
Aber, lieber Mike Carter, dann erklären Sie uns doch bitte, warum bei einer Neuwahl ein Sieg von Corbyn und Labour mehr als unsicher wäre? Wieso zum Teufel wählt eine Mehrheit trotzdem und immer noch und seit Jahren konservativ???
Ich verstehe Ihre Ratlosigkeit. Und das Klammern an die Einsichtsfähigkeit „unserer Politiker“ des Beitragsautors. Aber warum sollten gerade die ein Einsehen haben. Es ist schlimmer und gleichzeitig weniger schlimm, als Sie meinen. Man sollte die Vernunft der Menschen weder über- noch unterschätzen.
Wir leben im Endspiel des Kapitalismus. Marx verdanken wir die vielleicht wichtigsten Einsichten in das Sozialwesen Mensch. Das sind seine allseits bekannten Aussagen über „das Sein bestimmt das Bewußtsein“ sowie über die Macht der Ideologie. Sie verweisen auf die Möglichkeit der gesellschaftlichen Befreiung, aber Marx selbst war als Kind der beginnenden Neuzeit mit ihrer Öffnung des Möglichkeitsraums zu optimistisch, auch er hat, die Tiefenstrukturen der bürgerlichen Welt durchschauend, den Kapitalismus immer noch unterschätzt.
Vernunft ist ein abgeleitetes Phänomen, sie ist die Selbstreflexion des Seins, sie kann sich (auf ihrem Weg zur Autonomie, wenn es den gibt) immer nur ein Stück weit vom Sein lösen. Wenn Brexitanhänger sagen, „wir wollen nicht mehr fremdbestimmt sein“, meinen sie tatsächlich: „ich will nicht mehr fremdbestimmt sein“. Die lebenslange Sozialisation des Kapitalismus hat dazu geführt, daß die Menschen sich im Grunde nur noch als Individuen sehen können. Ein bißchen registrieren sie, daß es anderen so ergeht, wie ihnen selbst, aber mehr „Wir“ ist nicht, das gesellschaftliche „Wir“ bleibt unsichtbar. Sie sagen nicht, „in einer reichen Gesellschaft darf es keine Armut mehr geben“, sondern „unser Land wird immer reicher, warum geht es mir dann immer schlechter?“. Natürlich war der erste große Schub der Verarmung Großbritanniens vor der EU, aber die EU, und damit die Globalisierung, hat diesen Prozeß nicht aufgehalten. Und da erinnert man sich an die Zeiten nationaler Größe, als auch die Einzelnen noch Hoffnung auf ein immer besseres Leben haben konnten. Es wird im „make USA/GB great again“ vergessen, daß die Zeit der explosionsartigen Produktivkraftsteigerung durch die technisch-industrielle Revolution und der Entwicklung des Welthandels sowie die Zeit des kolonialistischen Imperialismus vorbei ist, das Rad der Geschichte nicht zurückgeschraubt werden kann. Auf der Gegenseite hält man an der Erfahrung des globalistischen Fortschritts fest, der die Entwicklung zunehmend Hohn spricht. Wenn man das Ganze in den Blick bekäme, wenn man sich, globalistisch oder nationalistisch, die Frage stellte, „wie kann es den inakzeptabel armen Armen besser gehen, wenn wir nicht die unverschämt Reichen enteignen?“, könnte sich die Vernunft Bahn brechen. Aber die Ideologie hält beide Seiten in Illusionen, die bürgerliche Gesellschaft ist auf sinnlose Weise gespalten und kann sich in einen absurden Bürgerkrieg hineinsteigern.
Es ist für Linke frustrierend, daß es kaum Hoffnung auf einen Ausstieg aus der auf einem rationalen Vorteilsdenken beruhenden Unvernunft in eine universale Vernunft gibt. Trotzdem bleiben, da es für den Kapitalismus keine Möglichkeit gibt, den Bedarf an ökonomischem Wachstum und die Erhaltung der natürlichen Grundlagen der Wirtschaft in ein stabiles Gleichgewicht zu bringen, die einzigen realistischen Perspektiven: 1. die kapitalistische Ordnung bricht in einer krisenhaften Zuspitzung zusammen und die Menschen sind gezwungen, sich neu zu organisieren, oder 2. die Gesellschaft kommt mehrheitlich zur Vernunft und gründet sich neu als eine Solidargemeinschaft, wie sie seit der Aufklärung angedacht war, eine neue, postkapitalistische Gesellschaftsform, die man Sozialismus oder Kommunismus genannt hat. Wie eine Zukunft in der Version 1 aussieht, ist völlig ungewiß, das könnte schlimmstenfalls ein Faschismus sein. Daher sollten wir uns bemühen, daß es zur Version 2 kommt.
Wir haben nur das Problem, daß der 2. Version kaum noch einer traut, da das Ergebnis bisher noch schlimmer war.
Dass auch die EU vom Siegeszug des Neoliberalismus 1980ff nicht unbeeinflusst blieb, bedeutet nicht, dass sie davon die Ursache ist oder dass eine Auflösung der EU den Neoliberalismus schwächen würde. Die EU hat die deutsche Arbeitsmarktreform und die Liberalisierung des Finanzmarktes nicht gegen den heftigen Widerstand von Schröder und Fischer durchsetzen müssen, sie hat Macron nicht gezwungen, die Vermögenssteuer abzuschaffen und die Mehrwertsteuer zu erhöhen, und sie verbietet Irland auch nicht, von Großkonzernen Steuern zu erheben. Nichts davon hat die EU verursacht, alles davon hätte auch ohne EU stattgefunden. Was es nicht ohne EU geben würde, wäre ein Binnenmarkt. Es gäbe also Zölle, die ähnlich auf die Kaufkraft wirken würden wie die sozial ungerechte Mehrwertsteuer. Und ohne die EU gäbe es auch keine Niederlassungsfreiheit. Wer dagegen ist, wird sich gegen die EU stellen. Auch wer gegen die (ausstehende) Angleichung der Lebensbedingungen, der Sozialsysteme, der Steuern, der Versicherungen, der Umweltgesetze etc. ist, sollte sich gegen die EU stellen. Denn dies muss und sollte stattfinden. Wer dagegen den Neoliberalismus bekämpfen will, sollte dies besser gemeinsam mit allen anderen Europäern machen, denn dieser Feind sitzt nicht nur im eigenen Haus, sondern auch in anderen Machtzentren jenseits der Meere. Eine gemeinsame Währung, ein 500 Millionen Menschen umfassender Markt und ein - vergleichsweise - funktionierendes Sozialsystem hilft dabei, auf Augenhöhe zu verhandeln.
"Weil sie sehen, dass die EU den gleichen Weg nimmt, wie ihn Großbritannien schon beinahe zu Ende gegangen ist."
Nein, anders herum. Der City of London war die EU, in Tateinheit mit den britischen Regierungen, nie neoliberal genug.
Der Großraum London ist nicht Großbritannien. Die Brexitbefürworter verbinden keinerlei Hoffnung mehr mit einer Mitgliedschaft in der EU. Verdenken kann ich es ihnen nicht. Oder erleben Sie die EU als Quell sozialer Sicherheit durch moderatem Wohlstand für alle?
''Wenn wir Grundsatzentscheidungen treffen, werden wir nicht an die Mächtigen denken, sondern an Sie.“ (May)
Die üblichen Sprüche der gesellschaftspolitischen Administration der Bourgeoisie. In Großbritannien wie in Deutschland.
»Mieter auf dem privaten Markt mussten jetzt 52 Prozent ihres Einkommens für Miete aufbringen, verglichen mit sieben Prozent im Jahr 1981.« = für die unteren sozialen Schichten: die britisch-deutsche Analogie.
»sämtliche Dienstleistungen an private Dienstleister ausgelagert«
»14 Millionen Menschen in Großbritannien in Armut und 1,5 Millionen in völliger Mittellosigkeit«
Clara Zetkin: „Nein, wir beten die Gewalt nicht an, jedoch wir rechnen mit ihr, weil wir mit ihr rechnen müssen. Sie ist da und spielt ihre geschichtliche Rolle, ob wir wollen oder nicht. –– Es fragt sich nur, ob wir sie widerstandslos erdulden oder ob wir sie kämpfend überwinden wollen.“
27.03.2019, R.S.
Den Satz, der Neoliberalismus habe die EU von Kopf bis Fuß durchdrungen, kann ich unterschreiben (die EZB ist ein Sonderfall, obwohl sie von Neoliberalen geleitet wird). Ich verteidige also nicht die Politik der EU(-Kommission), sondern wende mich gegen die Camouflage des Loblieds des Nationalismus. Denn EU-Kritik zielt (fast) immer darauf ab, die Nationen als bessere Alternative darzustellen. Das sind sie nach meiner festen Überzeugung ganz sicher nicht.
Ganz so erstaunlich ist das Wahlverhalten der britischen Bevölkerung bei genauer Betrachtung nicht.
1. Sozial Abgehängte sind empfänglich für Großmachtphantasien der alten Kolonialmacht, die ihnen vorgaukeln, trotz allen Elends als Teil des United Kingdoms immer noch über anderen Nationen und gleichzeitig auch über den Immigranten zu stehen.
2. Die britische Kampfpresse machte unentwegt Stimmung für die Austeritätspolitik und bekämpft eine mögliche Alternative Corbyn mit allen Mitteln, u.a. mit der Antisemitismus-Keule.
3. Die Labour Party ist z.T. immer noch diskreditiert durch Tony Blair mit seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik und seinen Lügen für den Eintritt in den Irak-Krieg.
4. Die Wahlbeteiligung der sozial Abgehängten ist in der Regel niedriger als die anderer Bevölkerungsgruppen und die von der Austeritätspolitik profitierenden Milliardäre investieren viel Geld in die Wahlkämpfe und beherrschen die meisten Medien.
dann wohl doch version 1, faschismus war zwar das schlimmste bisher, aber macht ja nichts. die kapitalfraktion wird sich freuen, besser als enteignung ists allemal.
die frage ist, was genau so schlimm war an version 2, und warum es schlimm war. darüber lohnt es sich, ohne die üblichen bürgerlichen tabus zu diskutieren. würde aber wohl diesen rahmen hier sprengen.
"endspiel des kapitalismus" > hm, so sicher bin ich mir da nicht.
sie schreiben, dass marx den kap. unterschätzt hat. ich befürchte sie tun gerade dasselbe.
bei staatsquoten von 30% (uk)- über 50% (f/skandinavien) innerhalb der eu gibt es noch jede menge zu kapitalisieren. ist ja auch in der eu-verfassung verankert (öffentliche dienstleistungen...).
global betrachtet gibt es noch viel unbeackertes land, in wortwörtlicher wie in übertragener hinsicht. da gibt es wahrscheinlich kapitalisierungsmöglichkeiten, von wir heute noch nicht mal ahnen, dass es sie gibt.
es ist also noch viel luft im "marktgeschehen", und möglicherweise kommt der ökologische dem ökonomischen kollaps zuvor.
die frage ist, wie lang die leute sich das alles noch gefallen lassen, und wie die privilegierten reagieren, wenn sie es sich nicht mehr gefallen lassen (die eher harmlosen gelbwesten mit ausgeschossenen augen und weggesprengten händen geben da evtl. einen kleinen vorgeschmack).
dabei ist zu beachten, dass es außer den sozialistischen/warschauer pakt eliten bisher keine eliten gab, die kampflos ihre privilegien verringert/aufgegeben haben.
also thema vernunft/abgeben/solidarität vs. unvernunft/bürgerkrieg/faschismus, wie sie schon feststellten.
"... da gibt es wahrscheinlich kapitalisierungsmöglichkeiten, von wir heute noch nicht mal ahnen, dass es sie gibt."
Was mit dem Wasser möglich ist, funktioniert ja vielleicht auch mit der Luft zum Atmen - mit einem Aufschlag für die bessere Landluft.
Oder wie wäre es mit einer Gebühr für das Benutzen der Gehwege analog zur Autobahnmaut?
Wir sind noch lange nicht am Ende.....
Solange sich die Wut, nur unter den Betroffenen Bahn bricht, lehnen sich doch die Verantwortlichen genüsslich zurück, und warten bis sich das Volk gegenseitig, abschlachtet Und wenn die Verantwortlichen und deren Paläste angegriffen werden sollten, kommt das Militär im Innern zum Einsatz. Negativ Vorbild die sog. Gelbwesten in Frankreich. Deshalb solange die Mehrheit nicht begreift oder begreifen will, dass es nichts bringt, weiterhin nach Oben zu buckeln und nach Unten zu treten, wird sich nichts ändern.
Allerdings frage ich mich, ob es vielleicht nötig ist die EU platzen zu lassen um dann eine neue Union aufzubauen, die nicht mehr auf die private Kapitalrendite fokussiert ist. Denn dass die EU reformiert werden kann scheint doch sehr unwahrscheinlich. Allerdings wären dann in den Einzelstaaten andere Regierungen als die Derzeitigen nötig, denn diese Regierungen sind es ja, die die EU auf das Primat des privaten Profites ausrichten.
Als europäische Institution erhaltenswert wäre eventuell der EuGH.
Oder könnten vernunftgeleitete Wahlen in den Einzelstaaten doch zu einem Umsteuern der EU führen? Es müsste mal konkret erwogen werden auf welchem Weg eher Fortschritte zu erwarten wären.
>>Was mit dem Wasser möglich ist, funktioniert ja vielleicht auch mit der Luft zum Atmen - mit einem Aufschlag für die bessere Landluft.<<
Einen Park, in dem man nur nach Bezahlen einer Eintrittsgebühr die gute Luft zwischen den Bäumen schnuppern kann hab ich schon erlebt. Komplett eingezäunt. Es fehlt nur noch dass Schild für die Opfer des Hartz4-Systems: "Wir müssen draussen bleiben".
Es ist natürlich eine Definitionsfrage, ab wann man von einem Endspiel reden kann. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß es noch einmal zu einem großen Sprung in der Produktivkraftentwicklung kommt, die technischen Möglichkeiten haben eine gewisse Sättigung erreicht, eine neue regenerative und billige Energie ist nicht in Sicht. Die Staatsverschuldungen sind so exorbitant, daß jede Konjunkturdelle eine panische Kettenreaktion auslösen kann. Privatisierung und Kapitalisierung ist möglich, aber immer mit einer Verarmung der Masse der jetzt schon Armen verbunden. Das sind die Punkte, wo die Strukturerhaltung des Systems unmöglich werden kann. Und wenn man trotzdem noch nicht von Endspiel reden mag, ist es nur eine Frage der Zeit, wann der Punkt der unaufhaltsamen Selbstzerstörung überschritten ist. Ob das entscheidende fallende Steinchen in dem Gebäude nun der ökologische, der soziale oder der massenpsychologische Kollaps ist, ist von sekundärer Bedeutung. Na, vielleicht wird ja die alle glücklich machende nebenwirkungsfreie Pille entdeckt, dann legt der Kapitalismus vor seinem Ende noch eine Wachkomaphase ein.
Kann sein, daß wir zu einem Weg 2 zu schwach sind, aber versuchen müssen wir es doch wenigstens. Da reiche ich noch eine Antwort an Montaine Duvall nach:
@ Montaine Duvall
Schlimmer als was? War Stalin, der aus der KP kam, schlimmer als Hitler, der aus der Mitte der (klein)bürgerlichen Gesellschaft kam? Hat sich die UdSSR mal von Stalin abgesehen schlechter entwickelt als ein vergleichbar rückständiges Großflächenland? Ist das von den USA und der eigenen Oberschicht maltraitierte Venezuela ein Beispiel für das Scheitern der Linken? Selbstverständlich war und ist vieles, wo „links“ draufsteht, nicht links. Und wir sollten verstanden haben, daß man bei uns eine Gesellschaft in der Version 2 nur mit Zustimmung und dem starken Willen der Bevölkerungsmehrheit in Angriff nehmen kann. Das ist in der Tat nicht gegeben. Die Ablehnung in der Bevölkerung als weise Einsicht auszugeben, ist allerdings naiv oder dreist, dann wäre wohl die Akzeptanz unserer Politiker und des bestehenden Systems als die reinste Vernunft der Massen zu interpretieren.
Das können Sie gerne meinen, das kann eine respektable Haltung eines reformorientierten bürgerlichen Gutmenschens sein, dann sind wir trotzdem politische Gegner.
Danke, für diesen sehr bereichernden Kommentar......
Dann sind wir eben politische Gegner, macht nichts.
Ich sehe das von anderer Warte. Gerade die linken predigen immer, die gerechten, die sozialen, die Wirtschaftsweisen zu sein. DAS steht den realen Erfahrungen diametral entgegen.
Völlig egal wie man Stalin oder Venezuela mit anderen vergleicht, Fakt ist, es sollte anders werden und dies konnten die Protagonisten nicht erfüllen. Ihr Beispiel Venezuela impliziert, solange es andere oder mehrheitlich kapitalistische Staaten gibt liegt die Schuld des Scheitern immer bei diesen. Das hätte zur Folge, daß es unsinnig wäre eine linke Regierung zu haben da zum Scheitern verurteilt.
Das ist zu einfach und wäre ein immer gültige Entschuldigung für das permanente Scheitern. Wer sich die höchsten ethischen/moralischen Grundsätze auf den Leib schreibt wird daran gemessen.
Und ja, es gibt kapitalistische Länder in denen es Menschen besser geht als in allen bisherigen kommunistischen oder sozialistischen Ländern. Im Freitag oder anderen xxx kann ich Dinge schreiben die in den meisten komm/sozi Ländern nicht möglich gewesen wären oder mit Ausgrenzung, Folter oder Mord bedroht waren. Es geht nicht darum, daß es auch solche kap. Länder gibt, sondern daß gerade die linke dies in ihren Verlautbarungen ausschließt aber bisher nie umgesetzt hat sobald sich eine Machtoption eröffnete.
Insofern ist Mißtrauen berechtigt. Teile der linken sind wie die Kapitalisten nur die 2.Seite der selben Medaille.
Daher wäre es gut, die linken würden sich aufspalten um die Altlasten loszuwerden. Leider gefolgt von einer Schwächung die aber kaum zu vermeiden ist.
sie argumentieren ahistorisch, dekontextualisiert.
im sommer 1945 hatten die usa ca. 50%, westeuropa ca. 25% der weltweiten wirtschaftskraft. das gebiet des warschauerpakts ca. 15%, also 5:1.
ebenjenes gebiet hatte darüber hinaus die größten verwüstungen im wk2 zu verzeichnen: viele mio. tote, davon sehr viele junge menschen aka arbeitskräfte, plus starke zerstörung der infrastruktur. ein großteil der ostblockländer waren 1945 agrarstaaten (ausnahme ddr/cssr/ zum teil ungarn). dafür hat sich der ostblock lange gehalten.
durch das wettrüsten war der warschauerpakt, vor allem die udssr, seit ihrem bestehen eine kriegswirtschaft. sie haben, im gegensatz zu den westlichen industrieländern, bis zu über 50% ihrer wirtschaftskraft ins militär gesteckt, um nicht plattgemacht zu werden. da bleibt weniger für den rest.
zur gegenseite, den liberalen, empfehle ich ihnen das buch "freiheit als privileg" von domenico losurdo. dort erfährt man viel über die anfangstage dieser ideologie, die steht in nichts den brutalitäten des sog. real existierenden soz. nach (z.b. besitz von aktien von sklavenhandel-ags durch prominente vertreter dieser ideologie). der bürgerliche liberalismus hat zudem sehr gut auf das vorgängersystem, den erbadel, aufgesetzt. wurde eben dann durch den geldadel ersetzt.
was das thema meinungsfreiheit angeht: das ist ein zeichen einer fest etablierten struktur, die sich stabil und sicher wähnt. das war beim sozialismus nie der fall, die waren permanent bedroht, als ökonomisch von anfang an unterlegener kontrahent.
zurück zur meinungsfreiheit, die ist bedeutungslos: man kann sagen was man will, es ändert sich nichts. bzw nicht, was den interessen der privilegierten widerspricht (eine ausnahme bildet der zeitraum, in dem es einen kontrahenten gab, den sozialismus > da mussten zugeständnisse gemacht werden). und meinungsfreiheit dort, wo die ökonomsiche macht ist, nämlich in den unternehmen, ist wiederum sehr eingeschränkt (unternehmen sind mithin auch das gegenteil von demokratie). dass man seine meinung hier und woanders äußern darf, und z.b. sagen darf "politiker/in xy ist doof" zeigt, dass es eben bedeutungs- und folgenlos ist das zu sagen.
der wohlstand hier, damit auch der sog. soziale frieden, geht zu großen teilen auf eine imperalistische weltstruktur zurück. konsum ist hier im verhätlnis zum durchschnittsverdienst relativ günstig. u.a. weil in vielen produkten viel arbeit von menschen steckt, die dafür mies bezahlt werden. wir stehen an der spitze der globalen macht- und verteilungsstruktur.
das thema ökologie zu guter letzt zeigt uns den preis für den wohlstand, den sozialen frieden. ist so alles nicht mehr allzu lange haltbar. mal sehen wie lange es dann den "freien", bürgerlichen staat noch gibt.
zum themenkomplex wohlstand/imperialismus/ökologie noch dieser sehr informative und analytsicjhe text, der sich um einordnung und kontextualisierung bemüht, und dies weit besser als ich dazu i.d. lage bin:
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5247299
analytsicjhe=analytische
"Oder erleben Sie die EU als Quell sozialer Sicherheit durch moderatem Wohlstand für alle?"
Fangfrage, hab ich gemerkt. So blöd, darauf hier auch nur ansatzweise bejahend zu antworten, bin ich natürlich nicht.
Als Quell "Quell sozialer Sicherheit durch moderatem Wohlstand für alle" sehe ich selbstverständlich Nordkorea, Venezuela, alle anderen (post)sowjetischen Protektorate sowie Russland selbst, neben dem ebenso antikapitalistischen China.
Das ist die einzig richtige Antwort. Mir selbst und allen, die ich kenne und von denen ich höre, geht es abgrundtief schlecht. Nix zu fressen, kein sauberes Wasser, keine Klamotten am Arsch, kurz: halbtot. Also muss die EU zerschlagen werden. Whatever Putin wants, Putin gets. Ganz meine Meinung.
<So blöd ... bin ich natürlich nicht.>
Naja, da gehören Sie Armer zu dem 1% in dieser Gesellschaft, das nichts auf die Reihe kriegt, und sich nach der gemeinschaftlichen Armut und dem gemeinschaftlichen Stolz in Sibirien oder Nordkorea sehnt. Aber Ihre, Fischers Fru, hat doch recht, strengen Sie sich mal ein bißchen an, dann können Sie sich auch jedes Jahr einen neuen, größeren Wagen leisten. Und eine Flugreise in die pittoresken Elendsgebiete, die man bei uns schamhaft versteckt, und irgendwann mal einen Privatjet, man leistet sich ja sonst nicht viel. Und eine neuere, jüngere Frau (die immer ja sagt) obendrein. Die Sonnenseite des Lebens steht auch für Sie bereit.
schade
Ja. Aber nicht schlimm. Auf die nächste Fangfrage falle ich bestimmt wieder herein. Versprochen.
Wie Ihnen beliebt. Ihre Verblendung und ihre Erleuchtung sind gleichermaßen schwierig zu ertragen.
Das sog." Flüchtlingsproblem" ist doch hausgemacht. Wer seit nun mehr 30 Jahren alleine den Orient in die Steinzeit zurückbombt, erwartet blühende Landschaften? Wo bleiben denn die Proteste gegen die illegalen Kriege, Millionenfachen Tötungen auf Grund von Lügen im Westen?
Ist das in Resteuropa anders? Aber abgesehen davon, wer die Medien beherrscht, sprich über das nötige Geld verfügt, bekommt die Ergebnisse die man doch auch im restlichen Europa sehen kann. Ursachen und Wirkung eben nicht verwechseln.
Ich habe vor ein paar Jahren mehrere Jahre in den East Midlands gewohnt und kann die Eindrücke des Autors nur bestätigen. Die Armut ist allgegenwärtig und die Menschen am Limit. Die Reichen sperren sich ein, über dem Rest fliegen Nachts die Hubschrauber. An jedem Supermarkteingang Security, Menschen klauen um zu überleben, betteln an der Tür... Tja und dann kamen auch noch die Osteuropäer. Ich kann die Menschen aus den englischen Armenvierteln verstehen, wenn sie weitere Zuwanderung als Bedrohung ansehen. Das Leben dort ist hart, trostlos und hat wenig zu bieten, bin sehr froh wieder hier zu sein.