Griechenlands Kampf gegen kommerzielle Sonnenbetten am Strand

Tourismus Auf den griechischen Inseln ist eine Protestbewegung entstanden, die den Erhalt freier Strände für alle fordert. Ein Besuch auf Paros, wo Sonnenbetten aufgestellt werden, die man für 120 Euro am Tag mieten kann
Platz für ein Handtuch sucht man hier vergeblich
Platz für ein Handtuch sucht man hier vergeblich

Fotos: Sakis Mitrolidis/ Getty Images

Im August, wenn die Zikaden singen und die Sonne hell brennt, ist im Kulturzentrum Archilochos auf der Insel Paros normalerweise wenig los. Wenn es irgendwo brummt, dann in den Bars und an den Stränden dieser Kykladeninsel, die bei den Reichen und Schönen immer beliebter wird.

Aber vergangene Woche, als Griechenlands großer Sommerexodus seinen Höhepunkt erreichte, waren aus dem Archilochos hitzige Debatten zu vernehmen. Und wie schon in den Wochen zuvor ging es um den Stand der Dinge an den Stränden, die inzwischen zum Synonym für teure Sonnenbetten und gierige Unternehmer geworden sind.

„Wir kämpfen gegen die Gesetzlosigkeit – die Gesetzlosigkeit an unseren Küsten“, sagt Christos Georgousis, Gründungsmitglied der Bewegung Save Paros Beaches. Mit 78 Jahren würde Georgousis normalerweise seinen Ruhestand genießen. Stattdessen führt der ehemalige Schulleiter, eine angesehene Persönlichkeit auf der Insel, den Kampf an für Strände, die für alle da sind.

Wer es wagt, sich zu beschweren, wird verscheucht

„Der Staat mit seiner Polizei und Küstenwache sollte dieses Problem lösen, denn schließlich gehört unsere Küste der Öffentlichkeit“, fügt er hinzu. „Aber da er es nicht mal geschafft hat, der Sonnenbetten Herr zu werden, kümmern wir uns selbst darum.“

Von Anfang an hatte die Protestbewegung ein einziges Ziel: die Strände von privaten Vermietungsfirmen zurückzuerobern, die die schönsten Küstenabschnitte mit exorbitant teuren Sonnenbetten und Sonnenschirmen überschwemmen. Die Übernahme, bei der Unternehmen bis zu 120 Euro für Sonnenbetten auf Paros verlangten, wurde für verfassungswidrig erklärt, ist in Griechenland der Schutz der natürlichen und kulturellen Umwelt gesetzlich verankert ist, als „Staatspflicht und Recht jedes Einzelnen“.

Aktivisten zufolge werden aus Geschäftsinteresse an den Stränden so viele Utensilien deponiert, dass kein Platz mehr besteht, um ein Handtuch oder eine Strandmatte auszubreiten, und wer es wagt, sich zu beschweren, werde verscheucht. Für viele liegt die Wurzel des Problems in unklaren Konzessionsvereinbarungen, die es den lokalen Behörden erlauben, Küstenlinien an Hoteliers sowie Bar- und Restaurantbesitzer zu verpachten, sofern diese theoretisch nur 50 Prozent der zugewiesenen Fläche nutzen.

„In der Praxis ist oft kein Zentimeter Sand mehr übrig“, beklagt Nicholas Stephanou, ein langjähriger Einwohner von Paros. Die Situation mache es den Einheimischen zunehmend unmöglich, das zu genießen, was immer als selbstverständlich angesehen wurde: den freien Zugang zum Strand. „Wir sprechen hier von einem öffentlichen Raum, der fast zu 100 Prozent mit Sonnenbetten und Sonnenschirmen bedeckt ist.“

16 Meter Strand gemietet – auf 1.000 Sonnenbetten verteilt

Kürzlich nutzte der 70-jährige Stephanou seine Fähigkeiten als Webdesigner, um seinen Standpunkt zu belegen, indem er die Koordinaten der offiziell zugewiesenen Gebiete mit Luftbildern überlagerte, die von Drohnen aufgenommen worden waren. Die Verstöße waren so alarmierend wie offensichtlich. Während mehr als 7.000 Quadratmeter den Konzessionsinhabern gesetzlich zur Verfügung standen, belegten Sonnenbetten und Sonnenschirme eine Fläche von 18.800 Quadratmetern.

„Es war schockierend“, sagt er. „In fast allen Fällen kam es zu einer illegalen Expansion über die gepachteten Gebiete hinaus. Ein Unternehmen, das 16 Meter Strandfläche gemietet hat, hatte über 1.000 Meter Sonnenbetten verteilt.“

Die Kampagne traf einen Nerv. Was einst eine lokale Initiative war, die der Sorge über die Entwicklung auf Paros Ausdruck verlieh, hat sich nun zu einer Graswurzel-Revolte entwickelt, bei der es um umfassendere Befürchtungen angesichts der Entwicklung Griechenlands zu einem der beliebtesten Touristenziele der Welt geht.

Befeuert durch die sozialen Medien ist die sogenannte „Strandtuch-Bewegung“ gewachsen. In den letzten Wochen kam es auf Chalkidiki im Norden und auf den Ionischen Inseln im Westen zu Protesten, da sich Berichte über Vermietungsunternehmen häuften, die den freien Zugang zu Stränden behindern.

„Die Menschen haben die Gesetzlosigkeit satt“

Elisavet Papazoi, Sozialistin und ehemalige Gouverneurin der Kykladen-Inselkette, sagte dem Observer, die Bewegung treffe einerseits einen Nerv wegen der Beziehung der Griechen zum Meer und weil privat betriebene Strände das genaue Gegenteil der Freiheiten symbolisierten, die den griechischen Sommer ausmachten. Mehr noch aber, weil sie die Gesetzlosigkeit aufdeckten, die der rasanten Entwicklung in dem vom Tourismus abhängigen Land zugrunde liegt.

In Paros, wo Investmentfonds eingetroffen seien, würden nun, genau wie auf der benachbarten Insel Mykonos, Hotels gebaut, die ästhetisch im Widerspruch zur Architektur der Insel stünden und jeden Rahmen sprengten, sagte sie.

„Es ist nicht nur so, dass das Meer in unserer DNA steckt und wir es als selbstverständlich betrachten, dass [die Küste] für uns alle da ist“, sagte sie und nannte die Kampagne die erste „echte Revolte“, die Griechenland seit dem Ende der jahrzehntelangen Schuldenkrise erlebt. „Es ist nicht nur so, dass [die Übernahme der Strände] den Sommer, wie wir ihn kennen, einschränkt. Die Menschen haben die Gesetzlosigkeit satt. Sie wollen Entwicklung, aber sie wollen keine grenzenlose und unkontrollierte Entwicklung, und sie sind bereit, sich zu mobilisieren, um das zu tun, was der Staat tun sollte – nämlich die Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen.“

Bald dreimal so viele Touristen wie Einwohner

In einem Land, das zunehmend mit übermäßigem Tourismus und den damit verbundenen Herausforderungen für die Nachhaltigkeit konfrontiert ist – Griechenland ist auf dem besten Weg, in diesem Jahr das Dreifache seiner Bevölkerung anzuziehen – musste auch die Mitte-Rechts-Regierung in Athen Maßnahmen ergreifen. Letzte Woche gab das Finanzministerium bekannt, dass aufgrund des Aufruhrs 2.230 Kontrollen durchgeführt und an 749 Orten Verstöße bestätigt wurden.

Es seien Strafen verhängt worden und Gesetze in Planung, um die Konzession von Küstengebieten an Unternehmen „moderner und transparenter“ zu machen. Vergangenen Freitag ging die Polizei noch einen Schritt weiter und kündigte 22 Festnahmen von Personen an, bei denen festgestellt wurde, dass sie gegen Konzessionsvereinbarungen auf Mykonos, Paros und Rhodos verstoßen hatten.

Staatsminister Akis Skertsos sagt: „Wir schießen uns selbst ins Knie“

Staatsminister Akis Skertsos erkannte die Notwendigkeit an, die natürliche Schönheit Griechenlands zu schützen, während die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs ist. Er räumte ein, dass es nicht nur „gierig und zerstörerisch“ sei, Unternehmen die Übernahme von Stränden zu erlauben, sondern dass Griechenland sich damit „selbst ins Knie schieße“.

Aber die Griechen sind sich bewusst, dass sie das schon einmal erlebt haben. Als Inspektoren Anfang des Monats die Kykladeninsel Naxos besuchten, wurden die Sonnenbetten abgebaut und tauchten direkt nach ihrer Abreise wieder auf.

„Gesetzlosigkeit gibt es nicht nur an unseren Stränden“, sagte Georgousi. Die Verfassung sehe vor, dass es die patriotische Pflicht der Griechen sei, „mit allen möglichen Mitteln Widerstand zu leisten“, wenn [Gesetzgebung] gebrochen wird. „Da waren die Maßnahmen, die wir ergriffen haben – mit Transparenten im Sand zu protestieren – eigentlich noch recht harmlos.“

Auch kommenden Sonntag wollen sich die Demonstranten erneut versammeln und sich – wie schon den ganzen Sommer über – im Kulturzentrum Archilochos neu aufstellen. „Unsere Bürgerbewegung wird nicht verschwinden“, sagt der pensionierte Schulleiter Christos Georgousis. „Der Kampf für die Rettung unserer Strände geht weiter.“

Helena Smith berichtet als Korrespondentin des Observer und Guardian aus Athen

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Geschrieben von

Helena Smith | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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