Mann solo

Star Wars Wer lernt aus den eigenen Fehlern? Toxische Männlichkeit ist der wahre Schurke im neuen Film
Ausgabe 01/2018

Achtung, dieser Text verrät wesentliche Inhalte von Die letzten Jedi der Star-Wars-Reihe: Als der Pilot des Widerstands Poe Dameron, gespielt von Oscar Isaac, in Das Erwachen der Macht (die siebte Episode der Sci-Fi-Serie, d. R.) auf die Leinwand kam, sahen ihn viele als den Han Solo der neuen Generation. Der Vergleich passt. Wie Han ist Poe ein junger Draufgänger, dessen gutartige Hitzköpfigkeit ihn ebenso in Schwierigkeiten bringt, wie sie ihm hilft, sich aus diesen zu befreien. Er ist keiner der Hauptcharaktere, trotzdem hat Poe in Die letzten Jedi viel zu tun.

Es ist wieder die Rolle des verwegenen Piloten, die Han schon in der Original-Trilogie spielte. Aber Regisseur Rian Johnson nutzt diesen Archetypus, um etwas komplett anderes über Heldentum, Führerschaft und – vielleicht am wichtigsten – über Männlichkeit zu erzählen.

In der Original-Trilogie wird Han als der ultimative tolle Hecht dargestellt. Im Rahmen heteronormativer Vorstellungen ist er der Typ, der jeder Mann selbst gern sein und mit dem jede Frau gern zusammen sein sollte. Dagegen wird Poe in Die letzten Jedi als ein Charakter präsentiert, den mansplaining – also Frauen überheblich die Welt zu erklären – nicht weiterbringt. Stattdessen gilt es, von den erfahreneren Frauen zu lernen.

Galaxiengroße Egos

Das heißt nicht, dass man Poe nicht mögen kann. Sowohl der Film als auch die Charaktere in der Welt des Films bewundern seine Art. Aber – und das ist das Interessante – nicht als Anführer. Stattdessen setzt Star Wars 8 die Widerstandsanführerinnen General Leia Organa und Vizeadmiral Holdo und ihre Reife über Poes machomäßigen Tatendrang. „Es war ihr wichtiger, das Licht zu schützen, als als Heldin dazustehen“, erklärt Leia Poe, als Holdo sich opfert. Sie unterläuft damit den ermüdeten Erzähltrend vom Alphamännchenhelden als einzig möglichem oder bestem Anführer. „Nicht jedes Problem lässt sich lösen, indem man in einen X-Wing steigt und etwas in die Luft sprengt“, erklärt Leia dem besten X-Wing-Piloten des Widerstands, bevor sie ihn wegen eigenmächtigen Handelns degradiert. So viel zu seiner Selbstüberschätzung.

Poe ist nicht der Einzige im Film, der sich in seinen Vorstellungen von Männlichkeit verfängt. Die letzten Jedi ist voller männlicher Charaktere, die Leid verursachen oder selbst leiden. Weil sie unfähig sind, auf gesunde Weise mit ihren Gefühlen umzugehen und sie zu bearbeiten. Luke Skywalker etwa flieht auf eine abgelegene Insel und gibt seine Familie, seine Religion und seine Mission auf, weil er sich seinem Versagen nicht stellen kann. Dann ist da noch Leias Sohn Kylo Ren, der versucht, die Macht über eine ganze Galaxie zu übernehmen (wie man das halt so macht), weil er mit Lukes Verrat und seinem eigenen Mord an seinem Vater nicht umgehen kann. Er ist unfähig, seinen eigenen Taten ins Auge zu sehen. Luke kann sich nicht verzeihen, welche Rolle er seiner Meinung nach bei Ben Solos Wechsel auf die dunkle Seite der Macht gespielt hat – was von einem ganz schön großen Ego zeugt. Kylo Ren dagegen ist unfähig, auch nur die geringste Verantwortung für die Ermordung der anderen Jedi-Schüler, seines Vaters und eines Großteils der Galaxie zu übernehmen.

Kylo Ren ist ein Charakter, über den man sich leicht lustig machen kann (was übrigens sein größter Alptraum ist). Aber das schmälert nicht seine Macht als Schurke. Er ist beängstigend, weil er an reale Männer erinnert, in denen sich Wut, Frustration und Trauer konzentrieren. Was sie dazu bringt, auf jene einzuprügeln, die ihnen vermeintlich genommen haben, was ihnen zusteht.

Die emotionale Arbeit, die für Luke und Kylo Ren notwendig ist, damit ihre Themen abgearbeitet werden, wird von einer Frau geleistet: Rey. Ähnlich wie Leia und Holdo Poe helfen, dessen Helden-Komplex zu überwinden, ist Rey eine Zeitlang damit beschäftigt, Luke und Kylo Ren dazu zu bringen, mit ihren Emo-Problemen fertigzuwerden, damit sie die Galaxie für die Guten retten können.

Während Rey es schließlich schafft – mit Hilfe Yodas –, zu Luke durchzudringen, hat Kylo Ren kein Interesse daran, aus seinen Fehlern zu lernen. Diese Lebensphilosophie wird von seinem selbst gewählten Mentor Snoke bestärkt. Während Leia nach Möglichkeiten sucht, die Macht zu teilen oder sie weiterzugeben, ist es kein Zufall, dass es Rens einziger Weg an die Spitze ist, den autoritären Machthaber vor ihm zu töten. Es ist ein gewaltsames, nicht nachhaltiges System, das die Vergangenheit in einem egozentrischen Streben nach mehr Macht vernichtet, und damit alle mögliche Weisheit, die sie repräsentiert. Letztlich ist der Showdown zwischen Kylo und Luke ein Ablenkungsmanöver wie fast jeder Streit, in dem es nur ums Ego geht – der lernfähige Luke weiß das, aber Kylo Ren nicht. Die Macht existiert nur, wenn man ihr die Macht gibt. Und Luke spielt das Spiel nicht länger mit. Er schiebt seine Schande und Selbstverachtung beiseite, um dem Widerstand zu helfen. Das unterscheidet die beiden voneinander. Luke versteht, dass es nicht darum geht, die Vergangenheit auszulöschen, sondern darum, sich mit den Emotionen zu konfrontieren, die sie aufwühlt. Man könnte sogar sagen, dass die Entwicklung dieser emotionalen Intelligenz der Unterschied ist zwischen Dunkelheit und Licht.

Nur wer rettet, siegt wirklich

„Ich kann nicht noch jemanden verlieren“, sagt Leia zu Holdo, bevor diese sich für den Widerstand opfert. „Doch, das kannst du“, antwortet Holdo. Und zwar nicht, weil General Leia keine Gefühle hätte – ganz im Gegenteil, wie man selbst in ganz kurzen Momenten sieht. Sondern weil Leia längst gelernt hat, ihre Gefühle zu verarbeiten. General Leia muss die Macht nicht nutzen, sie hat bereits eine Superkraft.

Die letzten Jedi ist voller Frauen, die Männern zu erklären versuchen, dass deren Taten Konsequenzen außerhalb ihrer eigenen Heldenreise haben. Dass Ehre und Stolz und Sieg niemals das Wichtigste sind – zumindest nicht für die größere Sache. Und dass diejenige Entscheidung am besten für die Gruppe ist, die von der Gruppe und ihren gewählten Führern selbst getroffen wird, und nicht von einem Alphamännchenhelden, der denkt, dass er es am bestens weiß.

In der Original-Trilogie rettet Han Solos Draufgängerheldentum regelmäßig die Lage, und wenn es das nicht tut, treffen die Konsequenzen hauptsächlich ihn allein. Eine schöne Fantasie: dass wir uns aus der gesellschaftlichen Verantwortung ausklinken können.

Das wünscht sich auch der von Benicio del Toro gespielte Code-Brecher. Doch wie Rose Finn in Canto Bight erklärt, handelt es sich dabei um eine Täuschung, die häufig durch das Privileg gestützt wird, wegschauen zu können, und die sozialisierte Fähigkeit, den eigenen Stolz oder die eigene Eitelkeit über das kollektive Wohl zu stellen. Poes Einzelgänger-Aktionen – etwa Rose und Finn nach Canto Bight zu schicken – funktionieren nicht nur nicht, sondern führen zur fast vollständigen Auslöschung der gesamten Widerstandsarmee.

Doch anstatt Poe für seine gut gemeinten Fehler zu bestrafen, nehmen sich Leia und Holdo die Zeit, ihm zu erklären, warum sein Plan gescheitert ist. Damit schenken sie Poe Energie, Mitgefühl und Vergebung. Diese Mühe steht in krassem Gegensatz zum Führungsstil ihres Gegners Snoke, der eher von Manipulation als von Lehren geprägt ist. Wissen zu teilen ist eine Form des Machtabgebens, etwas, das Snoke und seine vom eigenen Ego getriebene Philosophie niemals erlauben würden.

Echte Geschlechtervielfalt entsteht durch die Anerkennung dessen, dass niemand vom herrschenden patriarchalischen System profitiert – nicht einmal die Poe Damerons dieser Welt. Die letzten Jedi weigert sich, seine männlichen Helden auf eine Weise zu verherrlichen, die schädliche Erwartungen hervorruft. Der Film zeigt, dass man nicht „gewinnt“, indem man bekämpft, was man hasst. Man muss retten, was man liebt. Und unterscheiden zwischen denen, die wie Kylo Ren nicht in der Lage sind, Verantwortung für eigene Taten zu übernehmen, und denen, die aus dem Erkennen der eigenen Fehler lernen.

Sehr einfühlsam werden in dieser Geschichte die Gefahren toxischer Männlichkeit, die Kompetenzen von Frauen und die Schubladen thematisiert, aus denen die Menschen ausbrechen müssen, um frei zu sein.

Kayti Burt ist eine britische Autorin und Mitbetreiberin des britischen Filmblogs Den of Geek. Dort ist ihr Text zuerst erschienen

Übersetzung: Carola Torti

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Geschrieben von

Kayti Burt | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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