Rätselhafter Tod

Iran Ein Arzt in Teheran, der Menschen untersucht hat, die während der Unruhen nach der Präsidentenwahl im Juni verletzt wurden, ist unter mysteriösen Umständen verstorben

Nach anfänglichen Berichten, der Arzt Ramin Pourandarjani habe Selbstmord begangen, gaben die iranischen Behörden inzwischen bekannt, der 26-Jährige habe im Schlaf einen Herzinfarkt erlitten. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt in einer Krankenstation im Hauptquartier der Teheraner Polizei befunden, wo er stationiert gewesen sei. Was nicht gesagt wird, Dr. Pourandarjani drohten eine fünfjährige Haftstrafe und der Entzug seiner Approbation. Ihm wurde vorgeworfen, Gefangene im berüchtigten Kahrizak-Gefängnis nicht ordnungsgemäß behandelt zu haben. Das Gefängnis war kurz zuvor nach dem Tod mehrerer Insassen geschlossen worden.

Oppositionelle Internetseiten weisen auf die Möglichkeit hin, dass Pourandarjani zum Sündenbock gemacht werden sollte und ermordet wurde, nachdem er Freunden erzählt hatte, er fürchte um sein Leben. Die Zweifel an der Todesursache erhielten zusätzliche Nahrung, als bekannt wurde, dass den Angehörigen des Toten eine Obduktion verweigert wurde. Es gibt Gerüchte, wonach Pourandarjani kurz vor seinem Tod versucht haben soll, Kontakt mit Mitgliedern des Parlaments aufzunehmen. Das Begräbnis in seiner Heimatstadt Tabriz fand unter massiver Präsenz der Sicherheitskräfte statt.

Todesursache Meningitis

„Er erhielt viele anonyme Drohungen, die Wahrheit über das Kahrizak-Gefängnis für sich zu behalten, da er genau darüber Bescheid wusste, was dort vor sich gegangen war“, berichtete Norooz, eine Internet-Seite, die der wichtigsten reformistischen Partei des Iran, der Islamischen Partizipationsfront, nahe steht. „Er hat mehreren seiner Freunde erzählt, was in Kahrizak vor sich ging, und sprach gleichzeitig davon, dass er Angst um sein Leben habe.“

Pourandarjani wurde in die nebulösen Vorgänge im Kahrizak-Gefängnis verstrickt, nachdem er gerufen worden war, um Häftlinge zu untersuchen, die angeblich gefoltert worden waren. Einer von ihnen war Mohssen Ruholamini, der Sohn eines Wissenschaftlers und Insiders des Regimes, der im Juli bei einer Demonstration in Teheran verhaftet wurde. Der 25-Jährige starb zwei Tage nach seiner Festnahme, was angesichts der Prominenz seines Vaters Unmut bei den Behörden auslöste. Zunächst hieß es, ein Schlag auf den Kopf sei die Todesursache gewesen. Nach Angaben von Norooz soll sich Dr. Pourandarjani später unter Druck damit einverstanden gewesen sein, die Todesursache in Meningitis umzuwandeln. Er wurde festgenommen und musste stundenlange Verhöre über sich ergehen lassen, bis er schließlich gegen Kaution frei kam.

Öffentliche Stellen hatten zuvor schon kolportiert, im Kahrizak-Gefängnis sei möglicherweise die Meningritis ausgebrochen, an der noch mindestens ein weiterer Gefangener – es handle sich um Mohammad Kamrani – gestorben sei. Nachdem Vorwürfe laut wurden, die Häftlinge seien unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht, befahl Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei, das Gefängnis zu schließen. Häftlinge sollen in unterirdische Zellen gequetscht, mit Wasser übergossen und mit Kabeln geschlagen worden sein. Mohammad Kamranis Verwandte sprachen davon, es gebe Beweise dafür, dass er vergewaltigt worden sei.

Druck auf das Parlament

Es gab bislang zwei Untersuchungen, die sich mit den Zuständen in jener Haftanstalt befassen – eine wurde durch das iranische Parlament veranlasst und eine durch den Obersten Nationalen Sicherheitsrat unter dem Vorsitz von Präsident Mahmud Ahmadinedjad. Beide müssen ihre Ergebnisse erst noch veröffentlichen. Bislang ist kein führender Politiker geschweige denn Geistlicher zur Verantwortung gezogen worden. Manche äußern die Meinung, der frühere Generalstaatsanwalt und Hardliner Saeed Mortazavi habe Druck auf die Parlamentarier ausgeübt, die Veröffentlichung des Untersuchungsreports zu verzögern, weil der ihn belasten könnte.

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

Robert Tait, The Guardian | The Guardian

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