Warnung vor dem Bilde

Kunstfreiheit Vincent Valdez hat Ku-Klux-Klan-Männer gemalt, die locker quatschen und rauchen. Das Museum, das sein Gemälde zeigt, will Kritik vorbeugen
Ausgabe 30/2018

Als Vincent Valdez damit begann, The City zu malen, ein neun Meter breites Panorama, in dem ein gutes Dutzend Ku-Klux-Klan-Mitglieder sich vor der Kulisse einer mondbeschienenen Großstadt versammelt, da hatte Donald Trump gerade seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten angekündigt. Während Valdez in jenem Herbst in seinem Atelier in einer alten Feuerwache in San Francisco vor sich hin arbeitete, konnte er Donald Trump dabei zusehen, wie er sich von einem Witzkandidaten zu einer politischen Sensation entwickelte. Wie er dabei eins ums andere Mal log und mit seinen Lügen rassistische Vorurteile schürte, ohne dass er dafür jemals belangt worden wäre.

So frappierend das Timing des Gemäldes erscheint, tat der Künstler eigentlich nur das, was er immer tut: Er nutzte die Leinwand, um, wie er sagt, „von der Realität dessen Zeugnis abzulegen, wer wir sind, entgegen dem, was wir zu sein glauben“. Valdez interessierte sich dieses Mal jedoch nicht dafür, Gewalt abzubilden, wie er es mit der Porträtserie The Strangest Fruit getan hatte, die von den vergessenen Lynchmorden an mexikanischen Amerikanern von Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre inspiriert war. Stattdessen malte er die Anhänger des Ku-Klux-Clans mit iPhones und Bierdosen, wie sie untätig neben einem Mobilfunkmasten und einem Chevy Silverado herumstehen, womit er vorausschauend auf das Fortleben rassistischer Verwerfungen in der amerikanischen Gesellschaft hinwies.

The City wird fortan im Blanton Museum of Art hängen, das zur University of Texas in Austin gehört. Das Bild wurde 2017 von dem Museum gekauft, nachdem Direktorin Simone Wicha Valdez’ Atelier besucht hatte. Zwei seiner Werken waren zuvor schon im Blanton gezeigt worden, doch dieses Werk war anders, und das politische Klima hatte sich geändert.

Die Universitäten sind in den drei Jahren von Donald Trumps Aufstieg zu Epizentren der Auseinandersetzung über politische Korrektheit und Meinungsfreiheit geworden. Und auch in der Kunstwelt gab es eine ganze Reihe von Debatten darüber, wer was malen kann oder darf. Die stärksten Kontroversen löste das Bild Open Casket der weißen Künstlerin Dana Schutz aus, das 2017 auf der Whitney Biennale ausgestellt wurde. Es zeigt den Leichnam des Teenagers Emmett Till, der 1955 aus rassistischen Motiven bestialisch ermordert wurde. Schutz’ Kritiker waren der Meinung, sie schlachte das Leid eines Schwarzen aus. Vor dem Erwerb des Ku-Klux-Klan-Gemäldes wollte Simone Wicha das Blanton Museum und die Universität deshalb auf die Diskussionen vorbereiten, die das Bild zwangsläufig auslösen würde.

„Als ich mir das Bild zusammen mit unserer Kuratorin Veronica Roberts ansah, waren wir nicht nur von der außergewöhnlichen handwerklichen Qualität der Arbeit begeistert, sondern auch von der Möglichkeit zum Dialog, die es eröffnen kann“, sagt Wicha, die auch die Professoren des Campus und die Studierendenvertreter einlud, sich das Bild bereits vor seiner öffentlichen Ausstellung anzusehen. „Uns war es wichtig, einen positiven Dialog anzuregen, um etwas zu lernen, anstatt ein kontroverseres Umfeld zu schaffen.“

Könnte Emotionen auslösen

Um dies zu befördern, entschied sich Wicha dafür, The City in diverse Quellen einzubetten. Auf einer Website können Besucher Einordnungen des Gemäldes vom Regionaldirektor der Anti-Defamation League und Dozenten der Fakultät für African and African Diaspora Studies der Universität zurate ziehen. In der Galerie warnt ein Disclaimer davor, dass das Bild „starke Emotionen auslösen könnte“, und in einem Kommentarkasten können die Besucher ihre Gedanken mitteilen. Zudem wird es parallel zu der Ausstellung eine Reihe von Gesprächen und Symposien über das Gemälde geben sowie über die Repräsentationen von Ethnizität und Rassismus in der Kunst im Allgemeineren. Es sei wichtig, sagt Wicha, „klarzumachen, dass die Intention antirassistisch ist“.

Als eine Inspirationsquelle nennt Vincent Valdez das Werk von Philip Guston, der immer wieder Klan-Mitglieder mit Kapuzen malte, überhaupt sieht er sich in der „Tradition amerikanischer Künstler, die White Supremacy und Rassismus thematisierten“. Wobei er diese als mexikanischer US-Amerikaner auf zeitgemäße Art fortführen will: „Es ist schwer, die Wahrheit über etwas zu akzeptieren, das sich jetzt in unserem eigenen Hinterhof abspielt.“

Gruppenbild mit Kapuze

Als sich der Künstler Philip Guston, den Vincent Valdez in diesem Text als Vorbild nennt, 1966 der figurativen Malerei zuwandte, irritierten viele Kritiker die Kapuzenmänner in seinen Bildern, die fast putzig anmuteten, Zigaretten qualmten, im Auto herum-düsten, palaverten. Time verriss die Ausstellung unter dem Titel „Ku Klux Komix“. Dabei zeigte Guston die alltägliche Seite des Rassismus, jen-seits martialischer Aufmärsche mit brennendem Kreuze. Sich selbst nahm er von dieser Befragung nicht aus, das Selbstporträt The Studio (1969) zeigt den Maler als doppeltes Kapuzengespenst vor und auf der Leinwand.

Wie sich der KKK in den 1920er Jahren als landesweite rassistische Bewegung neu erfand und politisch Einfluss gewann, lässt sich in Linda Gordons The Second Coming of the KKK (2016) nachlesen. Zeugnis davon gibt auch Thomas Hart Bentons Parks, the Circus, The Klan, The Press von 1933, das Teil seines Gemäldezyklus A Social History of Indiana ist. Ihm zugrunde liegt eine Reportage über politische Verstrickungen des Klans, die 1928 den Pulitzer-Preis gewann. Studierende der Indianapolis University empfanden die Anwesenheit von Klan-Mitgliedern auf einem Gemälde im Hörsaal ungeachtet dessen als Werbung für den KKK und forderten 2017, es zu verhängen.

Auch wenn viele der Teilnehmer eher Tarnklamotten und Cargo-Hosen trugen als weiße Kutten, ruft das Gemälde das Treffen in Charlottesville vom vergangenen Sommer in Erinnerung, wo es zu gewaltsamen Zusammenstößen von weißen Rassisten, Neo-Nazis und Klan-Mitgliedern mit Gegendemonstranten und -demonstrantinnen kam, von denen eine getötet wurde. „Es war unheimlich in dem Sinn, dass ich dieses Bild mit der Intention begonnen hatte, etwas zu beleuchten, das bislang unausgesprochen blieb“, so Valdez. „Doch wenn man 2018 über das Bild nachdenkt, dann beweist es nur, was ich zu sagen versucht habe: dass diese Kapuzen und die verschiedenen Verkleidungen, die sich im Laufe der vergangenen Jahrhunderte verändert haben, Tag für Tag wieder deutlicher zutage treten.“

Nicht jeder begreift

Doch nicht jeder in Austin begreift die Ausstellung dieses Bildes als eine Gelegenheit, um über Rassismus zu diskutieren. Eine Studentin der University of Texas wollte eine Demonstration gegen das Gemälde organisieren unter dem Motto „Defying the KKK Mural at the Blanton Museum of Art“, die letztlich aber nie zustande kam. Sie beklagte, dass das Bild „historische Gewalt verherrliche, wenn diese Anerkennung durch die Kunstwelt erfährt“. Auch an Valdez als Urheber nahm sie Anstoß. „Der Künstler ist mexikanischer Amerikaner, und auch wenn Mexikaner in der westlichen Hemisphäre selbst Opfer von Rassismus wurden und werden, hat der KKK in viel größerem Maße Afroamerikaner terrorisiert und ermordet”, heißt es in einem Schreiben, das zur Entfernung und Zerstörung des Gemäldes aufruft.

Valdez geht vorsichtig mit solchen Reaktionen um, insbesondere wenn sie aus der Community kommen, die am meisten unter dem KKK gelitten hat. Aber während er an dem Bild arbeitete, war für ihn zweitrangig, wie es aufgenommen werden würde. Seine Motivation, ein aufgeladenes Thema zu konfrontieren, war größer, und dieses Gefühl überwiegt auch heute noch.

„Es gibt viele Kunstinstitutionen, die sich eher von der Welt abwenden als sich mit ihr auseinanderzusetzen“, sagt er. „Ich verstehe die Empörung und das Leid meiner schwarzen Brüder und Schwestern und die lange, lange brutale Realität von offenem und verdecktem Rassismus, den sie erfahren haben. Aber mein Job als Künstler ist es, diese Dinge in Räumen ans Licht zu bringen, die häufig steril sind oder frei von Gefahr.“

Jake Nevins berichtet für den Guardian aus den USA über Kunst

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

Jake Nevins | The Guardian

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