Wendung zum Guten

USA Das START-Abkommen scheint kurz vor der Ratifizierung zu stehen. Barack Obamas aggressive Lobbyarbeit während der vergangenen Tage hätte sich damit gelohnt

Nachdem der US-Senat sich gestern in einer Vorabstimmung mehrheitlich zugunsten des Vertrages mit Russland zur Reduzierung der beiderseitigen Atomwaffenarsenale ausgesprochen hat, steht Barack Obama kurz vor seinem bislang größten außenpolitischen Erfolg. Die gestrige Abstimmung von 67 zu 28 Stimmen diente dazu, die Debatte über die Ratifizierung einzudämmen. Voraussichtlich wird heute über die Ratifizierung selbst abgestimmt, die eine Unterstützung von zwei Dritteln der Senatoren (das wären 67) braucht. Die Knappheit des gestrigen Votums bedeutet, dass eine Annahme alles andere als sicher ist.

John Kerry, der demokratische Vorsitzende im Auswärtigen Senatsausschuss sagte: „Mit dem von parteipolitischen Erwägungen freien Votum von gestern haben wir eine entscheidende Hürde im Senat genommen. Wir stehen kurz davor, das nächste Kapitel in der 40-jährigen Geschichte der Bedrohung durch Nuklearwaffen zu schreiben.“

Brief von Robert Gates

Die Ratifizierung würde das Wahlkampfversprechen Obamas erfüllen, an der Reduzierung der Atomwaffen zu arbeiten. Der neue Vertrag, der den alten von 1991 ersetzen soll, verringert die Zahl der US- und russischen Nukleararsenale, Sprengköpfe und Abschussgeräte – er aktualisiert den Prozess der (gegenseitigen) Kontrolle. Die Frist zur Umsetzung liegt bei sieben Jahren. Die gestrige Abstimmung bedeutet für Obama eine plötzliche Wendung seines Schicksals zum Guten, nachdem er mit den für ihn desaströsen Wahlen im November einen Tiefpunkt erreicht hatte. Obwohl er nach der Wahlschlappe eine lahme Ente geschimpft wurde, schaffte es der Kongress in seiner aktuellen Zusammensetzung innerhalb weniger Wochen, sich bei drei wichtigen Themen zu einigen: Einem parteiübergreifendem Kompromiss in der Steuerpolitik, einer Aufhebung des Verbots für Homosexuelle, offen in der Armee zu dienen, und nun – fast sicher – der Ratifizierung des New Strategic Arms Treaty (START).

Obwohl der Vorsitzende der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, noch jüngst geschworen hatte, gegen die Ratifizierung zu stimmen, weil die Demokraten sie angeblich noch schnell durchdrücken wollten, gaben gestern viele seiner Kollegen die Blockadehaltung auf und stimmten mit den Demokraten. Obama dagegen betrieb dieses Mal – im Gegensatz zu seinem bislang eher zurückhaltenden Verhalten gegenüber dem Kongress – geradezu aggressiv Lobbyarbeit, um einzelne republikanische Abgeordnete für die Ratifizierung zu gewinnen. Vorgestern schickte der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, Admiral Mike Mullen, einen unterstützenden Brief, Verteidigungsminister Gates tat Ähnliches. „Der Vertrag wird zur strategischen Stabilität beitragen, die Zahl der Atomwaffen reduzieren, ein rigoroses Inspektionsverfahren installieren, das die Besichtigung russischer Raketensilos beinhaltet, unsere Führungsrolle bei der Verhinderung der Weiterverbreitung von Atomwaffen stärken und die notwendige Flexibilität beinhalten, unsere strategischen Nuklearkräfte so zu strukturieren, dass es unserem nationalen Sicherheitsinteresse am besten entspricht“, so Gates in seinem Brief.

Agreement mit Russland

Insgesamt votierten elf Republikaner mit den Demokraten, die geschlossen abstimmten. New Start ist das Folgeabkommen der in den vergangenen 20 Jahren abgeschlossenen Start I- und Start II-Verträge. Start III war der Spitzname für einen gescheiterten Fortsetzungsversuch von Bill Clinton und Boris Jelzin. Unter dem New Start-Vertrag soll die maximale Zahl an Sprengköpfen auf beiden Seiten 1.550 betragen und die Zahl der konventionellen Interkontinentalraketen würde auf 700 beschränkt. Die Bestimmungen weisen freilich eine ernsthafte Lücke auf. Während bei den konventionellen Raketen jeder Sprengkopf als solcher quantifiziert wird, zählt ein schweres Bombenflugzeug lediglich als Träger eines einzigen Sprengkopfes, auch wenn er (im Falle der B-52) bis zu 20 von ihnen mit sich führen kann.

Obama unterzeichnete den Vertrag im April mit Russlands Präsident Dmitri Medwedjew – das sicherste Zeichen für die enger werdenden russisch-amerikanischen Beziehungen. Würde der Senat die Ratifizierung ablehnen oder auch nur ernsthaft verzögern, dürfte dies zu starken Zerwürfnissen in den Beziehungen zu Russland führen.
Die USA und Russland verfügen zusammen über mehr als 90 Prozent aller weltweiten Atomwaffen.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Ewen MacAskill | The Guardian

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