Am Sonntag haben sich mehrere tausend Teilnehmer verschiedener Protestmärsche aus allen Teilen des Landes in Mexiko Stadt zu Kundgebung zusammengefunden, um ein Ende des aus ihrer Sicht absurden „Krieges gegen die Drogenkartelle von Präsident Felipe Calderón zu fordern, der in den vergangenen Jahren 40.000 Menschen das Leben gekostet hat.
Zu den Protesten aufgerufen hatte der Lyriker Javier Sicilia, dessen Sohn im März zusammen mit fünf anderen in Cuernavaca brutal ermordet worden war. Sicilia ist nicht nur ein angesehener Schriftsteller, der schon eine ganze Reihe von literarischen Preisen erhalten hat, sondern auch ein engagierter Christ und Anhänger des kontroversen österreichischen Denkers Ivan Illich, der viele Jahre lang in Mexiko gelebt hat. Sicilia, der keiner politischen Partei nahe steht, schrieb einen schmerzerfüllten Artikel, dessen Titel „Estamos hasta la madre“ – „Wir haben die Schnauze voll“ die Stimmungslage vieler Mexikaner zum Ausdruck brachte, die mit der Regierung und deren gescheitertem Krieg gegen das organisierte Verbrechen unzufrieden sind. So konnte er ein breites Bündnis hinter sich versammeln, das von der katholischen Kirche bis zu den Zapatisten reicht, die am Samstag aus Solidarität zu tausenden durch San Cristobal de las Casas marschierten.
Calderón holte die Armee aus den Kasernen
Calderón wurde im Dezember 2006 nach einer umstrittenen und mit Betrugsvorwürfen belasteten Wahl zum Präsidenten ernannt. Auf der Suche nach einer Legitimation, die er nicht aus den Wahlergebnissen herleiten konnte, holte er die Armee aus den Kasernen und begann damit, die Kartelle militärisch zu bekämpfen. Das Ergebnis war katastrophal. Zehntausende kamen ums Leben, viele von ihnen waren unbewaffnet und hatten nichts mit dem Konflikt zu tun. Sie starben nicht im Rahmen der Auseinadersetzungen zwischen den verschiedenen Kartellen oder bei Zusammenstößen zwischen Militär bzw. Polizei mit organisierten Verbrecherbanden, sondern wurden an Kontrollpunkten der Armee in ihren Autos erschossen.
Die Menschenrechte haben in Mexiko noch nie viel gegolten. Aber seit dem Beginn von Calderóns Anti-Drogenkrieg haben die Menschenrechtsverletzungen dramatisch zugenommen. Die Teilnehmer des Friedensmarsches ("Marcha por la paz con dignidad y justicia") forderten ein Ende der Gewalt. Sie sind der Ansicht, das organisierte Verbrechen habe die Regierung unterwandert und machen diese für die Eskalation der Gewalt verantwortlich. Dem katholischen Bischof Raúl Vera zufolge hat der Krieg gegen den Drogenschmuggel keine Unterstützung in der Bevölkerung.
Die Regierung Calderón reagierte negativ auf die Demonstrationen. Der Minister für Öffentliche Sicherheit, Genaro García Luna, nannte es „undenkbar“, dass der Kampf gegen die Kartelle falsch sein könnte. Calderón tönte, er habe „Das Gesetz, die Vernunft und die Macht“ auf seiner Seite.
Sicilia hat sich nach seinem Artikel ein literarisches Schweigegelübde auferlegt und auch den Großteil des 80 km langen Marsches von Cuernavaca nach Mexiko-Stadt schweigend verbracht. „Wer schweigt, ist unregierbar“, hat Ivan Illich einmal gesagt. Hieraus bezog die Demonstration ihre Kraft.
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