Zeit für Musketiere

Frankreich Nicolas Sarkozys Präsidentenpartei UMP ist 2002 angetreten, die französische Rechte zu sammeln. Was geschieht, wenn sie am 6. Mai aus der Regierungsverantwortung fliegt?

Sollte Nicolas Sarkozy die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen verlieren, werden die Auswirkungen für die französische Rechte gewaltig sein. Der Union pour un mouvement populaire (UMP), die in Frankreich seit zehn Jahren an der Regierung ist und deren Führung Sarkozy 2004 übernommen hat, könnten turbulente Jahre bevorstehen. Die extreme Rechte unter Führung von Marine Le Pen befindet sich bereits in Lauerstellung und macht sich Hoffnungen darauf, die Rolle der wichtigsten Oppositionspartei zu übernehmen.

Die erste UMP ging 2002 aus einem Zusammenschluss von Jacques Chiracs gaullistischer RPR und Valéry Giscard d'Estaings zentristischer UDF hervor: Die Union pour une Majorité Présidentielle sollte Chiracs Wiederwahl gewährleisten. Man wollte eine französische Entsprechung zur deutschen CDU schaffen: Eine breite Mitte-Rechts Bewegung, die Grabenkämpfe ein für alle Mal beendet und die Präsidentschaftswahlen gewinnt.

Bis zu einem gewissen Punkt ging diese Taktik auf: Zehn Jahre lang triumphierte die neue UMP (Union pour un Mouvement Populaire) auf nationaler Ebene, scheiterte aber regelmäßig bei Lokal- und Regionalwahlen. Heute kontrolliert der Parti Socialiste (PS) die meisten größeren Städte, fast alle Regionalparlamente wie auch den Senat. Nach einem Sieg François Hollandes befände sich das Land komplett in den Händen des PS, während die UMP in einer äußerst schwierigen Situation wäre.

Kandidaten für 2017

Wenn Sarkozy verliert, wird einen Tag nach dem Stechen um die Präsidentschaft die Schlacht um die UMP beginnen. Wer dann auch immer die Kontrolle über die Partei gewinnt, hat gute Chancen, Präsidentschaftskandidat für 2017 zu werden. Im Zentrum der Auseinandersetzung dürften der gegenwärtige Generalsekretär Jean-François Copé (47), Premierminister François Fillon (58) sowie Außenminister Alain Juppé (66) stehen. Copé hat bereits seine Absicht erklärt, 2017 antreten zu wollen, während Fillon sich bislang bedeckt hielt. Juppé zog seine Kandidatur scherzhaft in Erwägung, aber sein Alter – 2017 wird er 72 sein – macht dies eher unwahrscheinlich.

Copé wird häufig als jüngere Version Sarkozys gesehen, freilich mit besseren Manieren. Er ist ähnlich energiegeladen, kann seine Vorstellungen ebenso unverblümt durchsetzen und versteht es ebenso gut, mit den Medien umzugehen. Aber er wird seine Anhänger davon überzeugen müssen, dass er fähig ist, die Partei und das Land um sich zu scharen. Die Unterstützung einiger junger Minister hat er sich bereits erworben: So zum Beispiel François Baroin, Bruno Le Maire, Valérie Pécresse – seine persönlichen „Musketiere“.

Alternative Juppé

François Fillon hingegen befindet sich in einer paradoxen Situation: Mit seiner diskreten, traditionalistisch wirkenden und milden Art gelingt ihm das Kunststück, fünf Jahre unter Sarkozy als Premierminister gearbeitet zu haben und trotzdem nicht als dessen unbedingter Gefolgsmann wahrgenommen zu werden. Doch überraschenderweise hat sich Fillon nie eine eigene Hausmacht innerhalb der Partei aufgebaut und wird in der Hauptsache von denjenigen unterstützt, die nicht wollen, dass Copé als Parteichef weitermacht. Fillon wird nun versuchen, eine neue Machtbasis aufzubauen, die ihn zur Präsidentschaft trägt. Wir haben in den vergangenen Monaten bereits einzelne Scharmützel zwischen Copé und Fillon erlebt, die sich zu einer offenen Konfrontation auswachsen könnten, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird.

Um einen Grabenkampf und die Implosion der UMP zu verhindern, könnte ein Dritter auftreten und den Streit beilegen. Dieser Dritte könnte Juppé sein, der Premierminister von 1995 und 2002 der erste Parteipräsident der UMP, bevor er wegen einer 14-monatigen Bewährungsstrafe in einem Korruptionsfall zurücktreten musste. 2010 kehrte er dann in die erste Reihe zurück und trat in Sarkozys Regierung ein. Durch seine gute Arbeit als Außenminister konnte er seinen früheren Status innerhalb der Partei als auch große Popularität in der Öffentlichkeit zurückgewinnen. Viele sehen in ihm die beste Möglichkeit, einen brutalen internen Machtkampf zu vermeiden, ohne die Aspiranten für die Präsidentschaftswahlen 2017 vor den Kopf zu schlagen.


Bruno Bernard arbeitet als wissenschaftlicher Berater für die UMP

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Bruno Bernard | The Guardian

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