Geld vom Staat für „Männerrechtler“? Den Bayern gefällt's

Konservatismus Mehrfach ist ein antifeministischer Verein mit üppigen Fördergeldern aus öffentlichen Haushalten bedacht worden. Doch langsam könnte ein Umdenken einsetzen
Ausgabe 02/2022

Gemeinsam lächeln Christiane Nischler-Leibl und Gerd Riedmeier in die Kamera. Die eine arbeitet im bayerischen Familienministerium, der andere ist Vorsitzender des Forums Soziale Inklusion (FSI). Das auf der Webseite des Vereins stolz präsentierte Foto stammt von einer Tagung im Kloster Seeon, die dort am 6. und 7. November 2021 stattfand. Das Treffen diente angeblich der „Stärkung ganzheitlicher Ansätze in der Geschlechterpolitik durch Vernetzung wichtiger Akteure“. Finanziell unterstützt wurde es durch den bayerischen Landesetat. Schon im März 2021 hatten CSU und Freie Wähler dem FSI nicht weniger als 20.000 Euro an Förderung gewährt.

Tja, die Uhren im Freistaat ticken halt anders. Oder besser gesagt: Sie gehen nach. In Genderfragen befindet sich dieser, mit Ausnahme der traditionell sozialdemokratisch regierten Hauptstadt München, hinterm Mond. In Berlin, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen ist den Verantwortlichen in Politik und Behörden längst bekannt, dass das FSI eine Mogelpackung ist. Bei dem Verein handelt es sich um einen gut getarnten, aber gegen die Gleichstellung der Geschlechter ausgerichteten Zusammenschluss selbsternannter „Männerrechtler“. Auf Bundesebene ist das FSI weitgehend marginalisiert. Nur in Bayern kann es, staatlich alimentiert, seine reaktionären Thesen verbreiten.

Antifeministen geben sich gerne mal einen seriösen Anstrich. Ihre Vereine tragen Namen wie „geschlechterpolitische Initiative“, sie imaginieren sich als „neue Bürgerbewegung“ oder reden von „Geschlechterdemokratie“. Wie im Rechtspopulismus deuten sie progressive Begriffe um, vertreten aber rückwärtsgewandte Positionen. Gerade bei familienrechtlichen Themen: Das in Bayern beheimatete – und dort gezielt geförderte – Forum Soziale Inklusion zum Beispiel will keineswegs behinderte oder benachteiligte Kinder in den Schulen fördern (wie der Vereinsname nahelegt). Vielmehr lautet seine wichtigste Forderung: mehr Rechte für Väter, die nach einer Scheidung über den erschwerten Zugang zu ihren Kindern klagen. Nichts anderes ist mit der angeprangerten „Exklusion“ gemeint.

Im Bundeshaushalt 2021 war dem FSI die völlig überhöhte Summe von 400.000 Euro bewilligt worden. Grüne und Linke hatten nach stundenlangen Debatten in den abschließenden Etatberatungen nicht aufgepasst, der damalige Koalitionspartner SPD ließ sich auf einen Deal mit der CSU ein. Nach der Devise: Wir schlucken die Kohle für eure Trennungsväter, wenn ihr dafür unsere frauenpolitischen Projekte akzeptiert. Der Zuschuss konnte dennoch verhindert werden, das Bundesfamilienministerium der Groko berief sich auf seine eigenen Richtlinien. Die „antifeministische Haltung“ des Vereins sei nicht mit „partnerschaftlicher Gleichstellungspolitik zu vereinbaren“. Die Behörde verweigert nach wie vor die Auszahlung der Gelder, das FSI hat mittlerweile Klage beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht – Ausgang offen. Doch zum Glück stehen in der Ampelkoalition die Chancen für weitere Unterstützung schlecht.

Und auch im Freistaat regte sich Widerspruch gegen den Verein: Der DGB-Frauenausschuss zeigte der Koalition aus CSU und Freien Wählern die „Rote Karte“, SPD und Grüne opponierten im Landtag gegen die fragwürdige Förderentscheidung. Doch bis in das linksliberale Lager hinein mangelt es an Aufklärung über „männerrechtliche“ Strategien. Das zeigt nicht zuletzt der „Deal“ der Bundes-SPD, der auf Unkenntnis beruhte: Svenja Stadler aus dem Haushaltsausschuss unterschätzte die Brisanz des Themas „Trennung und Scheidung“.

An der Recherche Antifeminismus auf dem Weg durch die Institutionen, die bei der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht wurde, hat Thomas Gesterkamp mitgewirkt

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