Velten Schäfer und das ganz Große

Gil Ofarim Velten Schäfer hat eine Meinung zu Gil Ofarim. Ich habe eine Meinung zu Velten Schäfer. Die Kommentarfunktion ist unter seinem Beitrag deaktiviert. Also schleiche ich mich auf diesem Umweg ein.

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Kein Zweifel: Gil Ofarim hat allen, die, anders als er, von realem Antisemitismus betroffen sind, einen Bärendienst erwiesen. Er macht es jenen, die es eh immer schon gewusst haben, leicht, wie Velten Schäfer zu behaupten, die Vortäuschung von Antisemitismus, wo es keinen gibt, sei kein Einzelfall. Wen meint Schäfer mit der falschen Seite, die Beifall spendet, und wen mit jenen, die davor Angst haben? Ein rätselhaftes Geraune. Klar ist jedenfalls, dass der Autor der Ansicht ist, man müsse gerechterweise in Ofarims hirnrissigem Verhalten (was hat ihn bloß dazu bewegt?) genau so das "ganz Große" sehen, wie man es unterstellte, wenn seine Geschichte der Wahrheit entsprochen hätte. Ist Velten Schäfer tatsächlich der Ansicht, dass Ofarims Lügengeschichte in unserer deutschen Gegenwart ebenso typisch ist, ebenso häufig Parallelen findet wie antisemitische Entgleisungen? Es verschlägt mir den Atem. Wo lebt Velten Schäfer? Paradoxerweise hat der Vorfall bewiesen, was sich Gil Ofarim in seinem kranken Hirn ausgedacht hat. Dass viele, jedenfalls die Medien, es für möglich hielten, setzt voraus, dass es Antisemitismus in signifikantem Ausmaß gibt. Würde irgendjemand einem Menschen, und sei er auch halbprominent, glauben, der behauptet, er sei in einem Hotel abgewiesen worden, weil er einen grünen Hut trug? Velten Schäfers Argumentation nähert sich auf bizarre Weise Martin Walsers Rede von der "Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken". Ich bekenne: ich bin der Meinung, dass es diese Instrumentalisierung tatsächlich gelegentlich gibt und dass sich Walsers Gegner allzu flott darüber hinweggeschwindelt haben. Aber erst recht bin ich der Meinung, dass das im aktuellen Fall von Gil Ofarim nicht zutrifft. Für welche Zwecke sollte er die "Schande" (den Antisemitismus) instrumentalisiert haben? Für die Erlangung einer Schlagzeile? Das wäre nun wirklich nicht das "ganz Große". "Es ist nicht mehr so, dass derartige Klagen schon deshalb wahr sein müssen, weil so viel Mut der Verzweiflung dazu gehört, sie überhaupt vorzubringen." Richtig. Aber auch das Gegenteil trifft zu: die Klagen müssen nicht unwahr sein, und sie sind es, wie wir in diesen Tagen besonders deutlich erfahren, eher nicht. "Wir haben denen am Rande Macht gegeben." So? Nebbich. "Und müssen jetzt nicht nur realisieren, dass dort, wo diese ist, stets auch der Missbrauch droht." Noch einmal: richtig. Wer aber den Missbrauch für wahrscheinlicher hält als die Berechtigung der Klagen, betreibt das Geschäft derer, die die Macht schon immer hatten und nicht, wenn's denn wahr ist, an jene am Rande großzügig vergeben. Aber vielleicht habe ich Velten Schäfer missverstanden. Vielleicht wollte er uns nur sagen, dass wir realisieren müssen, wie sehr uns der Missbrauch der begrenzten Macht eines Zeitungsredakteurs droht. Keine Widerrede. Kommentarfunktion deaktiviert.

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