Crime Watch No. 64

Kriminalromane An Petra Hammesfahr und ihrem Roman Das letzte Opfer ist per se gar nichts interessant. Signifikant ist lediglich der Mechanismus, der einen solchen ...

An Petra Hammesfahr und ihrem Roman Das letzte Opfer ist per se gar nichts interessant. Signifikant ist lediglich der Mechanismus, der einen solchen Roman als "Thriller" vermarktet, auf die Bestsellerlisten katapultieren kann.
Hammesfahr hat ihre Karriere 1991 mit Bastei-Taschenbüchern begonnen und sich seit Mitte der 90er zu respektablen Hardcovern in der Holtzbrinckgruppe, bei den Verlagen Rowohlt und Wunderlich emporgearbeitet. Am Schnittmuster ihrer Bücher hat sich während dieser Zeit nichts geändert, am "Markt" für bedrucktes Papier hingegen schon. Was in den mittleren achtziger Jahren angelegt wurde, schlägt mehr und mehr durch: Damals gab es eine recht breite Debatte mit dem Akzent auf Kriminalliteratur, die sich um die Legitimität populärer Erzählformen und realistischer Erzählstoffe gegenüber der Dominanz der Literatur-Literatur drehte. Profitiert haben davon nach fast zwei Dekaden die Chuzpe verlegerischen Kalküls und die Neigung des breiten Publikums, dem Vergnügen intellektuellen Niveaus zu entsagen und dafür belohnt zu werden. Mit der Versicherung nämlich, ein als teures Hardcover präsentiertes Heftchen sei alleine deswegen schon richtige Literatur mit Prestigewert und Distinktionsfaktor.
"Das letzte Opfer" funktioniert nach genau diesem Schema, plus dem als moralisch und national wertvoll empfindbaren Surplus, ein rundum deutsches Produkt erworben zu haben. Wie der Heftchen-Roman, der verspricht, aus der Realität zu erzählen, aber stattdessen wolkige Fantasiebilder liefert, agiert auch Hammesfahrs Buch. Die Rolle von Chefärzten Co. übernimmt in diesem Fall die Polizei. Hier in Gestalt eines "BKA-Sonderermittlers", der obsessiv eine Mordserie aufklären will, furchtbar irrt und am Ende furchtbar Recht hat. So, wie es keine "Sonderermittler" des BKA gibt, die in ganz Deutschland alleine herummarodieren und den jeweiligen LKAs und anderen Polizeidienststellen "Befehle" geben können, ist die gesamte Darstellung von Polizei und Polizei-Arbeit in diesem Roman reine Fantasy. Schlimmer, ein schiefer Nachbau von amerikanischen Profiler-Legenden, deren multimediale Bekanntheit Hammesfahr nutzt, um ein deutsches, von schlechten TV-Produktionen hinreichend desinformiertes Publikum zu beeindrucken. Das zweite kommunikative Potential, aus dem sie schöpft, ist der hochideologische deutsche Fernsehkrimi. Aus ihm übernimmt sie Konstellationen wie Chef und Assistent oder die beherzte Staatsanwältin, die alle ohne Auftrag und Grund handeln. Weil diese Papiertiger aber schauderhaft pfuschen, bekommt das Ganze noch einen kritischen Touch. Der natürlich niemandem weh tut, weil die geschilderten Vorgänge, siehe oben, nur in Absurdistan passieren können. Auch der Serial-Killer selbst, in diesem Fall ein Fotograf mit zerrüttetem familiären Background, ist keinerlei Psychologie entsprungen, sondern einem Ragout aus einer Unzahl anderer Serial-Killer-Bücher, -filmen und True-Crime-Stories. Selbst die zu Tode genudelte Schreckenskammer muss zum Schluss noch herhalten, weil Hammesfahr tut, was jeder Trivialliterat tut: Auf den letzten Seiten Informationen und Zusammenhänge nachschieben, die in der krausen Geschichte untergegangen waren. Der Hauptstory kann sowieso niemand folgen, weil Hammesfahr keine Erzählperspektiven beherrscht, sich in tausend Details verwirrt und keine Handlung irgendeiner Figur nachvollziehbar zu erzählen weiß. Das, plus eine ausgesprochen platte Sprache, die stets das Einverständnis mittelständischer Werte sucht ("... er war auch mit Drogen in Berührung gekommen"), und einer stupiden Gleichartigkeit der Dialoge, in denen alle Figuren ununterscheidbar reden, schafft einen unrekonstruierbaren Verhau. Die einzige Spannung des Romans beruht darauf, ob nun der Gatte oder der Bruder des überlebenden Opfers der Mörder ist. Dieses Opfer ist das klassische Frauenmodell, eine damsell in distress, und, soviel Betroffenheitsklischee muss sein, mit Vergewaltigungstrauma.
Was letztlich den Erfolg solcher Produkte ausmacht, ist die konsumgünstige Simulation von Literatur ohne Literarizität, von Realismus ohne Realität, von Spannung ohne mehr als ein simples Rätsel. Für den Verlag ein Schocker von der Stange ohne Übersetzungkosten. All das gilt bei weitem nicht nur für Petra Hammesfahr, sondern für die neue Welle "erfolgreicher" deutscher Grimmis.

Petra Hammesfahr: Das letzte Opfer. Roman. Wunderlich-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002, 395 S., 19,90 EUR


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