Die deutsche Regierung schlägt zurück

Türkei, Politik Türkei-Eskalation. Wie westliche Partner der Türkei die Stirn bieten wollen

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Die Türkei steht vor einem historischen Scheideweg. Entweder lenkt Ankara unter Staatspräsident Recip Tayyip Erdogan ein und gibt der de facto unter seine Macht gestellten Justiz die Unabhängigkeit wieder, entlässt Menschenrechtsaktivisten wie den Deutschen Steudtner und Redaktoren und Journalisten oder sie driftete vollständig in ein „faschistoides Regime ab“, wie es der kurdische Oppositionspolitiker Demirel kürzlich in einem schriftlich geführten Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) sagte. Anlass zur Besserung nach dem Putsch vom vergangenen Sommer und nach dem erfolgreichen Verfassungsreferendum vom vergangenen April sehe er sowie viele andere, westliche Regierungen, darunter auch Deutschland, nicht. Sebastian Kurz, Außenminister und bald Kanzler in Österreich, sagte unlängst, „alle roten Linien sind überschritten“ und mahnte die Menschenrechtsverletzungen, Grundgesetzverletzungen und den rigiden Ton Erdogans in Bezug auf westliche Nato-Partner an.

Die Bundesrepublik reagierte zurecht, endlich nach einer langen Zeit der Toleranz und des Schweigens, mit harscher Kritik gegenüber der Türkei. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel warnte vor Investitionen und Urlauben in der Türkei, kritisierte die mutmaßlich von Erdogan geführte schwarze Liste deutscher Unternehmen, die nach Angaben Ankaras den Terrorismus unterstützten. Auch ist eine Türkei-Werbung mit dem ehemaligen deutschen Fußballnationalspieler Lukas Podolski von den Nachrichtensendern NTV und N24 nach Gabriels Rede vom Sender genommen worden.

Viele in Deutschland lebende Türken – viele unterstützen die AKP von Erdogan – sehen die Deeskalation zwischen beiden Ländern als folgenschwer, viele stehen aber auch Seiten ihres Ursprungslandes und entfremden und grenzen sich weiter ab… von Deutschland, dem Land, in dem viele von ihnen aufgewachsen sind, zur Schule gingen und arbeiten und Familien gründeten. Sprich sich eine Existenz weit entfernt von Ankara aufbauten. Dass dies unter Deutschen Missmut weckt, ist nachvorstellbar. Zumal die Türken eigentlich genauso wie Deutsche behandelt werden möchten – zu Recht. Denn schließlich haben sie einiges, und werden es auch weiter, für das Land getan und gerade in der Zeit des Wirtschaftswunders Deutschland zu seiner jetzigen Erfolgsstruktur gebracht. Trotz sozialer Diskriminierung und Rassismus gegenüber Türkeistämmiger, beides hat sich im Laufe der Flüchtlingskrise intensiviert, fordern viele Deutsche ein klares Bekenntnis jener Binationalen zu Deutschland, ihrer Heimat. Das kam bei vielen Deutschtürken aber nicht, man denke nur an das Wahlverhalten beim Referendum vieler Türkeistämmiger in großen deutschen Städten.

Klar ist, und da ist richtig, dass Angela Merkel jetzt kein Blatt mehr vor dem Mund nimmt und auch offen Kritik an Erdogan übt. Denn Nazi-Vergleiche sind das Letzte, was man der aktuellen Bundesregierung, die ja den sogenannten Flüchtlings-Deal mit der Türkei vor mehr als einem Jahr vereinbarte, vorwerfen kann.

Selbst in Brüssel wird der Ton eisiger in Bezug auf Ankara. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini traf sich mit türkischen Politikern und forderte die klare Einhaltung von Menschenrechten ein.

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