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http://www.allocine.fr/film/fichefilm_gen_cfilm=182745.htmleine Filmkritik des französischen Kinohits „Intouchables“, der ab Donnerstag in die Kinosälle der bundesdeutschen Republik kommt.

Der Titel des Films verrät den Frankophonen unter uns schon, dass es um etwas „unberührbares“, „unantastbares“ oder gar um die „Unberührbaren“ gehen muss. Nach der ersten Szenen des knapp zweistündigen Films von Eric Toledano und Olivier Nakacheweiß man dann genaueres. Gemeint sind Philipp (Francois Cluzet) und sein persönliches Dienstmädchen für alle Fälle Driss (Omar Sy), sie sind zusammen die „Unberührbare“ – eine „Equipe“, die gegensätzlicher nicht sein könnte.

Da ist auf der der einen Seite, der superreiche Pariser Aristokrat, der nach einem schweren Paraglidingunfall schwerbehindert ist und 100% auf Hilfe seiner Bediensteten angewiesen ist und auf der anderen der arbeitslose, gerade aus dem Knast kommende Einwanderjunge aus der Pariser Banlieue, die berüchtigt für ihr schlechtes und „brutales“ Image ist. Nun, Philipp sucht ein neues, männliches und unverbrauchtes Dienstmädchen, das ihn in jeder Lebenslage begleitet und vor allem ihm permanent zur Seite steht, Tag und Nacht. Dafür bittet er männliche Bewerber zu sich zu Hofe. Eine Art Bewerbungs-bzw. Vorstellungsgespräch. Driss, der von dem Arbeitsamt genötigt wurde, sich bei Philipp zu präsentieren um weiterhin Anrecht auf die für ihn nötigen Sozialleistungen zu haben, hat nur eines im Kopf: man solle ihm einfach nur seinen Wisch unterzeichnen, der der Beleg ist, dass Driss anwesend war und damit er weiter auf den Kosten des Staates leben kann. Bei der ersten Begegnung der beiden Protagonisten kristallisiert sich aber eine Gemeinsamkeit heraus – die Abhängigkeit. Beide sind im höchsten Masse abhängig von ihren Mitmenschen bzw .im Falle von Driss vom Staat.

file:///C:/Users/David/AppData/Local/Temp/msohtmlclip1/01/clip_image002.jpg In „Intouchables“ prallen Universen aufeinander. Philipp hört Klassik und interessiert sich für Kunst, Driss für Dancemusik und raucht Joints. www.allocine.fr/film/fichefilm_gen_cfilm=182745.html

Zu äußerster Verwunderung von dem mit acht Personen auf engstem Raum in einer kleinen Wohnung in einer Pariser „Cité“ lebenden Kleinkriminellen, wird er dennoch eingestellt. Anfänglich kommt Driss mit dieser ihm unvertrauten Umgebung und Situation nicht klar. So bedeutet es für ihn, früh aufzustehen, Regeln und Anordnungen zu befolgen und in erste Linie nicht an sich zu denken. Morgens muss er Philipp aus dem Bett in seinen moderne Rollstuhl befördern, ihn waschen, massieren, rasieren, füttern, und ihm beim Toilettengang zur Seite stehen. Diese Aktivitäten summieren sich im Laufe des Tages, und allmählich verliert der vorlaute Banlieuejunge seine Berührungsängste und sein Unwohlsein in Bezug auf Philipp und seinem Zustand. Driss hat sogar sein eigenes Zimmer. Philipp, trotz scharfer Kritik aus seinem Umfeld, gefällt die unorthodoxe und direkte Art des Umgangs mit ihm, da er zum ersten Mal nicht den Eindruck hat als Patient wahrgenommen zu werden. Er „entdeckt“ sich dank Driss und seinen eigenwilligen sowie riskanten, nicht standesgemäßen, Ideen neu. Das normale Beförderungsfahrzeug, ein Minivan, wird kurzerhand nicht mehr benutzt, da Driss den unbenutzten Sportwagen, der im Hof steht, viel cooler findet. Nur ist diese Rennmaschine nicht wirklich an die Behinderung Philipps adaptiert, dennoch setzt sich der dickschädlige „Personaldiener“ durch und schlussendlich findet auch Philipp Gefallen an demPS-Wunder. Man muss dazu wissen, dass Philipp ein Geschwindigkeitsfanatiker ist, so hat er ein eigenes Flugzeug und später einen frisierten Roll“renn“stuhl.

„Unberührbar“ werden die Beiden durch ihr intelligentes und lustiges Zusammenspiel. Als Driss den Rennwagen ausfahren will und er sich aufgrund von Nichteinhaltung der Geschwingkeitsbeschränkung mit der Polizei eine wilde Verfolgungsjagd liefert, kommt Philipps Inszenierungsreichtum zum Tragen. Als Driss von der Polizei gefasst wird, deutet er auf den kranken und schleimspuckenden Beifahrer Philipp, der ja ach so dringend ins „Hôtipal“ gebracht werden müsste. Die verblüfften „Flics“ fallen drauf herein und eskortieren Driss und Philipp ins Krankenhaus. Gerade am Krankenhaus angekommen, müssen die Beamten einem neuen Einsatz nachgehen und fahren weg. Daraufhin setzen die beiden ihre rasante Spritztour fort.

Ihre Relation, eine freundschaftliche, sie siezten sich dennoch weiterhin, bleibt nicht ohne positive Folgen für Driss. Ein Wandel im sonst so aggressiven Verhalten von Driss ist einhergehend mit einer neuen (sozialen) Rolle, die er ausfüllen möchte. Er grenzt sich immer mehr von seinem alten Umfeld, der Straße ab, und versucht auf seinen kleinen kriminellen Bruder erzieherisch Einfluss zu nehmen.

Soweit so lustig, denn dieser Film ist eine Komödie und mit Scherzen und steilen Thesen angereichert. Das ist sicherlich der Grund, warum der am 2. November in die Kinos gekommende Film „en vogue“ bei dem französischen Publikum ist. Die Leute lieben diesen Film, der auf einer wahren Gegebenheit basiert, da er die Unterschiede der sozialen Milieus komödiantisch, mit viel Humor aber auch provokant schildert. Driss, in Realität ist der Diener ein maghrebinischstämmige Junge, glänzt in seiner Naivität und Banalität (Vgl. Opernszene oder Kunstkauf). Flotte Sprüche lassen ihn das Herz Philipps erobern, der wiederum auf die Impulse Driss eingeht und sogar dank seiner draufgängerischen Art und Weise seine langjährige Schreibfreundin, rein platonisch, anruft und am Ende auch begegnet. Ein toller Moment für den schüchternen Philipp. Driss Anmerkungen und Kommentare sind für die anderen Personen befreiend, so sagt er zum Beispiel der hauseigenden Krankenschwester eine Beziehung mit dem Hofgärner voraus. Dies tritt auch später ein. Der Antagonismus und das Aufeinanderprallen von Welten ist das belebende Moment dieser sehenswerten Komödie.

Nur bleibt zu fragen, was der Film wirklich bewirken will. Repräsentativ kann er nicht sein, da erstens die Bewohner der Banlieue mit der Aristokratie der noblen Pariser Innenstädte nichts zu tun haben (wollen)und zweitens auf beiden Seite starke Vorurteile bestehen. So bleibt es eine absolute Ausnahme, dass ein Bewerbern aus den desolaten Vororten kommt und sich auch noch gegen diplomierte Bewerber aus den „guten“ Arrondissements bzw. Quartiers durchsetzt. Hier liegt eine Kritik. Natürlich basiert wie erwähnt der Film auf einer wahren Geschichte, dennoch ist er nur ein Tropfen auf den heißen Stein und ändert nichts an den bestehenden und festgefahrenen Denkmustern. Dafür ist er aber auch nicht gemacht.

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