Gehampel mit Ampel: Das NRW-Koalitionsgerangel und die FDP

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In Nordrhein-Westfalen wird jetzt jedes Wort genau begutachtet: Nach dem ersten Treffen von SPD und Grünen, die zunächst mit der FDP reden wollen, hat deren Landeschef Andreas Pinkwart erklärt, Gespräche könne es nur geben, „wenn SPD und Grüne eine Koalition mit extremistischen Parteien wie der Linkspartei ausschließen“. Die „Bewegung“ ist eine um Millimeter: Die Liberalen hatten bislang zur Bedingung gemacht, dass Rot-Grün nicht nur eine Koalition, sondern sogar „Gespräche“ mit der Linken ausschließt. Deren Fraktionschef Gregor Gysi hat das „Sprechverbot“ als „wirklich absurd“ und „auch grundgesetzwidrig“ bezeichnet. Aber was ist eigentlich dran an der Ampel? Ist das rot-grüne Angebot an die Liberalen nur ein taktischer Zug? Und was will die FDP?

Die rot-grün-gelbe Koalitionsvariante ist am Wahlabend aus der Versenkung emporgeschossen. In einem stark von möglichen und unmöglichen Koalitionsfarben geprägten Wahlkampf spielte die Variante keine Rolle spielte. Eine wirklich erfolgreiche Referenz-Ampel findet sich ebenso wenig: an Brandenburg (1990 bis 1994) und Bremen (1991 bis 1995) erinnert sich kaum jemand. Rot-Grün-Gelb ist also keine politische Wunschoption, sondern eher Mittel zum Zweck: für die einen in der FDP geht es um Postenerhalt, für die anderen um die Befreiung aus der Gefangenschaft mit der Union; und für den Steinmeier-Flügel in der SPD um machtpolitische Beweglichkeit. Es ist kein Zufall, dass am Montag nach der Wahl aus dem Umfeld des sozialdemokratischen Fraktionschefs die sozialliberale Karte ausgespielt wurde. Auch Fraktionsvize Olaf Scholz blickt weit zurück: „Eine Partei, die mit der SPD von 1969 bis 1982 eine erfolgreiche sozial-liberale Koalition mit fortschrittlichen Zielen gebildet hat, verkennt die Geschichte, wenn Sie sich nur noch als Koalitionspartner der Union versteht.“

Dem Duo Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann wiederum könnte man vielleicht zu Gute halten, dass sie nicht wirklich eine Koalition mit der Mövenpick-Partei anstreben, sondern mit ihrer Gesprächsbereitschaft gegenüber den Liberalen vor allem den Skandal eines etwaigen rot-rot-grünen Bündnisses klein halten wollen. Motto: „Wir haben doch alles versucht.“ Beziehungsweise: Methode Berlin. Dort hatte 2001 Klaus Wowereit nach gescheiterten Ampel-Verhandlungen eine rot-rote Koalition geschmiedet.

Die Debatte über die Ampel legt vor allem den Zustand der Liberalen frei. In der Partei scheint die Bündnisvariante zum Hebel gegen Parteichef Guido Westerwelle zu werden. Der selbst weiß auch nicht so recht und hatte eine Ampel zunächst nicht ausgeschlossen, lehnt diese inzwischen aber definitiv ab. Inhaltliche Gründe für diesen Sinneswandel kann es kaum geben, weil sich die Lage seit Sonntagabend nicht verändert hat: die programmatische Entfernung zwischen FDP, Grünen und SPD ist immer noch genauso groß. Aber die Situation Westerwelles hat sich gewandelt: Er gerät immer stärker unter Druck, es gibt eine Personaldebatte, und nun auch noch die Vielstimmigkeit in der Koalitionsfrage. Die Strategie „nur mit der Union“ sehen offenbar immer mehr Liberale mit Sorgen - auch mit Blick auf kommende bundespolitische Konstellationen.

Fraktionsvize Ulrike Flach hat sich ebenso dafür ausgesprochen, die Ampel zu sondieren wie der frühere Innenminister Gerhart Baum. Selbst Entwicklungshilfeoffizier Dirk Niebel hält Rot-Grün-Gelb für vorstellbar. Die Jungen Liberalen in NRW haben erklärt, die Partei müsse sich mittelfristig auch für Koalitionen abseits von Schwarz-Gelb öffnen. Von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist ebenfalls bekannt, dass sie sich diese Option vorstellen kann. Die Justizministerin ist die erste prominente FDP-Politikerin gewesen, die sich jetzt für eine Transaktionssteuer zur Abschöpfung von Spekulationsgewinnen ausgesprochen hat - gegen die bisherige Linie Westerwelles.

Auf der anderen Seite des liberalen Kontinents wird versucht, die Ampel möglichst schnell außer Reichweite zu schieben. FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat bereits erklärt, man könne das Thema „zu den Akten“ legen. NRW-Fraktionschef Gerhard Papke ist ebenfalls strikt gegen die Ampel – und mit ihm offenbar ein Großteil der Landtagsfraktion. Die soll sich inzwischen sehr verwundert über Pinkwarts Kehrtwende geäußert haben: Der habe sich mit dem Offenhalten der Ampel entweder vergaloppiert, heißt es, und sorge sich ja doch nur um einen Posten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

Avatar